Ein "Substitutionstherapeutikum" mit Hyaluronsäure aus Hahnenkämmen in Form der HYALART-Spritzampulle soll vom Arzt bei
"Schmerzen" in den Gelenkspalt injiziert werden, wenn die "Gelenkfunktion bei Abbauerscheinungen" gestört ist, wie z.B. bei einer
Gonarthrose. Die Troponwerke bieten HYALART als neuartig an. "Dieses Arzneimittel enthält einen Stoff, der in der medizinischen Wissenschaft nicht
allgemein bekannt ist...", lesen wir in der HYALART-Fachinformation von Januar 1993. Die Innovation ist in Wirklichkeit ein altes Veterinärpharmakon
für Pferde, über das bereits in den 70er Jahren in Tierheilkundejournalen berichtet wurde z.B. im New Zealand Veterinary Journal und das
jetzt für die beliebte intraartikuläre Behandlung der Gonarthrose umgewidmet wird.
EIGENSCHAFTEN: Hyaluronsäure ist ein normaler Bestandteil der Synovialflüssigkeit. HYALART enthält das Polysaccharid in einem
Molekulargewicht von 500.000 bis 730.000 Dalton. Es wird im Körper rasch und vollständig verstoffwechselt, ohne daß es sich spezifisch im Bereich
des Gelenkes anreichert. Nach intraartikulärer Injektion des radioaktiv markierten Polysaccharids findet sich für einige Stunden Radioaktivität in den
Knorpelzellen. Ein Beleg dafür fehlt, daß es sich hierbei um eingebaute Hyaluronsäure und nicht um Stoffwechselprodukte handelt.
WIRKUNGEN: In pharmakologischen Untersuchungen mit Hyaluronsäure soll eine dosisabhängige Stimulation der Synovialzellen zu beobachten
sein. Für das Veterinärpharmakon gibt es vom Kaninchen bis zum Pferd zahlreiche Studien zur Verminderung degenerativer Knorpelschäden, die in
ihrer Aussagefähigkeit jedoch selten das Niveau subjektiver Eindrucksbeschreibungen überschreiten.
KLINISCHE STUDIEN: Es fehlen wissenschaftlich einwandfreie Doppelblindstudien, die für Hyaluronsäure anhand objektiver Parameter eine
Reduktion des Knorpelschadens im Vergleich zu Plazebo belegen. Dosisfindungsstudien lassen keine Abhängigkeit von der Dosis erkennen.1 Auch
macht es keinen Unterschied, ob mit wöchentlichen Injektionen über 3 oder 5 Wochen behandelt wird. In mehreren Studien wird eine Besserung
subjektiver Parameter wie Ruhe-, Belastungs- oder Bewegungsschmerz beschrieben, wobei Therapiedauer und Befunde über das Ausmaß der Besserung
völlig variabel und deshalb nicht vergleichbar sind.2,3 Vergleichsstudien mit anderen Therapieprinzipien wie Glukokortikoide4 oder
Orgotein5 bleiben ohne Aussagefähigkeit, weil die Parallelgruppen völlig unterschiedlich behandelt wurden. Eine Wirkungsgleichheit mit
zweifelhaften Therapieprinzipien wie Orgotein (PEROXINORM, vgl. a-t 10 [1989], 96 und 6 [1990], 57) oder
Mucopolysaccharid-Schwefelsäureester (ARTEPARON, vgl. a-t 7 [1992], 66 und 3 [1993], 26) kann nicht als Argument des Nutzens gelten.
Aus den vorliegenden klinischen Studien läßt sich weder ableiten, welche Dosis wirksam noch welche Therapiedauer empfehlenswert sein soll.
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Nach den veterinärmedizinischen Daten werden häufig verstärkte, teils entzündliche
Gelenkschwellungen beobachtet. Dies wird durch Erfahrungen am Menschen bestätigt. In einer Studie fanden sich bei 6 von 33 behandelten Patienten
entzündliche Reaktionen im Gelenk.6 Entzündungsfördernde Effekte von Hyaluronsäure sind auch für die Anwendung am Auge
beschrieben.7 Über das immunogene Potential von Hyaluronsäure für den Menschen gibt es keine Daten.
KOSTEN: Eine Spritzampulle kostet 97 DM. Die empfohlene fünfmalige Anwendung in wöchentlichem Abstand 460 DM.
FAZIT: Die spärliche, vom Hersteller zur Verfügung gestellte Literatur enthält tierexperimentelle Befunde und Wirkungshypothesen, jedoch keine
hinreichenden klinischen Daten, die eine therapeutische Wirksamkeit von HYALART bei Gonarthrose belegen. Dosis sowie Intervall und Häufigkeit der
Applikation bleiben unklar. Die Umwidmung des Veterinärtherapeutikums auf den Menschen soll anscheinend die Marktlücke besetzen, die durch den
Absturz anderer intraartikulär zu verabreichender "Chondroprotektiva" entstanden ist. Dies muß mit 90 DM bis 100 DM pro Injektion teuer
erkauft werden.
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