Der Wahrheitsgehalt einer These misst sich nicht daran, wie oft sie wiederholt wird. Auch die Auffassung, dass ACE-Hemmer bei Diabetes mellitus einen
spezifischen nephroprotektiven Effekt haben, wird durch ihre weite Verbreitung nicht wahrer. Es gibt bis heute keine Studie mit adäquatem Design, die diese
These stützt. In den meisten Untersuchungen wird der ACE-Hemmer mit Plazebo verglichen. Ein spezifischer, nämlich blutdruckunabhängiger Effekt
lässt sich aber im Vergleich mit einem Scheinmedikament nicht überprüfen. Dies gilt auch für die vielen plazebokontrollierten Untersuchungen
mit angeblich normotensiven Diabetespatienten, die aber häufig Patienten mit Werten über 140/90 mmHg einschließen.1 Die Menge des im
Urin ausgeschiedenen Eiweißes, ein oft gewählter Endpunkt1, eignet sich zudem nicht, das Fortschreiten einer diabetischen Nephropathie valide zu
erfassen. In zwei Interventionsstudien nimmt die glomeruläre Filtrationsrate trotz deutlich verringerter Albuminurie unter ACE-Hemmer schneller ab als unter
Plazebo oder einem Kalziumantagonisten.2,3
Blutdrucksenkung ist die wichtigste Intervention, um das Fortschreiten einer diabetischen Nephropathie zu verzögern. In einer der größten
Untersuchungen, die als Beleg für den nierenschützenden Effekt von ACE-Hemmern herangezogen wird und an der über 400 Patienten mit
diabetischer Nephropathie und Hypertonie (75%) teilnehmen,4 liegen die mittleren Blutdruckwerte unter Captopril (TENSOBON u.a.) signifikant niedriger als
unter dem Scheinmedikament.5 Werden in direkten Vergleichen zwischen ACE-Hemmern und Betablockern ähnliche mittlere Blutdruckwerte in den
Studiengruppen erzielt, bleibt ein Vorteil von ACE-Hemmern im Hinblick auf die Abnahme der glomerulären Filtrationsrate aus.6,7 Bei Patienten mit
Typ-1-Diabetes und Mikroalbuminurie werden durch die antihypertensive Therapie mit Metoprolol (BELOC u.a.) oder Enalapril (PRES u.a.) histologische
Nierenveränderungen ohne Unterschied günstig beeinflusst.8
Ebensowenig lässt sich ein besonderer Vorteil von ACE-Hemmern in Studien mit klinischen Endpunkten wie kardiovaskulären Folgeerkrankungen und
Sterblichkeit belegen. Die intensivierte Blutdruckbehandlung unter aktiver Mitarbeit geschulter Patienten hat sich unabhängig von den verwendeten
Antihypertensiva als lebensverlängernd bei diabetischer Nephropathie erwiesen (a-t 1999; Nr. 11: 117).9
In der UKPD*-Studie senkt die intensivierte Blutdruckeinstellung die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität und verzögert das Fortschreiten
von Nierenerkrankungen, bei einem Trend zu Gunsten von Atenolol (TENORMIN u.a.) gegenüber Captopril (a-t 1998;
Nr. 10: 88-90).10,11
FAZIT: Eine intensivierte Hochdruckbehandlung verzögert das Fortschreiten der diabetischen Nephropathie. Für ACE-Hemmer lassen sich keine
spezifischen Vorteile gegenüber anderen Antihypertensiva belegen.
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