Nach monatelangen juristischen Auseinandersetzungen (a-t 10 [1997], 101) erscheint jetzt der Arzneiverordnungs-Report (AVR) '97 in
einer "verfügungsbeklagten Ausgabe" mit zum Teil seitenlangen Textschwärzungen. Nichts weckt jedoch die Neugier mehr als schwarze
Balken, die den Lesefluss stören oder gerade den Schluss eines spannenden Satzes verbergen. Wir dokumentieren in dieser Ausgabe das Gerichtsurteil, das
der Grund für diese Schwärzungen ist.
Firmen, deren Erlöse zum großen Teil aus der Vermarktung umstrittener Arzneimittel stammen, sind spätestens seit Ende 1996 alarmiert. Die drohende
Überschreitung des Arznei- und Heilmittelbudgets um fast fünf Milliarden DM führte zu Sparappellen und Verordnungsverzicht, die gerade diese
Produkte treffen: "Allein bei den umstrittenen Arzneimitteln gingen die Verordnungen in den letzten beiden Monaten des Jahres 1996 um ca. 400 Millionen DM
zurück."1 Als dann der Herstellerseite eine als vertraulich gekennzeichnete frühe Arbeitsversion des Arzneiverordnungs-Report '97 mit
Substitutionsvorschlägen zugespielt wird, folgt eine konzertierte Aktion gegen den AVR. Die Firmen
Schwabe |
CRATAEGUTT, PROSTAGUTT, TEBONIN, VENOPLANT u.a. |
Bionorica |
SINUPRET |
Strathmann |
STROGEN |
verhindern per einstweiliger Verfügung das Erscheinen des Buches.2,3 Weitere Firmen mahnen den Gustav Fischer Verlag wegen verschiedener
Präparate mit Unterlassungsansprüchen ab:
Chephasaar | verschiedene Präparate |
Dolorgiet | DOLGIT Creme, TRAUMA-DOLGIT u.a. |
Engelhard | PROSPAN |
Hevert | GINKGO BILOBA COMP. |
Kreussler | GABRILEN Gel, PHARDOL Balsam |
Loges | DIARRHOESAN, TOXILOGES |
Madaus | verschiedene Präparate |
Merz | AKATINOL MEMANTINE |
Opfermann | DONA 200-S |
Pohl-Boskamp | Substitutionsliste |
Pharmacia & Upjohn | FENINT, SERMION |
Schaper & Brümmer | Substitutionsliste |
Strathmann | Substitutionsliste |
|
Thiemann | PERENTEROL, SUPERTENDIN DEPOT |
Trommsdorff | KELTICAN N, TROMCARDIN u.a. |
Verla-Pharm | MAGNESIOCARD u.a. |
Zambon | FLUIMUCIL, RINOFLUIMUCIL-S |
In dem von der Firma Schwabe beim Landgericht Düsseldorf erwirkten Urteil wird den GKV-Spitzenverbänden untersagt,
"bei der Verbreitung von Listen, Aufstellungen und Darstellungen von Arzneimittelgruppen unter der Bezeichnung ,umstrittene Arzneimittel'
alleine oder in Verbindung mit der jeweiligen Zuordnung einer ,Substitutionsempfehlung' hinsichtlich der Präparategruppen Antidementiva,
durchblutungsfördernde Mittel, pflanzliche Kardiaka, pflanzliche Prostatamittel, pflanzliche Psychopharmaka, Venenmittel mitzuwirken, insbesondere, wenn es
sich um eine Aufstellung wie folgt handelt"3...
Im Urteilstatbestand folgt auf Seite 4 die Tabelle 46.5 "Substitution umstrittener Arzneimittel" (siehe Tabelle). Da es sich hierbei um eine frühe
unkorrigierte Arbeitsversion als Diskussionsgrundlage für die Mitautoren des AVR handelt, erscheint uns eine Kommentierung (siehe unten) notwendig.
Das Düsseldorfer Gericht folgt den Thesen des Herstellers: Durch "Mitwirkung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen bei der
Publizierung von Listen angeblich umstrittener Arzneimittel" werde "auf Grund der Autorität der Spitzenverbände steuernd in den
Arzneimittelmarkt eingegriffen". Die Liste stelle "eine kartellwidrige Empfehlung" dar.3
In einem späteren gleichartigen Verfahren vor dem Landgericht Hamburg4 wird nach vorheriger Anhörung der Beklagten entschieden. Danach
schätzen die Richter die Sachlage völlig anders ein. Sie lehnen die einstweilige Verfügung ab, die die Firma Opfermann wegen
"Diskriminierung" ihres Produktes DONA 200-S gegen Verlag und Spitzenverbände durchsetzen wollte. Das Gericht hält es für "nicht
überwiegend wahrscheinlich, dass der Arzneiverordnungs-Report ein Sprachrohr der ... Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherer ist".
Bei den bewertenden Beiträgen handele es sich um "Meinungsäußerungen unabhängiger Wissenschaftler", die durch Artikel 5 des
Grundgesetzes geschützt und nicht durch wettbewerbs- oder kartellrechtliche Vorschriften aufhebbar sind. Der Begriff "umstritten" sei ein Werturteil,
nicht zu beanstanden und im Vorwort des AVR definiert:
"Der Gebrauch des Begriffes ,umstritten' bei der Bewertung von Arzneimitteln erhebt nicht den Anspruch einer
Tatsachenbehauptung, sondern bedeutet, dass nach Auffassung des jeweiligen Autors die therapeutische Wirksamkeit der betreffenden Präparate oder
Arzneimittelgruppen trotz vorhandener positiver Darstellungen nicht hinreichend belegt ist. Die pharmakologisch-therapeutische Bewertung erfolgt unabhängig
vom Zulassungsstatus des Arzneimittels."4
Im Übrigen traut die Kammer "dem naturwissenschaftlich ausgebildeten Arzt ohne weiteres zu, dass er zwischen Basisdaten und darauf beruhenden
Werturteilen wird differenzieren können".4
Versuche von Herstellern, nachteilige Beurteilungen zu unterbinden, gibt es auch in anderen Ländern. So suchte MSD zu verhindern, dass die norwegische
Arzneibehörde eine für das Biphosphonat Alendronat (FOSAMAX) ungünstige Kosten-Nutzen-Analyse veröffentlicht. Nach Anhörung der
Beteiligten widerruft das Osloer Gericht ein vorläufiges Veröffentlichungsverbot, weil das Recht auf Meinungsfreiheit keine Zensur erlaubt, wenn allenfalls
ein finanzieller Schaden zu befürchten sei.7 Norwegische Ärzte protestierten gegen den Versuch von MSD, die Behörde mundtot zu
machen, und drohten Boykott gegen Produkte der Firma an.8 In Deutschland zollten hingegen Gynäkologenverbände der Entscheidung des
Berliner Verwaltungsgerichtes distanzlos Beifall, als es kürzlich auf Antrag von Nourypharma/Schering Maßnahmen des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte zur Risikoabwehr aufgehoben hat (vgl. Seite 1).
FAZIT: Die Hersteller wollten die Gunst der Stunde nutzen und die Spitzenverbände der GKV und den Gustav Fischer Verlag massiv mit einstweiligen
Verfügungen überziehen, um die Veröffentlichung von Substitutionsmöglichkeiten für als umstritten bewertete Arzneimittel ein für
allemal zu verhindern.
Es geht nicht an, dass die öffentliche Diskussion über Nutzen, Risiken und Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln, die von seriöser bewertender
Meinungsäußerung und wissenschaftlicher Kritik lebt, durch allein unternehmens- und wettbewerbspolitische Argumente unterbunden und damit die
gesundheitspolitisch wichtige Produktkritik mundtot gemacht oder jedenfalls unter Sanktionsdruck gestellt wird. Der gesundheitsorientierten Produktkritik
gebührt verfassungsrechtlich und zivilrechtlich Vorrang vor Absatzinteressen. Das allgemeine Interesse an der Freiheit öffentlicher Kommunikation
genießt höheren Schutz als der privater Marktinteressen. Das jüngste Hamburger Urteil4 bestätigt diesen Grundsatz in
begrüßenswerter Deutlichkeit und dürfte sich auf die andernorts schwebenden Berufungsverfahren auswirken.
Angesichts der Finanznot im Gesundheitswesen wird die Diskussion um Rationalität, Qualität und Nutzen der Arzneimittelanwendung zwingender.
Begründungen wie die der Firma Bionorica, man wolle mit der einstweiligen Verfügung "eine Versachlichung in der ganzen Diskussion
anstreben"5, halten wir für verdummende Schutzbehauptungen.
Unser Kommentar zur Tabelle umstrittener Arzneimittel
Die in dem Urteil vom 12. Sept. 19973 aufgeführte Tabelle mit Substitutionsvorschlägen zu Gruppen umstrittener Arzneimittel (siehe Tabelle) stellt die
Situation holzschnittartig dar. Es handelt sich um ein Rechenmodell, welche Kosten zu erwarten sind, wenn auf umstrittene Arzneimittel verzichtet wird und diese
durch gesichert wirksame ersetzt werden. Mit 2,6 Milliarden DM statt 7 Milliarden DM wäre ein solcher Austausch gut 4 Milliarden DM preiswerter, obwohl - wie
beim Beispiel der Rheuma-Externa - zum Teil deutliche Mehrkosten einkalkuliert worden sind.
Die Modellrechnungen sind nicht als Empfehlung für einen generellen Austausch von Arzneimitteln zu verstehen. Niemand wird sämtliche Patienten etwa
von pflanzlichen Psychopharmaka auf Benzodiazepine, von pflanzlichen Prostatamitteln auf Alpharezeptorenblocker oder von Rheumaexterna auf orales Diclofenac
(DICLOFENAC VON CT u.a.) umstellen wollen. Die Tabelle nennt nur die Größenordnung möglicher Einsparungen oder Mehrausgaben und gibt
Anlass, Therapiegewohnheiten zu überprüfen.
Im Einzelfall mag die Verordnung eines pflanzlichen Mittels umstrittener Wirksamkeit oder eines äußerlichen Antirheumatikums zweckmäßig
erscheinen. In welchem Umfang jedoch eine Therapie mit Arzneimitteln überhaupt notwendig oder verzichtbar ist, oder ob dem Patienten mit einem gesichert
wirksamen und damit oft weniger verträglichen Medikament mehr geholfen wäre, lässt sich aus den Verordnungsdaten nicht ableiten. Erkennen
lassen sie jedoch, dass keine Verschiebung der Verordnungen beispielsweise von synthetischen Antidepressiva auf pflanzliche stattzufinden scheint. Der rascher
wachsende Markt der Phytopharmaka pfropft sich auf die Verordnungen von Trizyklika und Serotonin-Wiederaufnahmehemmern auf. Die umstrittenen Arzneimittel
verteuern die Behandlung ohne jeden Substitutionseffekt.
Deutlich mehr als vier Milliarden DM könnten freigestellt werden, wenn statt Substitution eines umstrittenen Medikamentes auf eine symbolische Arzneitherapie
ganz verzichtet wird. So manche Verordnung entspringt der oft fälschlichen Annahme des Arztes, der Kranke wolle auf jeden Fall ein Rezept erhalten. Dabei
bleibt unbeachtet, dass es für den Patienten sogar ein Zeichen für die Qualität des Arztes sein kann, wenn dieser auf eine Verordnung verzichtet (a-t 10 [1997], 107) und dies begründet.
Andererseits bedeuten nicht medikamentöse Maßnahmen zum Teil auch eine Verteuerung, beispielsweise durch Kompressionstherapie statt Venenmittel,
Katarakt-Operation statt zweifelhafter Augentropfen oder Gehtraining unter fachkundiger Anleitung statt durchblutungsfördernder Mittel. Doch werden
gegebenenfalls mit umstrittenen Medikamenten notwendige Maßnahmen wie etwa Operation bei benigner Prostatahyperplasie oder Katarakt herausgeschoben.
Darüber hinaus leisten die aufgeführten umstrittenen Arzneimittelgruppen einer nicht qualitätsgesicherten therapeutischen Scheinaktivität
Vorschub, zum Teil auch zum Schaden der Patienten.
Sofern in den nachfolgenden Kommentaren Arzneimittel zur Substitution genannt sind, geben wir die entsprechenden Seiten des von uns herausgegebenen positiv-
telegramm 97 (p-t 97) an, um die Auswahl preiswerter Produkte zu erleichtern.
1. Anabolika: Seit Jahren existieren Negativmonographien. Missbrauch als Dopingmittel, Schadwirkungen wie
Lebertoxizität, vitale Depressionen und Psychosen sind beschrieben (a-t 12 [1997], 127). Bei Osteoporose
mangelt es an überzeugenden Belegen eines Nutzens.
2. Analgetika-Kombinationen mit anderen Stoffen: Vielfach forderten wir das Verbot der dosisabhängig
auffällig nierenschädigenden Kombinationen aus mehreren Schmerzmitteln plus Koffein (Typ THOMAPYRIN, z.B. a-t 8 [1997], 86). Ohne Wirksamkeitsverlust lassen sie sich durch Einstoffpräparate wie Parazetamol (BENURON
u.a.; p-t 97, Seite 639) ersetzen.
3. Antazida-Kombinationen: Für Beimischungen von Lokalanästhetika (z.B. in TEPILTA), Spasmolytika (z.B. in
SPASMO-NERVOGASTROL) oder Dimeticon (z.B. in KOMPENSAN S) fehlen überzeugende Belege eines zusätzlichen Nutzens. Ausweich-Antazida
siehe p-t 97, Seite 16.
4. Antiallergika-Externa: Ihre Anwendung ist seit Jahrzehnten umstritten. Sensibilisierungen sind möglich. Als Alternative
kommen niedrig potente, nicht halogenierte Kortikoid-Externa in Betracht wie Hydrokortison (HYDROCORT MILD u.a.; p-t 97, Seite 320).
5. Antianämika-Kombinationen: Zusatz von Vitaminen, Aminosäuren oder Mineralstoffen steigert nicht den Nutzen
von Eisen. Eisen-Folsäure-Produkte vom Typ PLASTULEN N enthalten, bezogen auf die Folsäure-Dosis, relativ viel Eisen. Dies schränkt die
Verträglichkeit bei der Anämieprophylaxe Schwangerer ein. Günstiger erscheint FOLICOMBIN (40 mg Fe, 0,5 mg Folsäure).
6. Antiarrhythmika-Kombinationen: Fixkombinationen von Antiarrhythmika sind nicht mehr Therapiestandard. Die Chinidin-
Verapamil-Kombination CORDICHIN lässt keine individuelle Dosierung zu und wird deshalb als bedenklich angesehen. Beide Bestandteile sind als
Einstoffpräparate erhältlich (p-t 97, Seite 174 und 215).
7. Antidementiva: Auch Cholinesterasehemmer wie das leberschädliche Tacrin (COGNEX) und das kürzlich
eingeführte Donepezil (ARICEPT) können Krankheitsverlauf und Lebensqualität nicht nennenswert beeinflussen. Die Anwendung kommt zu
spät: "Die Stalltür wird geschlossen, wenn das Pferd schon durchgegangen ist" (a-t 1 [1997], 15;
11 [1997], 113).
8. Sonstige Antidiarrhoika: Für Bakterien (SYMBIOFLOR u.a.)- und Hefepräparate einschließlich
Saccharomyces boulardii (PERENTEROL u.a.; a-t 11 [1997], 116) sowie Adsorbentien (z.B. med. Kohle [KOHLE-
COMPRETTEN u.a.]) liegen keine den heutigen Anforderungen entsprechenden klinischen Wirksamkeitsbelege zur Therapie von Durchfällen vor. Neben
Motilitätshemmern wie Loperamid (LOP u.a.) sind nur Elektrolytpräparate (D-ISO-RATIOPHARM u.a.) zweckmäßig (p-t 97, Seite 75 und
74).
9. Antiemetika-Kombinationen: Für Marktrenner wie das homöopathische Mischpräparat VERTIGOHEEL
fehlen qualifizierte Nutzenbelege. Vorsicht: Das als Substitutionsbeispiel genannte Dimenhydrinat (RUBIEMEN u.a.; p-t 97, Seite 37) macht müde.
10. Antihypotonika: Allgemeine Maßnahmen wie dosiertes körperliches Training und genügende
Flüssigkeits- bzw. ggf. Kochsalzzufuhr bilden Eckpfeiler der Behandlung (a-t 3 [1988], 26) und sind meist hinreichend effektiv.
11. Antiphlogistika-Kombinationen und sonstige Antiphlogistika: Vitamine haben in Antirheumatika keinen dokumentierten
Nutzen. Studien mit Oxaceprol (AHP 200; a-t 11 [1996], 113), Glukosaminsulfat (DONA 200-S, a-t 4 [1996], 37), Enzympräparaten wie PHLOGENZYM (a-t 3 [1997], 32) sowie Pflanzenauszügen wie
PHYTODOLOR vermögen nicht zu überzeugen. Die Verordnung an Schmerzpatienten kann bedeuten, dass ihnen eine adäquate Therapie
vorenthalten wird. Neben Diclofenac stehen Ibuprofen (IBUBETA u.a.) oder das länger wirkende Naproxen (NAPROXEN STADA u.a.) alternativ zur Wahl (p-t
97, Seite 571, 583 und 598).
12. Antitussiva-Kombinationen: Ein hustenstillender Effekt von Antihistaminika erscheint fragwürdig. Ihre
Beimischung zu Antitussiva (z.B. in CODIPRONT, CODICAPS, SEDOTUSSIN PLUS) kann sich schädlich auswirken, da anticholinerg wirkende Antihistaminika
das Bronchialsekret verfestigen und ein Abhusten erschweren können. "Schrotschuss"-Kombinationen, denen zudem ein zentral erregendes,
potentiell abhängigkeitserzeugendes Sympathomimetikum beigemischt ist (z.B. RHINOTUSSAL Saft), sind seit langem umstritten.
13. Karminativa: Karminativa wie Simethicon (LEFAX, SAB SIMPLEX u.a.) und pflanzliche Mittel mit ätherischen
Ölen (CARMINATIVUM-HETTERICH N u.a.) sollen Völlegefühl und Blähungen beseitigen. In Einzelfällen können
motilitätssteigernde Mittel wie Metoclopramind (GASTROTRANQUIL u.a., p-t 97, Seite 42) verwendet werden. Simethicon wirkt in klinischen Studien an Kindern
nicht besser als Plazebo. Die vorübergehenden Symptome von Säuglingskoliken werden üblicherweise nicht medikamentös sondern durch
Nahrungsumstellung behandelt.6
14. Cholagoga: Ihre Beliebtheit dürfte zum Teil darauf beruhen, dass sie wegen ihres Gehaltes an Aloe-Extrakt (in
CHOL-KUGELETTEN NEU u.a.) oder Rindergalle (in CHOLECYSMON u.a.) als Laxantien verwendet werden, die sonst nicht mehr zu Lasten der GKV
verordnungsfähig sind. Kombinationen mit Pflanzenbestandteilen sind meist unterdosiert: Selbst wenn die "nur wenig belegten" Tagesdosierungen
der amtlichen Monographien für Schöllkraut bzw. Chelidonin zu Grunde gelegt werden, "sind HEPATICUM MEDICE 40- bis 100-fach und CHOL-
KUGELETTEN NEU 4- bis 15-fach unterdosiert. CHOLAGOGUM N Tropfen, das nach Herstellerangaben tropfenweise dosiert werden soll, müsste
monographiegemäß flaschenweise getrunken werden".6 Gallenwegserkrankungen beruhen nicht auf "Gallenstau", sondern meist auf
Gallensteinen, die - falls symptomatisch - operativ entfernt werden. Die medikamentöse Litholyse mit Gallensäuren (s. auch unter 28.; p-t 97, Seite 50) hat
nur bei Cholesterinsteinen als Reservebehandlung Bedeutung.
15. Kortikosteroid-Kombinationen (Dermatika): Die bei Pilzerkrankungen der Haut vorhandenen entzündlichen
Reizerscheinungen klingen mit der Beseitigung des Erregers ab. Die Beimischung von Kortikoiden zu Antimykotika (z.B. in BAYCUTEN, LOTRICOMB, DECODERM
TRI Creme) kann jedoch die lokale Abwehrreaktion hemmen. Mittel der Wahl zur Behandlung von Pilzinfektionen sind reine Azol-Antimykotika wie Clotrimazol
(MYKOHAUG C u.a.; p-t 97, Seite 299). Ob pathogene Keime ekzematöse Erscheinungen verschlimmern, ist unklar. Bedenklich sind Kortikoid-Kombinationen
mit allergisierenden Antibiotika wie Neomycin (z.B. in JELLIN-NEOMYCIN) oder Gentamicin (z.B. in DIPROGENTA, SULMYCIN MIT CELESTAN-V), die Allergien
oder Resistenzen Vorschub leisten können und den systemischen Gebrauch von Gentamicin bei lebensbedrohlichen Infektionen behindern. Als
Bankrotterklärung für die gezielte dermatologische Therapie gelten "Antidenkpräparate" vom Typ JELLIN POLYVALENT bzw.
TERRACORTRIL, die zusätzlich ein Antimykotikum enthalten (alarm-telegram, A.V.I. Berlin, 1989, Seite 90). Zur Ekzembehandlung dient ein reines Kortikoid (p-t
97, Seite 316). Gelegentlich kann die Beimischung von Salizylsäure (in BETADERMIC u.a.) oder Harnstoff (in HYDRODEXAN u.a.) sinnvoll sein.
16. Sonstige Dermatika: Hierzu gehören pflanzliche Dermatika wie HAMETUM oder KAMILLOSAN, deren Nutzen
klinisch unzureichend belegt ist. Kontaktdermatitiden gegen Pflanzenextrakte kommen vor. Wirkstofffreie Basiszubereitungen (p-t 97, Seite 308) dienen als
zweckmäßige Alternative.
17. Durchblutungsfördernde Mittel: Mit fünf Worten kennzeichnet ein Editorial die sinnvollen
Maßnahmen: "Stop smoking and start walking" (a-t 12 [1988], 103). Konsequentes Gehtraining (bei der Mehrheit der Patienten durchführbar)
verlängert die maximale Gehstrecke meist besser als Naftidrofuryl (DUSODRIL u.a.) oder Pentoxifyllin (TRENTAL, CLAUDICAT u.a.). Die für
"Durchblutungsförderer" gegen Plazebo erfassten statistisch signifikanten Befunde bleiben klinisch ohne Relevanz.6
18. Expektorantien: Ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist die Basis der Expektoration. Medikamente dienen
allenfalls als Adjuvantien. Offen bleibt, ob sie den Verlauf von Lungenerkrankungen überhaupt relevant beeinflussen. Ihre Anwendung bleibt von zweifelhaftem
Nutzen und somit entbehrlich.
19. Systemische Kortikosteroid-Kombinationen: Die Beimischung eines Lokalanästhetikums (z.B. in DEXA-
PHLOGONT L, SUPERTENDIN-DEPOT-N) erübrigt sich bei korrekter intraartikulärer Injektionstechnik und bei anderen
Applikationsformen.6
20. Grippemittel: Für Erwachsene aus der Verordnungsfähigkeit ausgenommen (Negativliste), für Kinder
entbehrlich. Hauptsächlich werden fragwürdige homöopathische Komplexpräparate vom Typ MEDITONSIN H, GRIPP-HEEL oder NISYLEN
verordnet.
21. Sonstige Gynäkologika: Das Kälbermilz-Ultrafiltrat SOLCOSPLEN (a-t 12 [1991], 115) oder homöopathische Komplexmittel wie MASTODYNON N und KLIMAKTOPLANT werden
häufig verordnet, ohne dass sich auch nur "Ansätze für eine pharmakologisch begründete Therapie erkennen lassen".6 Für
Extrakte aus Mönchspfeffer (AGNUCASTON, AGNOLYT u.a.; a-t 2 [1992], 20) oder Cimicifuga (REMIFEMIN,
KLIMADYNON u.a.) bleiben Nutzenbelege hinter den wissenschaftlich akzeptierten Maßstäben für einen Wirksamkeitsnachweis zurück. Im
Klimakterium kann die zeitlich befristete Hormoneinnahme vertretbar sein (a-t 12 [1997], 128). Bei Dysmenorrhoe wirken Prostaglandinsynthesehemmer wie Ibuprofen
(IBUBETA u.a.; p-t 97, Seite 583) im Gegensatz zu Pflanzenpräparaten zuverlässig.
22. Hämorrhoidenmittel: Zur symptomatischen Linderung sind einfache, evtl. wirkstofffreie Salbenzubereitungen
sinnvoll und effektiv. Hygienemaßnahmen und Stuhlregulierung (siehe 27.) haben oberste Priorität.6 Kombinationen mit Lokalanästhetika wie
HAEMO-EXHIRUD lassen sich durch reine Lokalanästhetika wie DOLOPOSTERINE N ersetzen. Stoffe mit besonderem allergenen Potential wie Perubalsam
(z.B. in ANUSOL) sind zu meiden.
23. Hypnotika (Barbiturate und Kombinationen): Barbiturate sind als Schlafmittel überholt und ohne
Marktbedeutung. Sie sind toxischer als Benzodiazepine wie z.B. Lormetazepam (NOCTAMID u.a.; p-t 97, Seite 693) oder sedierende Antihistaminika wie
Diphenhydramin (NERVO OPT N u.a.; p-t 97, Seite 691).
24. Immunstimulantien: Statt pflanzlicher Immunstimulantien wie Echinacea (ECHINACIN, in ESBERITOX N u.a.) mit
auffällig allergenen Eigenschaften (a-t 12 [1996], 123), lebensbedrohlichen Störwirkungen und
unzureichend belegtem klinischen Nutzen empfehlen sich aktivierende nicht medikamentöse Maßnahmen zur Steigerung der körperlichen
Belastungsfähigkeit. Bei über 65-jährigen bzw. chronisch Kranken kommt die Impfprophylaxe gegen Influenza-Viren in Betracht (a-t 11 [1997], 116).
25. Pflanzliche Kardiaka und Kombinationen: Weißdornextrakt (CRATAEGUTT, ORTHANGIN N u.a.) und
ähnliche Phytotherapeutika sind trotz positiver Monographie der Kommission E bei Herzinsuffizienz wegen dürftiger Dokumentation des Nutzens nicht
vertretbar, zumal es hierfür Arzneimittel wie ACE-Hemmer gibt, deren therapeutische Wirksamkeit eindeutig belegt ist. Preiswerte Herzglykoside wie Digoxin
(DIGOXIN R.A.N. u.a.; p-t 97, Seite 169) dienen nur noch als Ergänzung zu ACE-Hemmern und Diuretika (a-t 4
[1997], 45).
26. Koronardilatatoren: Statt des überholten Vasodilatators Oxyfedrin (ILDAMEN; cave Ischämie durch
Zunahme der Herzfrequenz) und dem unzureichend dokumentierten "Koronardilatator" aus der ehemaligen DDR Trapidil (ROCORNAL) sind wirksame
Langzeitnitrate (p-t 97, Seite 229) sinnvoller.
27. Laxantien: Nicht medikamentöse Maßnahmen wie ballaststoffreiche Kost, ausreichende
Flüssigkeitsaufnahme und Bewegung sind Eckpfeiler der Prophylaxe und Behandlung von Verstopfungen. Die auch als Lebertherapeutika verwendete
Laktulose (BIFITERAL u.a.) wird heute doppelt so häufig verordnet wie noch vor drei Jahren, ohne dass dies mit einer Zunahme hepatischer Enzephalopathien
begründet werden könnte. Anscheinend handelt es sich um Ersatzverordnungen, da Abführmittel nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig
sind.
28. Lebertherapeutika: Chronische Lebererkrankungen lassen sich nur symptomatisch behandeln. Im Vordergrund
"stehen daher meist Allgemeinmaßnahmen wie Alkoholkarenz und Ausschalten anderer Noxen, qualitativ und quantitativ ausgewogene Ernährung
sowie Meiden starker körperlicher Belastung."6 Bei einer begrenzten Zahl von Patienten mit chronischer Hepatitis B bzw. C lässt sich die
Virusvermehrung mit Alpha-Interferon (INTRON A, ROFERON-A) hemmen (vgl. a-t 12 [1996], 119), bei Hepatitis C
eventuell in Kombination mit Ribavirin (VIRAZOLE).9 Mit hoch dosierter Ursodeoxycholsäure (URSO HEUMANN u.a.; p-t 97, Seite 50) kann der
Krankheitsprozess primärer biliärer Zirrhosen verzögert und eine Lebertransplantation hinausgeschoben werden (a-t 7 [1994], 63). Andere Lebertherapeutika haben keinen gesicherten Nutzen.
29. Andere Lipidsenker: Für andere Lipidsenker als CSE-Hemmer und Anionenaustauscher lässt sich kein klinischer Nutzen
darstellen - insbesondere nicht für SEDALIPID (a-t 7 [1997], 80).6 Bei leichteren Hyperlipidämien
kommen nicht medikamentöse Verfahren (Diät) zum Zuge. In einer Langzeitstudie der WHO liegt die Gesamtsterblichkeit unter Clofibrat (REGELAN N u.a.)
deutlich höher als in der Kontrollgruppe unter Plazebo (vgl. a-t 1 [1993], 18). Für die Clofibrinsäureester
Etofibrat (LIPO-MERZ) und Etofyllinclofibrat (DUOLIP) fehlen ebenfalls Belege eines Vorteils. Nur für das Fibrat Gemfibrozil (GEVILON) ist eine Verringerung der
Herzinfarkthäufigkeit über fünf Jahre von 4,1 auf 2,7 pro 100 behandelte Patienten beschrieben (a-t 10
[1994], 93), die sich jedoch fünf Jahre später nicht mehr nachweisen lässt. Auch auf Fibrate kann heute in aller Regel verzichtet
werden.
30. Magnesiumpräparate: Wegen der weiten Verbreitung von Magnesium in der Nahrung ist ein alimentär
bedingter Mangel bei üblicher Kost unwahrscheinlich. Eine krankhafte Hypomagnesiämie, die durch Tetanie in Folge gesteigerter neuromuskulärer
Erregbarkeit auffällt, kann mit Magnesium per os (MAGIUM u.a.; p-t 97, Seite 127) korrigiert werden. Die starke Zunahme der Verordnungen in den letzten
Jahren lässt sich nicht mit einer größeren Häufigkeit von Tetanien erklären und beruht auf unbelegten Modeindikationen wie
Arteriosklerose, vegetativer Dystonie, psychosomatischen Beschwerden, Stress, Diätkuren, Alkoholmissbrauch, Durchblutungsstörungen,
Thromboseprophylaxe und Lärmempfindlichkeit. Auf diese nicht qualitätsgesicherten Behandlungen kann verzichtet werden.
31. Migränemittel-Kombinationen: Zur Prophylaxe und Therapie der Migräne sind heute
Einstoffpräparate Standard. Fixkombinationen sind zum Teil unterdosiert (z.B. Dihydroergotamin in ERGO-LONARID PD) oder enthalten Analgetika mit
ungünstiger Nutzen-Risiko-Relation wie Propyphenazon (Schock; s. Seite 11) - z.B. in OPTALIDON SPEZIAL NOC, MIGRÄTAN S oder MIGRÄNE-
KRANIT N. Alternativ kommen Parazetamol (DOROCOFF PARACETAMOL u.a.; p-t 97, Seite 639) oder Azetylsalizylsäure (ASS-OPT u.a.; p-t 97, Seite 634) in
Betracht, ggf. in freier Kombination mit dem Prokinetikum Metoclopramid (GASTROTRANQUIL u.a.; p-t 97, Seite 42).
32. Motilitätssteigernde Kombinationspräparate: Für pflanzliche Vielfachkombinationen wie
IBEROGAST lässt sich keine pharmakologische Begründung erkennen. Ihre Beliebtheit wird als "Ausdruck fehlender Therapiemöglichkeiten
bei sogenannten ,funktionellen gastrointestinalen Beschwerden'"6 angesehen. In erster Linie kommen nicht medikamentöse Maßnahmen in Frage,
ggf. Metoclopramid als Prokinetikum.
33. Mund- und Rachentherapeutika: Streptokokkeninfektionen erfordern die systemische Therapie (z.B. mit Penicillin V [PENHEXAL u.a.; p-t 97,
Seite 455]), um Spätkomplikationen zu verhindern (a-t 2 [1996], 18). Abgesehen von Antimykotika zur gezielten
Behandlung von Pilzinfektionen wie Amphotericin B (AMPHO-MORONAL) ist der Nutzen von Mund- und Rachentherapeutika zweifelhaft, auch der von Antiseptika
(CHLORHEXAMED, CORSODYL u.a.). Die Mittel sind zu Lasten der GKV nicht verordnungsfähig.
34. Muskelrelaxantien-Kombinationen: Seit Marktrücknahme von Chlormezanon (in MUSKEL TRANCOPAL
COMP., - C. CODEINO) im Oktober 1996 wegen schwerer Hautreaktionen (a-t 11 [1996], 115) haben Kombinationen
keine Bedeutung mehr. Statt des ohne spezielle pharmakologische Begründung ausschließlich gegen Verspannungen der Skelettmuskulatur angebotenen
teuren Tetrazepam (MUSARIL u. a.), das wie alle Benzodiazepine Abhängigkeits- und Entzugssymptome hervorrufen kann (a-t 2 [1997], 21), erachten wir Diazepam (TRANQUASE u. a.) als geeignet zur Substitution.
35. Neuropathie-Präparate: Für die massiv beworbenen Liponsäure-Präparate (THIOCTACID u.a.)
fehlt unseres Wissens ein qualifizierter Wirksamkeitsnachweis. In Doppelblindstudien bleibt Liponsäure ohne objektiven Nutzen (a-t 11 [1996], 107; 12 [1996], 123). Bei den in
Anwendungsbeobachtungen beschriebenen Besserungen sind Plazeboraten bis zu 60% zu berücksichtigen. Zum Teil als Neuropathie-Präparate
bezeichnete Vitamin-B-Mischungen wie NEUROTRAT S, MILGAMMA NA u.a. sind nutzlos, sofern kein Vitamin B-Mangel vorliegt.6
36. Sonstige Ophthalmika: Für Mittel gegen den grauen Star wie ANTIKATARAKTIKUM N, VITREOLENT PLUS
oder LENTONIT fehlen wissenschaftlich hinreichende Belege der Wirksamkeit (vgl. a-t 1 [1990], 5). Präparate
wie Kalziumdobesilat (DEXIUM, DOBICA) erachten wir als teure Plazebos zur Behandlung der diabetischen Retinopathie. Wegen immunallergischer Störeffekte
mit Fieber sowie Ösophagusverätzung fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung negativ aus (a-t 6 [1992],
54). Laserbehandlung ist bei der diabetischen Retinopathie die einzig erfolgversprechende Therapieform, die Operation beim grauen Star. Ein Nutzen von
Vitamin-A-Präparaten (OCULOTECT, VITAMIN-A-POS u. a.) erscheint ohne entsprechenden Mangel nicht wahrscheinlich.6
37. Pflanzliche Prostatamittel: Für häufig verordnete Phytopharmaka wie Sabalfruchtextrakt (TALSO,
PROSTAGUTT u.a.), Beta-Sitosterin (AZUPROSTAT M, HARZOL u.a.), Brennnesselwurzelextrakt (BAZOTON UNO, UTK u.a.) sowie Kombinationen
(PROSTAGUTT FORTE, CYSTO FINK u. a.) fehlen Langzeitstudien, die anhand klinisch relevanter Messgrößen einen therapeutischen Nutzen
wahrscheinlich machen. Von einem hohen Plazeboeffekt von 40% bis 60% ist auszugehen. Bei fortgeschrittener Erkrankung gibt es keine Alternative zur Resektion
(a-t 12 [1994], 114).* Statt der Einnahme umstrittener Arzneimittel ist beobachtendes Abwarten angebracht:
"Nach fünfjähriger Beobachtung von Männern mit moderater Prostatahyperplasie zeigten 40% eine Besserung, 45% keine Änderung und
nur 15% eine Verschlechterung."6 Zur kurzfristigen Linderung gravierender Symptome scheinen Alpha-Rezeptorenblocker wie Terazosin (FLOTRIN; p-t 97,
Seite 374) erwägenswert.
* Bei leichteren Stadien kann - nach Ansicht einer der Herausgeber - ein Therapieversuch angebracht ein.
38. Pflanzliche Psychopharmaka: Bei depressiven Verstimmungen ohne Krankheitswert kann in Einzelfällen die
Verwendung von Johanniskrautextrakt (JARSIN, ESBERICUM u.a.) "akzeptiert werden"6. Mit ausgeprägten Plazeboeffekten ist zu
rechnen. Eine Metaanalyse, die eine Wirksamkeit bei moderater Depression bestätigen soll, bleibt wegen zahlreicher Unzulänglichkeiten ohne
Aussagekraft (a-t 8 [1996], 81). Noch dürftiger belegt ist der Nutzen des gegen Angst- und Unruhezustände
verwendeten Kava-Kava-Extraktes (ANTARES, LAITAN u.a.). Auf eine Arzneitherapie dürfte überwiegend verzichtet werden können. Im Einzelfall
kann kurzfristig beispielsweise ein Benzodiazepin (p-t 97, Seite 695) angebracht sein.
39. Rheuma-Externa: Der ungesicherte Nutzen äußerlich anzuwendender Antirheumatika kontrastiert
auffällig mit der Beliebtheit ihrer Anwendung (jährlich über 800 Millionen Tagesdosierungen im Wert von über 400 Millionen DM). Für einige
nicht steroidale Entzündungshemmer ist eine perkutane Absorption nachgewiesen. "Die therapeutischen Effekte sind im Ausmaß
uneinheitlich."6 Die perkutane Anwendung geht zwar mit geringeren systemischen Störwirkungen einher. Lokale allergische Komplikationen können
jedoch vorkommen. Reichen traditionelle Verfahren wie physikalische Wärmetherapie nicht aus, kommt die Einnahme von Antirheumatika wie Diclofenac
(DICLO-ABZ u.a.; p-t 97, Seite 571) in Betracht. Sollte im Einzelfall ein Externum gewählt werden, sind die erheblichen Preisunterschiede zu
berücksichtigen (Arzneimittelkursbuch 96/97, A.V.I. Berlin, 1996, Seite 1291).
40. Rhinologika-Kombinationen: Topische und systemische Kombinationen mit Alpha-Sympathomimetika
(RINOFLUIMUCIL-S, VIBROCIL, SOLUPEN D, RHINOPRONT u.a.) werden sinnvollerweise durch den auf wenige Tage beschränkten Gebrauch von
Einstoffpräparaten vom Typ Xylometazolin (XYLO VON CT u.a.; p-t 97, Seite 731) ersetzt (kleinste OP). Für homöopathische Kombinationen wie
SINUSELECT, HEUSCHNUPFENMITTEL DHU und SINFRONTAL sind "spezifische pharmakologische Wirkungen ... nicht bekannt".6
41. Urologika (Kombinationen und sonstige): Nierentees zur unspezifischen Durchspülungstherapie wie
HARNTEE 400, SOLUBITRAT N und NIERENTEE 2000 lassen sich problemlos durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr beispielsweise mit Tees aus dem
Lebensmittelhandel ersetzen. Gefährlich wird das veraltete Therapiekonzept, wenn dadurch eine notwendige Antibiotikatherapie versäumt wird.
"Groteskerweise wird die obsolete Durchspülungstherapie für die neuen Monopräparate (z.B. UROL-MONO) auch weiterhin als
Anwendungsgebiet amtlich zugelassen."6 Die verbreitete Verwendung von E. coli-Fraktionen (URO-VAXOM u.a.) bei Harnwegsinfektionen entbehrt
der wissenschaftlichen Logik (a-t 3 [1990], 27).
42. Venenmittel: Kompressionsstrümpfe sind bei sommerlichen Temperaturen wenig beliebt. Korrekt verwendet
gelten sie jedoch als A und O in der Behandlung chronischer Venenleiden. Kostenträchtige Mittel wie VENORUTON, VENOSTASIN RETARD oder
VENOPYRONUM TRIPLEX können die Kompressionstherapie weder ersetzen noch verbessern. Somit gibt es hierzu keine qualitätsgesicherte
arzneitherapeutische Alternative (a-t 5 [1996], 47). Bei ausgeprägter Varikosis können operative
Maßnahmen erforderlich sein.
43. Verdauungsenzym-Kombinationen: Mischpräparate wie ENZYM-LEFAX enthalten häufig zu wenig
Pankreatin, um eine wirkliche Enzymsubstitution zu ermöglichen. Ausreichend dosierte Zubereitungen wie PANKREATIN STADA u. a. (p-t 97, Seite 79) stehen
zur Verfügung. Mit Präparaten wie ENZYNORM FORTE lässt sich Magensäure weder ausreichend substituieren, noch ist dies
notwendig.
44. Vitamin-E- und Vitamin-B-Kombinationen: Unsere Nahrung enthält fast immer ausreichende Mengen Vitamin E.
Mangelzustände sind allenfalls bei Malabsorption denkbar. Ein definiertes Vitamin-E-Mangelsyndrom ist beim Menschen jedoch nicht fassbar. Die Einnahme
größerer Mengen Vitamin E geht möglicherweise mit erhöhter Sterblichkeit einher (a-t 8 [1996],
81). Für Vitamin-E-Kombinationen vom Typ SPONDYLONAL beanspruchte Indikationen wie Wirbelsäulensyndrom oder Zervikalmigräne fehlen
ausreichende Belege der klinischen Wirksamkeit. Fixe Vitamin-Kombinationen sind zu Lasten der GKV nicht verordnungsfähig (Ausnahme: Vitamin-D-Fluorid-
Kombinationen). Zu Vitamin-B-Kombinationen siehe unter 35.
45. Xanthin-Kombinationen: Mischungen von Theophyllin und seinen Varianten (z.B. NEOBIPHYLLIN) erachten wir als
bedenklich. Bei Laborkontrollen der Theophyllin-Plasmaspiegel werden Varianten wie Proxyphyllin nicht erfasst (a-t 1 [1994],
2). Zahlreiche Theophyllin-Einstoffpräparate (DURAPHYLLIN u.a.; p-t 97, Seite 749) stehen zur Verfügung.
Arzneimittel ohne Indikationsgruppierung: Diese Restgruppe ohne spezifische Indikationsangaben sollte ursprünglich in einer separaten
Tabelle des AVR aufgegliedert und erläutert werden. Auch diese musste mit dem gesamten Kapitel der umstrittenen Arzneimittel geschwärzt werden, so
dass die Hersteller diese Information komplett unterdrückt haben.
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