Effektive Blutdrucksenkung ist die wichtigste therapeutische Maßnahme, um das Fortschreiten einer diabetischen Nephropathie aufzuhalten.
Für die immer wieder behauptete spezifische, also blutdruckunabhängige nephroprotektive Wirksamkeit von ACE-Hemmern bei Diabetes gibt es bis heute
keine hinreichenden Belege (a-t 2000; 31: 2). Jetzt soll eine "nephroprotektive" Wirksamkeit auch der
Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten (AT-II-Antagonisten) "nachgewiesen" sein - so jedenfalls wirbt Sanofi-Synthelabo für Irbesartan
(APROVEL).1 Die Firma beruft sich dabei auf zwei von drei Studien zu diesem Thema, die jetzt gleichzeitig publiziert werden.2-4 Keine der drei
Studien, an deren Durchführung die Pharmaindustrie aktiv beteiligt war, erlaubt jedoch diesen Rückschluss.
Trotz gegenteiliger Ankündigung in den Überschriften werden nicht nur Patienten mit diabetischer Nephropathie untersucht, sondern eine
Mischpopulation aus Patienten mit Typ-2-Diabetes, Hypertonie und verschiedenen Ursachen erhöhter Eiweißausscheidung im Urin. Zur Diagnose der
diabetischen Nephropathie gehört nach internationalen Definitionen neben der vermehrten Eiweißausscheidung im Urin zwingend das Vorliegen einer
diabetischen Retinopathie.5,6 Eine Steigerung der Albuminurie bei Typ-2-Diabetes ist eher ein Hinweis auf Atherosklerose, Herzinsuffizienz, Harnwegsinfekt,
schlecht eingestellte Hypertonie, Nephrosklerose oder andere Nierenerkrankungen als auf die diabetische Glomerulopathie.7,8
Da in allen drei Studien die Einnahme von ACE-Hemmern untersagt ist, hätte durch gezielte Diagnostik sichergestellt werden müssen, dass keine
Patienten mit Herzinsuffizienz teilnehmen. Dies ist nicht geschehen. In einer Studie werden die Patienten lediglich nach bekannter Herzinsuffizienz gefragt,3
in der zweiten nur Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz ausgeschlossen. Hier wie auch in der dritten Studie fehlt eine Auskunft darüber, durch welche
diagnostischen Maßnahmen der Ausschluss gewährleistet wurde.2,4 Einem Teil der Patienten wurde daher eine wirksame Therapie
vorenthalten. Herzinsuffizienz ist die häufigste Todesursache von Patienten mit Typ-2-Diabetes.
Die erste Studie2 umfasst 590 Patienten mit Diabetes mellitus und Mikroalbuminurie. Diese nehmen zwei Jahre lang zusätzlich zu anderen
Antihypertensiva täglich 150 mg oder 300 mg Irbesartan (APROVEL, KARVEA) beziehungsweise Plazebo ein. Der Blutdruck ist
besonders in den ersten zwölf Monaten unter dem Scheinmedikament höher als unter dem AT-II-Antagonisten. Die Albuminurie nimmt unter 300
mg Irbesartan stärker ab als unter 150 mg, unter Plazebo bleibt sie unverändert. Gemessen an der glomerulären Filtrationsrate verschlechtert
sich die Nierenfunktion aber unter der hohen Irbesartan-Dosis. Zwischen der niedrigen Dosis und Plazebo gibt es keinen Unterschied. Nicht tödliche
kardiovaskuläre Ereignisse kommen unter Plazebo mit 8,7% fast doppelt so häufig vor wie unter hoch dosiertem Irbesartan (4,5%). Die Reduktion
der Eiweißausscheidung im Urin ist sehr wahrscheinlich auf die Blutdrucksenkung und die veränderte Ladung der glomerulären Basalmembran unter
dem AT-II-Antagonisten zurückzuführen.9 AT-II-Antagonisten scheinen die Eiweißausscheidung im Urin bei Typ-2-Diabetes ähnlich zu
senken wie ACE-Hemmer.10 Unter Ramipril (DELIX u.a.) ist eine Verschlechterung der glomerulären Filtrationsrate bei Patienten mit Typ-2-Diabetes
und Nephropathie im Vergleich zur konventionellen antihypertensiven Therapie beschrieben.11
In die zweite Untersuchung3 werden 1.513 Patienten mit Typ-2-Diabetes und Makroalbuminurie aufgenommen und zusätzlich zur Vortherapie
entweder mit täglich 50 mg bis 100 mg Losartan (LORZAAR) oder Plazebo behandelt. Nach einer mittleren Laufzeit von 3,4 Jahren wird die
Studie aus ethischen Gründen abgebrochen. Der Bluthochdruck bleibt in der Plazebogruppe schlecht eingestellt mit durchschnittlichen Werten von
150/80 mmHg nach einem Jahr, 144/77 mmHg nach zwei Jahren und 142/74 mmHg bei Studienende. Er liegt unter Losartan um 1 bis 4 mmHg niedriger als unter
Plazebo. Das Dialyserisiko sinkt wesentlich und statistisch signifikant von 25,5% unter Plazebo auf 19,6% unter Losartan (NNTJahr =
58). Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz sinken ebenfalls von 16,7% auf 11,9% (NNTJahr = 71). Paradoxerweise wird aber
die Gesamtsterblichkeit durch Losartan mit 21,0% gegenüber 20,3% unter Plazebo nicht vermindert. Was zur tendenziell höheren Sterblichkeit trotz
des positiven Effekts der Blutdrucksenkung auf Nieren- und Herzfunktion geführt hat, wird aus den publizierten Daten nicht klar.
In der dritten Untersuchung4 nehmen 1.715 Patienten mit Typ-2-Diabetes und Proteinurie (mehr als durchschnittlich 900 mg pro 24 Stunden) 2,6
Jahre lang zusätzlich zu anderen Antihypertensiva täglich 300 mg Irbesartan, 10 mg Amlodipin (NORVASC) oder Plazebo ein.
Der mittlere Blutdruck liegt im Studienverlauf unter Irbesartan bei 140/77 mmHg, unter Amlodipin bei 141/77 mmHg und unter Plazebo bei 144/80 mmHg,
wobei der arterielle Mitteldruck unter den beiden Antihypertensiva mit -3,3 mmHg signifikant niedriger ist als unter Plazebo. Das Risiko einer Verdopplung des
Serumkreatinins, von Dialyse oder Tod sinkt von 39% unter Plazebo auf 32,6% unter Irbesartan (NNTJahr = 41), bleibt
aber trotz blutdrucksenkender Wirksamkeit unter Amlodipin mit 41,1% unverändert. Das Risiko einer Herzinsuffizienz ist unter Amlodipin sogar signifikant
höher als unter Plazebo oder unter Irbesartan (vgl. a-t 2000; 31: 40). Obwohl Irbesartan sich im Vergleich zu
Plazebo günstig auf die Entwicklung einer Herzinsuffizienz auswirkt, unterscheidet sich die Gesamtrate von Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz
sowie von kardialen Todesfällen, Herzinfarkten, zerebrovaskulären Ereignissen und Amputationen unter Irbesartan mit 23,8% nicht von der unter Amlodipin
mit 22,6%. Welcher negative Effekt des AT-II-Antagonisten hierzu beigetragen hat, wird in der Publikation nicht dargestellt. Auch auf die
Gesamtmortalität hat Irbesartan mit 15% im Vergleich zu 14,6% unter Amlodipin und 16,3% unter Plazebo keinen Einfluss.
Bei den drei Studien mit AT-II-Blockern bei Typ-2-Diabetes, Hypertonie und
Albuminurie handelt es sich um Marketingstudien der Pharmaindustrie.
In allen drei Studien werden Patienten mit dringend behandlungsbedürftiger
Hypertonie durch Zuteilung zu Plazebo einer unzureichenden Blutdruckkontrolle ausgesetzt. Trotz Teilnahme von Patienten mit Herzinsuffizienz werden ACE-
Hemmer untersagt. Das Vorenthalten einer wirksamen Behandlung spiegelt sich sowohl in dem höheren Dialyserisiko als auch in vermehrten
kardiovaskulären Komplikationen beziehungsweise dem erhöhten Herzinsuffizienzrisiko in den Kontrollgruppen wider. Eine der Studien wird zwar aus
ethischen Gründen abgebrochen, gemäß der Helsinki-Deklaration hätten aber alle drei Studien gar nicht erst beginnen dürfen.
Ein spezifischer nephroprotektiver Effekt von Irbesartan (APROVEL) oder Losartan
(LORZAAR) ist nicht nachweisbar, da ein Vergleich mit Standardantihypertensiva wie Diuretika, Betablocker und ACE-Hemmer fehlt.
Auf die Gesamtmortalität hat die Blutdrucksenkung mit AT-II-Antagonisten
überraschenderweise keinen Einfluss. Mögliche negative Effekte werden durch die Datenpräsentation verschleiert. Der Stellenwert der AT-II-
Antagonisten in der antihypertensiven Therapie des Typ-2-Diabetes ist somit nach wie vor unklar. Wir raten von der routinemäßigen Verwendung dieser
Präparate ab.
Wichtigste Erkenntnis aus den Daten: Der Kalziumantagonist Amlodipin (NORVASC)
verhindert bei Patienten mit Typ-2-Diabetes trotz wirksamer Blutdrucksenkung das Fortschreiten einer Nierenerkrankung nicht besser als Plazebo, steigert aber das
Herzinsuffizienzrisiko.
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