Über ihren Einfluss auf die Knochendichte hinaus ist für die Bisphosphonate Alendronat (FOSAMAX) und Risedronat (ACTONEL) in klinischen
Studien zur Altersosteoporose bislang nur Schutz vor Wirbelsinterungen belegt, die nicht anhand klinischer Symptome, sondern durch systematisches Screening
erfasst werden.1-3 Die klinische Relevanz dieses radiologischen Befundes - streng genommen ein Surrogatparameter - ist nicht hinreichend geklärt.
Nachgewiesen ist dieser Nutzen zudem nur für Frauen mit vorbestehenden Wirbelbrüchen.
Die Datenlage für Risedronat ist wegen hoher Abbruchraten und mangelhafter Nachbeobachtung in den entsprechenden Studien schlechter als die für
Alendronat (a-t 1999; Nr. 5: 51-3 und 2000; 31: 51-2). In der
FIT*-Studie, an der Frauen zwischen 55 und 81 Jahren teilgenommen haben, deutet sich bei manifester Osteoporose1 darüber hinaus ein
günstiger Einfluss von Alendronat auch auf klinisch auffällige Wirbelbrüche an (sekundärer Endpunkt, aber hoch signifikante Differenz). In
welchem Ausmaß nicht vertebrale Frakturen, bei denen vornehmlich exogene Faktoren wie Stürze eine Rolle spielen, durch Alendronat verhindert werden,
lässt sich nicht sicher angeben. Es fehlen Studien, die primär auf dieses Zielkriterium angelegt sind und einen Effekt zeigen. Als sekundäre
Endpunkte ergibt sich in FIT für Hüft- (1,1% vs. 2,2%) und Handgelenksbrüche (2,2% vs. 4,1%) eine grenzwertig signifikante Differenz
gegenüber Plazebo.1 Die in der FOSAMAX-Werbung viel zitierte FOSIT*-Studie4 ist als Nutzenbeleg unbrauchbar. Daten zu
Knochenbrüchen, die als Endpunkt nicht vorab definiert sind, werden hier erst nach Abschluss der Studie retrospektiv gesichert.
Die Europäische Arzneimittelbehörde hat jetzt Risedronat auch zur Vorbeugung von Oberschenkelhalsbrüchen zugelassen.6 Der
Entscheidung liegt eine kürzlich publizierte Studie mit 9.300 Frauen im hohen Lebensalter zu Grunde,7 in der täglich 2,5 mg oder 5 mg Risedronat
mit Plazebo verglichen werden. Die Hüftfrakturrate (primärer Endpunkt) beträgt nach drei Jahren in beiden Verumgruppen zusammen 2,8% im
Vergleich zu 3,9% unter Plazebo. Die höchste Frakturrate haben die über 80-Jährigen (prädefinierte Subgruppe), obgleich in dieser Altersgruppe
auch Frauen ohne Osteoporose an der Studie teilnehmen konnten. Risedronat hat bei den über 80-Jährigen keinen Effekt (4,2% vs. 5,1%, p = 0,35), bei
den 70- bis 79-Jährigen wird das Risiko von 3,2% auf 1,9% gesenkt.
Die methodische Qualität dieser Untersuchung ist jedoch noch unzulänglicher als die der beiden anderen Risedronat-Studien: Über 50% der Frauen
brechen die Therapie vorzeitig ab. Von 36% (ca. 3.300 Frauen) ist bei Studienende nicht vollständig bekannt, was aus ihnen geworden ist. Eine
Fallzahlkalkulation wird nicht mitgeteilt. Die ursprünglich geplante getrennte Auswertung der zwei Risedronat-Dosierungen lässt anscheinend keinen Effekt
erkennen. Die jetzt vorgelegte gemeinsame Auswertung beider Gruppen im Vergleich zu Plazebo ist - offensichtlich in Kenntnis der Ergebnisse - nachträglich
eingeführt worden. Die Wirksamkeit von Risedronat lässt sich auf dieser mangelhaften Datenbasis nicht beurteilen. Im Diskussionsteil wird besonders der
Nutzen für 70- bis 79-jährige Frauen mit vorbestehenden Wirbelfrakturen hervorgehoben, deren Hüftfrakturrisiko von 5,7% unter Plazebo auf 2,3%
sinken soll. Wegen retrospektiver Auswahl dieser Subgruppe sind die Daten jedoch ohne Aussagewert.
Bisphosphonate schädigen den Magen-Darm-Trakt. Wegen der Gefahr der Ösophagusschädigung müssen aufwändige
Einnahmevorschriften eingehalten werden. Die US-amerikanischen Produktinformationen geben die Häufigkeit eines Speiseröhrenulkus unter Alendronat
mit 1,5% an. Ob Risedronat hier Vorteile bietet, ist nicht gesichert. Die ösophagusschädigenden Effekte von Alendronat sind erst nach
Markteinführung erkannt worden.5 Wegen des potenziell lebensbedrohlichen Risikos ist die Indikation für Bisphosphonate streng zu
stellen.
In der Behandlung der Altersosteoporose mit Alendronat (FOSAMAX) oder
Risedronat (ACTONEL) ist ein Nutzen lediglich für Frauen mit vorbestehenden Wirbelbrüchen gesichert.
Nachgewiesen ist bislang nur die Minderung der durch Screening erfassten neuen
Wirbelbrüche, deren klinische Relevanz in Frage steht.
Ob und in welchem Ausmaß nicht vertebrale Frakturen, insbesondere
Oberschenkelhalsbrüche, verhindert werden, lässt sich weder für Alendronat noch für Risedronat sicher angeben. Eine Indikation für die
beiden Bisphosphonate bei Frauen ohne vorbestehende Wirbelfrakturen oder über 80-Jährigen mit diesem Therapieziel sehen wir nicht.
Bisphosphonate schädigen den Magen-Darm-Trakt bis hin zu Geschwür
und Perforation des Ösophagus. Ob Risedronat weniger riskant ist als
Alendronat, bleibt zu klären.
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