"Geplante" Elternschaft erfordert einen Kompromiß aus zuverlässiger Empfängnisverhütung, planbarer Wiederkehr der
Fruchtbarkeit und unerwünschten Begleitwirkungen oder Folgen der Verhütungsmethode. Je länger der kontrazeptive Effekt vorhält
etwa bei Depotpräparaten , desto schlechter läßt sich die Wirkdauer steuern. Für die Massenanwendung geeignete Hemmvakzinen
bergen das Risiko des Mißbrauchs für bevölkerungspolitische Zwecke etwa in totalitären Regimen ohne Aufklärung der
Betroffenen.1
Wer über die verschiedenen Methoden berät, muß neben Vorerkrankungen die Lebensumstände und individuelle Bedürfnisse
berücksichtigen. Auch Schutz vor Krankheitsübertragungen gilt als Auswahlkriterium.
BARRIEREMETHODEN: Für Männer, die ihre Zeugungsfähigkeit nur zeitweilig einschränken wollen, sind Kondome immer
noch die zuverlässigste Methode. Sie verringern bei sachgerechter Anwendung zudem das Übertragungsrisiko von Infektionen durch Gonokokken,
Chlamydien, Kondylom-, Herpes-simplex-, Hepatitis-B- und HI-Viren (a-t 10 [1993], 99). Daß Kondome die
Empfindlichkeit der Glans penis herabsetzen, könnte ein Vorteil für Männer mit vorzeitigem Samenerguß sein.2 Die
Verhütungsmethode eignet sich nicht bei Allergien gegen Gummi oder Gleitmittel. Während die Qualität deutscher Produkte wenig Anlaß zu
Beanstandungen gibt, wird die Mehrzahl der in Italien, Spanien und Portugal erhältlichen Präservative als "mangelhaft" bewertet.3
Hitze und UV-Lichteinwirkung sowie die gleichzeitige Verwendung fetthaltiger Gleitmittel mindern den Schutzeffekt. Trotzdem bleibt das Kondom unter den
Barrieremethoden das Mittel der Wahl.
Kondome für Frauen (FEMIDOM [Schweiz u.a.]) bestehen aus einer weichen Polyurethanfolie mit zwei biegsamen Ringen. Der kleinere wird in die Scheide
eingeführt und bedeckt den Gebärmutterhals, der größere Ring bleibt außerhalb und hält das Schutzmittel an seinem Platz im Bereich
der Vulva. Stören können der äußerlich sichtbare Anteil, schwieriges Einsetzen oder Geräusche beim Geschlechtsverkehr. Zudem kann
das Kondom für Frauen in die Vagina hinein- oder herausrutschen. Manche Frauen berichten über geringere Empfindlichkeit der von Folie bedeckten
Klitoris, andere dagegen über zusätzliche Stimulation.4 Während sechsmonatigem Gebrauch werden 10% bis 15% der Anwenderinnen
schwanger. Die Methode bietet eine Alternative für Frauen, deren Partner keine Kondome benutzen (wollen),5 erscheint aber insgesamt als wenig
zuverlässig.
Diaphragmen bedecken den Gebärmutterhals und die vordere Scheidenwand bis zur Symphyse. Damit sie akkurat sitzen, werden sie vom Arzt
angepaßt. Am sichersten schützt die größte Gummikappe, die ohne Beschwerden getragen werden kann. Die künftige Anwenderin sollte
während der Beratung das Einsetzen üben. Wer mit einem Diaphragma verhütet, muß gleichzeitig das spermienabtötende Nonoxinol 9
(ORTHO Vaginalgel) verwenden. Kommt es erst nach einer Stunde oder dann erneut zum Geschlechtsverkehr, ist zusätzliches Spermizid
nötig. Das Diaphragma sollte frühestens 6, spätestens 24 Stunden nach dem Koitus entfernt werden.2 Für geübte
Anwenderinnen gelten Diaphragmen als relativ sicher.
Nonoxinol-9 (PATENTEX OVAL N u.a.)-Vaginalzäpfchen überziehen Scheide und Muttermund mit einem spermizidhaltigen Schaum. Sie haben
sich 15 Minuten nach dem Einführen aufgelöst, beginnen dann zu wirken und halten etwa eine Stunde vor. Dann wird ein weiteres Ovulum
erforderlich.2 Nonoxinol-9 kann örtliche Reizungen und bei Kombination mit Pessaren Wunden im Scheiden- und
Gebärmutterhalsepithel verursachen. Dies erhöht möglicherweise das Risiko der Infektionsübertragung einschließlich HIV.6 Bis zu
21% der Anwenderinnen von Spermiziden werden im ersten Jahr schwanger (a-t 1 [1989], 2). Mit Nonoxinol-9 imprägnierte Polyurethanschwämme (in
Deutschland nicht im Handel) werden tief in die Vagina eingeführt und wirken 24 Stunden lang. Spätestens dann sind sie zu entfernen, um lokale
Reizungen zu vermeiden.2 Insgesamt sind Spermizide teuer. Ihre Anwendung erscheint eher kompliziert und die Wirkung wenig zuverlässig.
INTRAUTERINPESSARE (IUP): Kupfer-IUP (a-t 6 [1990], 51) verändern über eine
Fremdkörperreaktion die Gebärmutterschleimhaut und die Zusammensetzung von Uterus- und Eileitersekreten, so daß diese die Spermien
schädigen. Gestagen-freisetzende IUP (Skandivanien: LEVONOVA) haben ähnliche Wirkungen. Kupfer-IUP eignen sich besonders für
Frauen, die bereits geboren haben, weniger für Nullipara. "Spiralen" dürfen bei genitalen Infektionen nicht eingesetzt werden. Nach einem
Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon können sie sofort Verwendung finden.
Bauchkrämpfe sowie verstärkte und schmerzhafte Blutungen sind die häufigsten Störwirkungen. In den ersten Monaten kommen
Zwischenblutungen vor. Treten sie nach zuvor regelmäßigen Zyklen auf, sind Infektionen oder Ausstoßung des IUP auszuschließen. Einer
prospektiven Kohortenstudie zufolge gehen Entzündungen im Beckenbereich in den ersten Monaten der Anwendung eines IUP auf das Einschleppen von
Erregern beim Einsetzen zurück. Später auftretende entzündliche Erkrankungen rühren offenbar eher von sexuell übertragbaren
Krankheiten her, die vom Pessar unabhängig sind. Eine seltene, aber schwere Komplikation ist der Durchbruch des IUP durch die Gebärmutterwand beim
Einsetzen. Bei geübten Ärzten wird von einer bis drei Perforationen pro 1000 Insertionen ausgegangen.2
Frauen, denen ein IUP entfernt wird, müssen wissen, daß ihre Fruchtbarkeit rasch zurückkehrt.2 IUP gehören neben der
"Pille" zu den sichersten Methoden.
HORMONALE KONTRAZEPTIVA: Kombinationspräparate (a-t 2 [1989], 19) enthalten ein Östrogen meist Ethinylestradiol und
einen fixen (Einphasen-Präparate [MARVELON u.a.]) oder abgestuften Gestagenanteil (Sequenz- bzw. Zwei- und Dreiphasen-
Präparate). Überzeugende Belege für den klinischen Vorteil der Sequenzpräparate finden wir nicht. Im Gegenteil: Zweiphasenpräparate
wie OVIOL und Dreiphasenpräparate wie TRIQUILAR versagen auffallend häufig (a-t 6 [1993], 61).
Von 45 NETZWERK-Berichten über Schwangerschaften unter hormonalen Antikonzeptiva betreffen 20 OVIOL und vier TRIQUILAR.
Als risikoträchtiger Bestandteil der "Pille" gilt vorrangig das synthetische Östrogen, so daß man versucht, solche mit natürlichem
Östrogen zu entwickeln, oder auf den Östrogengehalt verzichtet. Störwirkungen wie Ödeme, Übelkeit, vermehrte Pigmentierung, vaginaler
Fluor und thromboembolische Ereignisse bis zum Insult werden dem Östrogenanteil zugeschrieben. Dagegen sollen Akne, Kopfschmerz bis zur Migräne,
Gewichtszunahme, Depressionen, Reizbarkeit und verminderte Libido auf das Gestagen zurückgehen. Halten die Beschwerden länger als zwei bis drei
Zyklen an, empfiehlt es sich, die Verhütungsmethode zu wechseln.2
Schmierblutungen ("Spotting") verschwinden meist nach zwei bis drei Zyklen oder nach Präparatewechsel. Bei starken Blutungen ist das
Präparat abzusetzen. Nach fünf Tagen folgt dann eine menstruationsartige Abbruchblutung.2 Tiefgreifende endokrine Störungen wie die
"post-pill"-Amenorrhoe, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und eine vorzeitige Osteoporose bedingen kann, bereiten diagnostische und
therapeutische Schwierigkeiten. Bleibt die Entzugsblutung in zwei aufeinanderfolgenden Zyklen aus, muß als erstes eine Schwangerschaft ausgeschlossen
werden.2
Erbrechen und Durchfall oder Einnahme bestimmter Medikamente wie Antibiotika (z. B. Ampicillin [BINOTAL u. a.], Nitrofurantoin [FURADANTIN u. a.]),
Tuberkulostatika oder Antikonvulsiva können die Sicherheit hormonaler Kontrazeptiva vermindern.
Thromboembolien sind nach wie vor das schwerstwiegende Risiko östrogenhaltiger oraler Kontrazeptiva. Frauen mit Thrombosen in der Vorgeschichte oder
Raucherinnen über 30 Jahre sollen keine hormonalen Kontrazeptiva verwenden. Zwei bis vier Wochen vor geplanten Operationen sind kombinierte orale
Kontrazeptiva wegen erhöhten Thromboserisikos abzusetzen. Bei Notfalleingriffen, Immobilisation und Maßnahmen wie Gipsverbänden an den
unteren Extremitäten ist für "Pillen"-Anwenderinnen eine Thromboseprophylaxe zu erwägen.2
Bestimmte Kombinationspräparate stehen im Verdacht eines erhöhten Risikos. Die Präparate FEMOVAN und MINULET, die das Gestagen
Gestoden enthalten, besitzen wahrscheinlich ein intrinsisch höheres Thromboembolierisiko als andere niedrigdosierte Antikonzeptiva (a-t 12 [1993], 136; 9 [1994], 90). Das Cyproteronazetat-haltige
Kombinationspräparat DIANE soll u.a. wegen des Verdachts auf leberschädigende Effekte durch das Antiandrogen nicht mehr zur
Empfängnisverhütung, sondern nur noch bei schwerer Akne Verwendung finden (a-t 12 [1994],
113).
Ob die Hormonkombinationen das Brustkrebsrisiko bei Langzeitanwendung erhöhen, wird kontrovers beurteilt (a-t 1 [1989], 2). Nach einer soeben
veröffentlichten Fall-Kontroll-Studie scheinen Frauen ein erhöhtes Brustkrebsrisiko einzugehen, wenn sie eine mehr als vierjährige
"Pillen"-Einnahme schon vor dem 20. Lebensjahr beginnen.7 Das Risiko für Gebärmutterhalskarzinome nimmt unter hormonalen
Kontrazeptiva offensichtlich ebenfalls zu, das für Ovarial- und Endometriumkarzinome ab. Den Anwenderinnen sind regelmäßige gynäkologische
Kontrollen zu empfehlen. Trotz dieser Probleme und Risiken gehören niedrigdosierte Kombinationspräparate nach wie vor zu den sichersten
Verhütungsmitteln. Ihre antikonzeptive Zuverlässigkeit nimmt ab, wenn die "Pillen"-Einnahme für einen Tag oder länger unterbrochen
wird (a-t 10 [1993], 95).
Niedrigdosierte Gestagene ("Minipille", MICROLUT u.a.) verändern bei kontinuierlicher Einnahme den Zervixschleim, so daß Spermien
nicht penetrieren können, und beeinträchtigen die Einnistung der Eizelle. Der Eisprung wird nicht mit Sicherheit unterdrückt. Sehr häufig kommt
es zu Schmier- und Durchbruchblutungen sowie zu unregelmäßiger und ausbleibender Menstruation.2 Die "Minipille" wirkt weniger
zuverlässig empfängnisverhütend als Kombinationspräparate: Werden die Tabletten nur um zwei bis sechs Stunden zu spät
eingenommen, kann daraus ein Wirksamkeitsverlust resultieren. Andererseits bergen die niedrigdosierten Gestagene nur ein geringes Thromboembolierisiko. Die
beobachteten gutartigen Ovarialzysten bilden sich in der Regel in den ersten Monaten nach Absetzen zurück.2 Die "Minipille" ist die
Methode der Wahl für junge Frauen mit stabilem Zyklus, bei denen eine zuverlässige Einnahme gewährleistet ist.
Hochdosierte Gestagen-Depotpräparate, die bei Einmalgabe bis zu drei Monate einer Schwangerschaft vorbeugen, werden in der Bundesrepublik als
DEPO-CLINOVIR (150 mg Medroxyprogesteronazetat) und NORISTERAT (200 mg Norethisteronenantat) angeboten. Die hohe Gestagendosis unterdrückt
meist die Ovulation oder verschiebt sie, so daß die Regelblutungen spärlich und unregelmäßig werden oder völlig ausbleiben. Viele
Anwenderinnen (5% bis 15%) klagen über Gewichtszunahme, Libidoverlust, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Stimmungsänderungen u.a.
Über Begünstigung der Osteoporose, Thrombosen und Todesfälle in Verbindung mit diesen Mitteln bei der Behandlung hormonabhängiger
Tumoren wird berichtet (a-t 6 [1989], 62).
Hochdosierte Gestagen-Depotpräparate verhindern die Empfängnis zuverlässig. Sie eignen sich für Frauen, die einer
Schwangerschaftsverhütung bedürfen, die aber nicht in der Lage sind, orale Kontrazeptiva regelmäßig und zuverlässig
einzunehmen.
POSTKOITALE EMPFÄNGNISVERHÜTUNG: Die "Pille danach" wird für Frauen nach ungeschütztem
Geschlechtsverkehr zwischen dem 8. und 18. Zyklustag angeboten, außerdem für alle, die unregelmäßige Zyklen oder die zwei oder mehr
"Pillen" vergessen haben. Zwei Tabletten zu je 50 µg Ethinylestradiol und 250 µg Levonorgestrel (TETRAGYNON) werden innerhalb von 72
Stunden nach dem Koitus eingenommen, gefolgt von der gleichen Dosis 12 Stunden später.2 Die Versagerrate wird sehr unterschiedlich angegeben,
üblicherweise mit 2% bis 3%, nach einer retrospektiven Studie aber auch mit 4,2% bis 100% (a-t 9 [1991], 77).
Häufig kommt es zu Übelkeit und Erbrechen, außerdem zu Kopfschmerzen und Spannungsgefühl in den Brüsten.8 Drei bis vier
Wochen später soll ein Schwangerschaftstest erfolgen, denn bei fortbestehender Gravidität kann die hohe Hormondosis die Frucht schädigen. Ein
Kupfer-IUP innerhalb von fünf Tagen nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eingesetzt, verhütet die Schwangerschaft
zuverlässiger.
Schwangerschaftsverhütung in besonderen Situationen, Kostenübersicht und Literaturangaben im nächsten Heft
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