Einschränkungen für die Verordnung von FEMOVAN, LOVELLE, MARVELON, MINULET u.a.: Während der Arbeiten
für eine Fernsehdokumentation im Mai 1995, die zuerst in England1 ausgestrahlt und später in Teilen von der ARD2 übernommen
wurde, erfuhren wir durch einen hochrangigen WHO-Beamten von der sich für "Mikropillen" zuspitzenden Datenlage in der sogenannten WHO-
Studie3 (Vorankündigung der Publikation in a-t 6 [1995], 65). Zum gleichen Zeitpunkt erhielt das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte detaillierte Informationen. Die Untersuchung hat die quantitative Abschätzung kardiovaskulärer
Komplikationen in Abhängigkeit von Zusammensetzung der Ovulationshemmer und Dauer der Einnahme zum Ziel. Die Ergebnisse von zwei weiteren
industriefinanzierten transnational4 resp. für Großbritannien national5 angelegten Untersuchungsreihen ergeben einen gleichsinnigen,
statistisch signifikanten Trend: Selbst junge Frauen mit gutem Allgemeinbefinden vor der Einstellung auf Kontrazeptiva der "dritten Generation" haben ein
etwa doppeltes bis dreifaches (Tabelle 1) und zu Beginn der Einnahme sogar vierfach höheres Risiko, an einer tiefen Venenthrombose zu erkranken -
verglichen mit denjenigen, die Antibabypillen mit längst patentfreien Inhaltsstoffen der sechziger und siebziger Jahre (Tabelle 2) verwenden.
Die Befunde sind stichhaltig und begründen sofortige Abwehrmaßnahmen. Einwände der pharmazeutischen Unternehmer gegen die
Aussagekraft der Studienergebnisse sind entweder unsubstantiiert oder lassen sich nach wissenschaftlichen Kriterien entkräften.6
Beschränkt auf "Mikropillen"-induzierte tiefe Venenthrombosen errechnen wir anhand der Kontrazeptiva-Verbrauchsdaten für Deutschland seit
Einführung von Desogestrel (1981) und Gestoden (1987) etwa 380 zusätzliche tödliche Zwischenfälle (Lungenembolien) bzw. weit über
1.000 zusätzliche Erkrankungen mit schwerem Verlauf, zu denen es - statistisch gesehen - unter "Pillen der zweiten Generation" nicht gekommen
wäre. Drei Wochen nach den strengen britischen Umstellungsempfehlungen auf ältere Präparate und Verordnungsbeschränkungen für
FEMOVAN, MARVELON und analoge Verhütungsmittel schließt das Bundesinstitut für Arzneimittel in Berlin halbherzig die Erstverordnung der
"Mikropillen" für Frauen bis zu 30 Jahren in Form der Gegenanzeige aus. a-t-Leser waren gewarnt. Zuletzt erinnerten wir in a-t 6 (1995), 60 an die Risiken Gestoden-haltiger Mikropillen. Daß der Anbieter Desogestrel-haltiger
Ovulationshemmer tödliche Zwischenfälle in Verbindung mit seinem Produkt MARVELON zurückhält, teilte uns ein Frauenarzt aus Bad
Oeynhausen mit (a-t 6 [1990], 57). Durch unvollständige Datenerhebung und -auswertung gelingt es einem
anderen Anbieter, die tatsächliche Gefährdung durch tiefe Venenthrombosen bis hin zur Lungenembolie zu verschleiern (a-t 9 [1991], 74).
Wir halten die neuen Anordnungen des Bundesinstituts für Arzneimittel für verspätet und inkonsequent. Nur für den spekulativen Fall,
daß die abschließende Auswertung der Befunde zum Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko einen "Schutzeffekt" der Mikropillen im Vergleich zu
Levonorgestrel-haltigen Präparaten aufzeigt, entfällt in Deutschland willkürlich ein Anwendungsstopp bei über 30jährigen. Mikropillen
stören nach unseren NETZWERK-Erfahrungen und nach Dokumentationen anderer Nebenwirkungserfassungsinstitute gleichartig wie die
Vorläuferpräparate den Lipidstoffwechsel (s. a-t 6 [1995], 62). Die Medikation mit Gestoden scheint das
Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko auch ohne Risikokonstellation zu erhöhen, wenn spontane UAW-Meldungen als Bezugsgröße dienen.
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