ERGEBNISSE DER NEUEN HORMONSTUDIEN
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Zum Teil bereits elektronisch veröffentlicht in blitz-a-t vom 5. und 10. Juli 2002
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Die Langzeitprävention mit Sexualhormonen nach den Wechseljahren stützte sich Jahrzehnte lang praktisch ausschließlich auf Surrogatparameter
wie günstig beeinflusste Blutfettwerte und Knochendichte sowie auf Beobachtungsstudien. Wie wenig solche Daten geeignet sind, die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit präventiv verwendeter Mittel zu belegen, zeigt sich an den jetzt publizierten randomisierten Interventionsstudien (HERS, WEST und WHI) mit
patientenrelevanten Endpunkten. Alle drei belegen eine negative Nutzen-Schaden-Bilanz.
WHI-STUDIE: Die erste randomisierte Primärpräventionsstudie zur Vorbeugung von koronarer Herzkrankheit (primärer Endpunkt)
und Oberschenkelhalsbrüchen mit Hormonen, ein Studienarm der Women's Health Initiative (WHI), wurde jetzt nach durchschnittlich 5,2 Jahren
vorzeitig gestoppt.3,10 16.608 überwiegend gesunde Frauen zwischen 50 und 79 Jahren (im Mittel 63 Jahre) nahmen in dieser Teilstudie, die
ursprünglich auf 8,5 Jahre angelegt war, täglich 0,625 mg konjugierte Östrogene (PRESOMEN u.a.) plus 2,5 mg Medroxyprogesteronazetat
(CLINOFEM u.a.; Kombination in CLIMOPAX u.a.) oder Plazebo ein. Bereits 2000 und 2001 fiel in Zwischenanalysen ähnlich wie in der
Sekundärpräventionsstudie HERS (s.u.) ein Anstieg von kardialen Komplikationen, Schlaganfällen und Thrombosen unter der Hormonkombination
auf (a-t 2000; 31: 47 und 2001; 32: 83-4). In der Zwischenauswertung
vom 31. Mai 2002 wird erstmals deutlich, dass die Zahl der Brustkrebserkrankungen in der Verumgruppe die prospektiv festgelegte Sicherheitsgrenze
überschreitet. Dieser Befund, der den langjährigen Verdacht aus Beobachtungsstudien bestätigt (a-t 1997;
Nr. 11: 118 und 2000; 31: 30-1), sowie die Gesamtrate der Schädigungen durch die Hormone, die den
Nutzen deutlich überwiegt, geben den Ausschlag für den Studienstopp. Der Studienarm zur Östrogenmonotherapie bei Frauen, deren
Gebärmutter entfernt wurde, wird derzeit noch fortgesetzt.
Von 1 Million (Mio.) gesunder Frauen, die die Hormonkombination einnehmen, erkranken im Vergleich mit einer ebenso großen Gruppe ohne Hormone nach den
Ergebnissen der WHI pro Jahr
700 zusätzlich an koronarer Herzkrankheit (Anstieg des absoluten
jährlichen Risikos von 0,30% unter Plazebo auf 0,37% unter Hormonen),
800 zusätzlich an Schlaganfällen (Risikoanstieg pro Jahr von
0,21% auf 0,29%),
1.800 zusätzlich an venösen Thromboembolien (Risikoanstieg
pro Jahr von 0,16% auf 0,34%) und
800 zusätzlich an invasivem Brustkrebs (Risikoanstieg pro Jahr
von 0,30% auf0,38%).
Das Herzinfarkt- und Thromboembolierisiko steigt unmittelbar nach
Behandlungsbeginn, das Schlaganfallrisiko im zweiten Anwendungsjahr, und das erhöhte Brustkrebsrisiko wird im fünften Jahr deutlich.
Positiv zu verbuchen sind bei 1 Mio. Hormonanwenderinnen jährlich
500 Hüftfrakturen weniger (absolute Risikoreduktion pro Jahr von
0,15% auf 0,10%)
und 600 kolorektale Karzinome weniger (absolute Risikoreduktion pro Jahr
von 0,16% auf 0,10%).
Werden die von den Hormonen günstig und ungünstig beeinflussten schweren Ereignisse zusammen betrachtet und gewichtet, überwiegen die
Schädigungen:
Insgesamt erleiden danach jährlich 1.900 von 1 Mio. Frauen durch Hormone
einen zusätzlichen schweren Gesundheitsschaden (Risikoanstieg pro Jahr von 1,51% auf 1,70%).
Die Gesamtmortalität unterscheidet sich nicht.***
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Vorsicht bei der Interpretation dieses Befundes. Er eignet sich nicht zur Entlastung der Hormontherapie: Tödliche Verläufe
etwa bei Brustkrebs lassen sich oft erst später als innerhalb der Studiendauer von fünf Jahren erfassen, -Red.
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HERS-STUDIE: Die Ergebnisse der WHI decken sich weitgehend mit denen der Sekundärpräventionsstudie HERS (Heart and
Estrogen/Progestin Replacement Study), deren Nachfolgestudie HERS II nach insgesamt knapp sieben Jahren ebenfalls vorzeitig gestoppt wurde.4-6
Die 1998 publizierte HERS-Studie war die erste randomisierte Langzeit-Interventionsstudie zur Hormonsubstitution nach den Wechseljahren.4
Mit täglich 0,625 mg konjugierten Östrogenen + 2,5 mg Medroxyprogesteronazetat ließen sich koronare Ereignisse bei 2.763 durchschnittlich 67
Jahre alten Frauen mit manifester koronarer Herzerkrankung im Plazebovergleich nicht verhindern. Im ersten Anwendungsjahr nahmen Komplikationen sogar zu (von
2,8% auf 4,3%). Im vierten und fünften Jahr deutete sich eine geringfügige Abnahme unter Verum an (a-t 1998;
Nr. 9: 83). Dies führte zur Hypothese, dass ein günstiger Nettoeffekt der Hormone möglicherweise erst nach noch längerer Anwendung
erkennbar werden würde. Teilnehmerinnen der Plazebogruppe erhielten nach Studienabschluss den Rat, eine Hormontherapie nicht neu zu beginnen, Verum-
Anwenderinnen wurde geraten, sie wegen des möglichen Langzeitnutzens nicht abzusetzen.5,6
Um diese Hypothese zu klären, wurden die Frauen darüber hinaus gebeten, an einer verlängerten Nachbeobachtung teilzunehmen. 93% der am
Ende von HERS überlebenden Frauen waren dazu bereit. Die Hypothese wird nicht bestätigt. Auch bei längerer Nachbeobachtung lässt sich
kein Schutz vor koronaren Ereignissen durch Hormone erkennen.
Das relative Risiko (RR), einen Herzinfarkt zu erleiden oder an koronarer
Herzkrankheit zu sterben, bleibt in der Nachfolgestudie unverändert (RR 1; 95% Vertrauensintervall (CI) 0,77 bis 1,29).
Das Risiko zumeist reanimationsbedürftiger ventrikulärer
Rhythmusstörungen nimmt signifikant zu (RR 3,3; 95% CI 1,08 bis 10,1). Die klinische Bedeutung dieses Befundes bleibt jedoch offen, da das Risiko des
plötzlichen Todes nicht beeinflusst wird.5
Das Thromboembolierisiko steigt vor allem zu Beginn der Einnahme an, in
der Nachfolgestudie ist die Zunahme nicht mehr signifikant. Für die Gesamtstudie ergibt sich wie in der WHI-Studie eine Verdoppelung des relativen Risikos
(95% CI 1,28 bis 3,40). Wegen des höheren Ausgangsrisiko der (im Vergleich zur WHI-Studie älteren) Frauen in HERS von jährlich 0,28% nimmt auch
der absolute Risikoanstieg zu (auf 0,59%): Aus den Ereignisraten errechnet sich hier eine Zahl von 3.100 zusätzlichen Thromboembolien pro 1 Mio.
Frauenjahre.
Das Risiko einer Gallenblasenoperation nimmt im gesamten Studienverlauf
bezogen auf ein Jahr von 1,3% auf 1,9% zu. Dies entspricht mehr als 6.000 zusätzlichen Gallenblasenoperationen pro 1 Mio. Frauenjahre.
Im Gegensatz zur WHI-Studie hat die Hormoneinnahme sowohl in HERS als auch in
HERS II keinen Effekt auf die Zahl der Knochenbrüche (RR Gesamtstudie 1,04; 95% CI 0,87 bis 1,25). Hüftfrakturen nehmen in der
Hormongruppe in HERS II sogar zu (RR 2,11; 95% CI 1,06 bis 4,19). Dies dürfte aber am ehesten als zufällige Signifikanz zu interpretieren sein.
Brustkrebs nimmt in der Gesamtstudie nicht signifikant, aber in
ähnlicher Größenordnung zu wie in der WHI-Studie (RR 1,27; 95% CI 0,84 bis 1,94).6
WEST-STUDIE: Zu negativer Nutzen-Schaden-Bilanz kommt auch die zweite randomisierte Sekundärpräventionsstudie WEST (Women's
Estrogen for Stroke Trial) mit 664 Frauen zwischen 46 und 91 Jahren, die bis zu drei Monate vor Studienbeginn einen ischämischen Schlaganfall oder eine
transitorische ischämische Attacke erlitten haben.9 Die Frauen nehmen durchschnittlich 2,8 Jahre lang täglich 1 mg Estradiol (ESTRIFAM u.a.)
oder Plazebo ein. Frauen mit Gebärmutter (55%) werden einmal jährlich vaginal mit Ultraschall auf Endometriumhyperplasie untersucht oder nehmen einmal
jährlich zwölf Tage lang 5 mg Medroxyprogesteronazetat ein.
Der primäre kombinierte Endpunkt aus nicht tödlichem Schlaganfall
und Gesamtsterblichkeit unterscheidet sich nicht signifikant (RR 1,1; 95 CI 0,8 bis 1,4).
Bei tödlichen Schlaganfällen ergibt sich ein Trend zu
erhöhtem Risiko unter Estradiol (RR 2,9; 95% CI 0,9-9,0).
Nach einer auf Grund der Ergebnisse der HERS-Studie durchgeführten Post-
hoc-Analyse kommen Schlaganfälle in den ersten sechs Einnahmemonaten unter dem Östrogen signifikant häufiger vor als unter Plazebo
(RR 2,3; 95% CI 1,1-5,0).
Schlaganfälle verlaufen in der Estradiolgruppe häufiger schwer als in der
Plazebogruppe. Dieser Unterschied ist jedoch nicht signifikant.
Wie zu erwarten nehmen unter der (in Deutschland bei Frauen mit Gebärmutter
nicht zugelassenen) Östrogenmonotherapie Schädigungen der Gebärmutterschleimhaut wie Blutungen und Hyperplasie zu.
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