Unsere Informationen zu Arzneimitteln finden nicht immer den Beifall der Hersteller. Dies ist nachvollziehbar, schließlich orientieren wir uns nicht an
Marketing-Broschüren oder Äußerungen käuflicher Meinungsbildner, sondern an überprüfbaren veröffentlichten Daten. Wir
begrüßen es, wenn Firmen die offene Diskussion suchen. Manche verfassen jedoch "interne" Argumentationshilfen für Pharmareferenten
oder Stellungnahmen, die an Ärzte und Apotheker verteilt werden. Hierbei handelt es sich meist um platte oder verfälschende Marketingbotschaften.
Studien werden durch die "Firmenbrille" interpretiert oder a-t-Texte gezielt (?) falsch zitiert, um sie dann widerlegen zu können. Bisweilen werden
auch Sachverhalte behauptet, die den firmeneigenen Gebrauchsinformationen widersprechen (vgl. a-t 1996; Nr. 6:
56).
Unter Bezug auf unsere Einstufung des Neuroleptikums Sertindol
(SERDOLECT) als "riskantes Arzneimittel" (a-t 1997; Nr. 10: 103-5) verteilt Lundbeck in Kliniken eine
Stellungnahme, wonach "Sertindol ein sehr günstiges kardiovaskuläres Risikoprofil" habe.1 Einen Monat später wird das Mittel
vom Markt genommen, nachdem die holländische Behörde gerade wegen dieser Risiken ein offizielles Bewertungsverfahren eingeleitet
hat.2
Falsch wiedergegebene Prozentzahlen beanstandet Takeda Pharma bei unserem
Kommentar zu Candesartan (BLOPRESS, a-t 1999; Nr. 10: 110) in Schreiben, die Pharmareferenten
verteilen.3 Die im a-t zitierte Studie enthält zwei Datensätze. Wir beziehen uns auf die Daten des unabhängigen
Überwachungsgremiums der Untersuchung, das auf Grund von Sicherheitsbedenken den Abbruch der Studie veranlasste. Der Hersteller tut so, als ob diese
Daten nicht existierten und diskutiert nur die nachträgliche herstellerfreundliche Dateninterpretation durch einen firmennahen Biometriker. Mit den
Hintergründen der Zwitter-Publikation werden wir uns demnächst beschäftigen.
Dass die "Richtigstellungen" in einer Stellungnahme von Pharmacia &
Upjohn4 zu unserer Bewertung des Harninkontinenzmittels Tolterodin (DETRUSITOL; a-t 1999; Nr. 6: 60
-3) den Angaben in der Fachinformation teilweise widersprechen (Wirkungseintritt kann bis zu vier Wochen dauern), scheint der Firma egal zu sein. Der
Verdacht auf ein kardiotoxisches Risiko, das zum Absturz der Vorläufersubstanz Terodilin (MICTROL; a-t 1991; Nr.
9: 79) geführt hat, lässt sich für die Molekülvariante nicht durch klinische Studien an etwa 1.700 Patienten ausräumen.
Per Rundschreiben kündigt ein Lilly-Mitarbeiter dem Außendienst an, dass
einer "der führenden Osteoporoseforscher der Welt" einen kritischen Leserbrief an das a-t wegen der Bewertung von Raloxifen (EVISTA) in
a-t 1999; Nr. 10: 97-8 verfassen wird. Das Schreiben geht prompt wenige Tage später bei uns ein. Die vom
Firmenmitarbeiter behaupteten "Falschaussagen"5 treffen eher auf die Firmenstellungnahme zu, in der wir falsch zitiert werden, als auf unseren
Text. Wir haben die Firma deshalb abgemahnt. Jetzt geht die Diskussion immerhin offizielle Wege.6
FAZIT: Wenn Firmen "Richtigstellungen" zu arznei-telegramm-Artikeln verbreiten, teilweise undatiert und ohne Firmenbriefkopf, und die direkte
Diskussion mit der Redaktion meiden, handelt es sich meist nicht um wissenschaftlichen Meinungsstreit, sondern um Marketing. Für Hinweise auf solche
"Stellungnahmen" sind wir dankbar.
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