Nachdem immer mehr Patienten sich Blutdruckgeräte zur Messung am Handgelenk kaufen, bitte ich Sie um Auskunft, wie zuverlässig
diese Geräte sind. Nach meiner Erfahrung liegen gerade bei hohen Blutdrucken die Werte der Handgelenksmessung z.T. deutlich niedriger. Nach Mitteilung
eines Kardiologen differieren die Werte um bis zu 30 mmHg systolisch im Vergleich zur Messung an der Armarterie...
Dr. med. C. STEIDLE (Internist)
D-85635 Höhenkirchen
Blutdruckmessgeräte lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: Die manuellen Quecksilber- und Feder (Aneroid)-Sphygmomanometer, mit denen der
Blutdruck auskultatorisch ermittelt wird (KOROTKOW-Töne), und die automatischen Messgeräte. Standard der Blutdruckmessung ist die auskultatorische
Methode nach KOROTKOW.
Automatische Geräte für die Selbstmessung am Oberarm oder am Handgelenk verwenden bis auf wenige Ausnahmen die oszillometrische Technik. Der
Blutdruck wird dabei mit Hilfe der pulsbegleitenden Gefäßschwingungen (Oszillationen) während der Druckreduktion in der Manschette ermittelt. Die
meisten dieser Apparate sind weder auf ihre Messgenauigkeit noch auf die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse nach den strengen Kriterien internationaler
Fachgesellschaften untersucht. Das US-amerikanische Prüfprotokoll* fordert, dass ein Blutdruckmessgerät von der Standardmethode um nicht mehr als 5
mmHg im Mittel und 8 mmHg in der Standardabweichung abweicht.
Nach einer Untersuchung der Europäischen Hypertonie-Gesellschaft ließen sich nur 5 von 25 Apparaten für die Selbstmessung empfehlen, darunter
keines der 4 geprüften Handgelenksgeräte.1 In einer Studie über die Messgenauigkeit eines auch auf dem deutschen Markt
erhältlichen Handgelenksgerätes wird eine mittlere Abweichung von 16 mmHg systolisch und 6 mmHg diastolisch beschrieben bei einer
Standardabweichung von 25 bzw. 7 mmHg. Zwei Drittel der am Handgelenk gemessenen systolischen Werte und jeder zweite diastolische Wert weichen um mehr
als 10 mmHg vom Standard ab.2
Bei vielen Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes und Menschen im höheren Lebensalter ist die Elastizität der arteriellen Gefäße vermindert.
Diese "Gefäßversteifung" beeinflusst die Oszillationen und kann zu fehlerhaften Blutdruckmessungen beitragen. Am Oberarm nimmt bei einem
technisch hochwertigen oszillometrischen Gerät die mittlere systolische Abweichung mit Zunahme der Gefäßversteifung von 8 auf 13 mmHg und die
diastolische von 4 auf 7 mmHg zu.3 Weiter distal im arteriellen Baum dürfte die Zuverlässigkeit der Messungen bei verminderter
Gefäßelastizität noch geringer sein. Für die Praxis ist aber festzuhalten, dass auch erfolgreich getestete Oszillometer für den Oberarm bei
jeder vierten bis sechsten Messung einen Fehler von ca. 10 mmHg aufweisen dürfen.4 Achtung: Wenn der Pulsschlag nicht
regelmäßig ist, lassen sich oszillometrisch überhaupt keine verlässlichen Werte ermitteln. Bei Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern
dürfen diese Geräte daher nicht verwendet werden.
Wenn keine Hör- oder Sehbehinderungen vorliegen, sind für die Selbstmessung grundsätzlich die auch kostengünstigeren
Federsphygmomanometer vorzuziehen. Bei richtiger Anleitung können nahezu alle Patienten das auskultatorische Blutdruckmessen erlernen. Federmanometer
müssen regelmäßig nachgeeicht werden. Die Druckwerte gut gewarteter Geräte mit halbjährlicher Eichung weichen in einer aktuellen
Untersuchung um weniger als 4 mmHg von den Referenzwerten eines Quecksilbersphygmomanometers ab.5
FAZIT: Wegen ihrer starken Abweichungen von der Standardmethode ist von Blutdruckmessgeräten am Handgelenk grundsätzlich abzuraten. Da die
antihypertensive Behandlung zunehmend auf der Basis von selbst gemessenen Werten erfolgt, sind diese unzuverlässigen Geräte potenziell
gefährlich. Für oszillometrische Geräte am Oberarm liegen mehr und bessere Daten vor. Wird für die Selbstmessung ein automatisches
Verfahren gewünscht, sollte daher wenigstens ein Oberarmgerät verwendet werden. Dies ist zu Beginn anhand von Parallelmessungen mit einem
Sphygmomanometer individuell zu kontrollieren. Oszillometrische Messgeräte dürfen bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern
nicht verwendet werden. Wenn keine Hör- oder Sehstörungen bestehen, sind für die Selbstmessung in erster Linie Federsphygmomanometer zu
empfehlen.
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