Die in Deutschland im Vergleich zu anderen Gestagen-haltigen Hormonkombinationen "zeitweise beobachtete höhere Melderate"
thromboembolischer Ereignisse für Kontrazeptiva mit Gestoden (FEMOVAN, MINULET) sei vor dem Hintergrund stimulierter Meldungen zu sehen. Die
vorliegenden Daten hätten sich als "wissenschaftlich nicht verwertbar erwiesen".1
Entgegen diesem vorläufigen Fazit einer von der Firma Schering beauftragten Arbeitsgruppe bemüht sich das Bundesinstitut für Arzneimittel um
weitere Sachverhaltsaufklärung: Daten aus drei Phase-IV-Studien sowie Vergleichsdaten aus der sog. Oxford-Studie bestätigen nunmehr den Verdacht
einer Häufung thromboembolischer Komplikationen nach Verordnung von FEMOVAN/MINULET (a-t 3 [1989], 29; 5 [1989], 50; 9 [1991], 74 u.a.). Bezogen auf die Ergebnisse der CILEST-Studie mit 2,01 Ereignissen pro 1000 Frauenjahre beträgt
die Häufigkeit solcher Komplikationen 6,03 in der Gestoden-F (Schering)- und 7,52 in der Gestoden-M (Wyeth)-Studie. Insoweit deuten die Daten auf ein
gegenüber CILEST mindestens dreifach höheres Risiko durch FEMOVAN/MINULET (a-t 12 [1993],
136).2
Offizielle Auswertungen der Schering-Pharmaforschung kommen für Gestoden-F (FEMOVAN) auf insgesamt 0,65 Thrombosen/Thromboembolien pro 1000
Frauenjahre.3 Die errechneten Werte sind für das Amt unter Berücksichtigung der tatsächlich registrierten Zwischenfälle nicht
nachvollziehbar und werden als "falsch und irreführend" eingeordnet.2 Überdies liegen die von Schering erhaltenen
Häufigkeitsangaben unterhalb der Thromboseinzidenz aus der Gestoden-M (MINULET)-Studie der Firma Wyeth.
Auffällig erscheint die Diskrepanz der Häufigkeitsangaben für die identisch zusammengesetzten Kontrazeptiva bei Lungenembolien. Bezogen auf
523.000 Zyklen registrierte Schering zwei Ereignisse, was einer Inzidenz von 0,05 pro tausend Frauenjahren entspricht, und Wyeth bezogen auf 335.000
Zyklen fünf Ereignisse. Dies entspricht einer Häufigkeit von 0,19. Damit erfaßt Wyeth dieses Risiko 3,8fach häufiger als Schering.
Insgesamt signalisieren nicht nur Spontanmeldungen, sondern auch die vorhandenen epidemiologischen Daten nach Einschätzung des Amtes ein wesentlich
höheres Risiko Gestoden-haltiger Hormonkombinationen hinsichtlich thromboembolischer Ereignisse.
Die thrombogene Komplikationsdichte im Hirnbereich und am arteriellen Schenkel hängt von der Höhe der Gestagendosis bei sonst gleichem
Östrogengehalt der Ovulationshemmer ab.4 Gestagenen werden eigene und modulierende Thrombose-fördernde Wirkungen
zugeschrieben.5,6
FAZIT: Wenige hundert spontan gemeldete schwerwiegende vaskuläre Zwischenfälle nach Gestoden-Präparaten begründeten den
Anfangsverdacht des Bundesgesundheitsamtes auf nicht vertretbare Risiken. Die Ereignisse betrafen auffällig häufig die Hirngefäße und
Lungenstrombahn junger Frauen. Invalidisierende bzw. tödlich endende Verläufe wurden dem Amt bekannt.
Inzwischen liegen vergleichende Auswertungen von Phase-IV-Studien für FEMOVAN/MINULET und für das ebenfalls niedrig dosierte Kontrazeptivum
CILEST vor. Gestoden-Kontrazeptiva beinhalten danach gegenüber dem Vergleichspräparat je nach Lokalisation eine um den Faktor zwei
bis fünf höhere Risikozunahme für Thrombophlebitiden resp. Thromboembolien.
|