Bereits 2005 plante die Bundesregierung, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in eine weitgehend eigenverantwortlich
und nach ökonomischen Grundsätzen geführte Deutsche Arzneimittel und Medizinprodukte Agentur (DAMA) umzuwandeln. Die schnelle Zulassung
neuer Arzneimittel im Dienst der Industrie sollte zur Kernaufgabe der Dienstleistungsagentur werden. Die Umsetzung scheiterte am Widerstand einiger Sozialpolitiker
in der SPD-Fraktion und fiel zunächst der vorzeitigen Auflösung des Bundestags zum Opfer. Jetzt werden die Pläne reaktiviert.
Einer der wesentlichen Kritikpunkte an der Umstrukturierung des BfArM in eine Agentur für Zulassungen ist, dass die DAMA fast vollständig von der
Pharmaindustrie finanziert werden soll, aber dennoch gleichzeitig für die Überwachung der Sicherheit der Arzneimittel und den Schutz der Patienten
(Pharmakovigilanz) zuständig ist. Die DAMA soll von einem zweiköpfigen Vorstand geleitet werden, dem neben einem Festbetrag "leistungsbezogene
Bestandteile" für die Erfüllung von Zielvereinbarungen bezahlt werden (§ 7 Abs. 4 DAMA-Errichtungsgesetz),1 also Prämien
für schnelle Zulassung und andere pharmahörige Verrichtungen. Es ist nachvollziehbar, dass unter solchen Voraussetzungen Vermarktungsinteressen der
Pharmaindustrie die Zulassungstätigkeit bestimmen werden und Maßnahmen zur Risikominderung verkümmern. Zum Schutz der Verbraucher
müssen Zulassung und Pharmakovigilanz durch voneinander unabhängige Behörden sichergestellt und nicht durch eine Agentur als Zuarbeiter
für Firmen erledigt werden.
Das Beispiel der EMEA, der ebenfalls überwiegend durch die Hersteller finanzierten Zulassungsagentur der EU, die vorschnell Pharmaka wie z.B. Natalizumab (TYSABRI; a-t 2006; 37: 69-71) oder
Sertindol (SERDOLECT; a-t 2006; 37: 72-3) ohne hinreichende Sicherheitsprüfung zulässt, gibt zu
Bedenken Anlass. Finanzielle Abhängigkeit öffnet zudem der Industrie Tür und Tor für Einflussnahmen und Korruption, die zu Lasten der
Patientensicherheit gehen. Dies beklagt auch der FDA-Mitarbeiter GRAHAM nach der Umwandlung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA in eine
ähnliche Dienstleistungsagentur anlässlich der unzulänglichen Risikoabwehr beim Cox-2-Hemmer Rofecoxib (VIOXX, außer
Handel).2
Die Ablösung staatlicher Verantwortung wirft aber auch verfassungrechtliche Fragen auf. Schließlich gefährdet die Umstrukturierung die
grundrechtlich verankerte Verpflichtung des Staates zur Gefahrenabwehr für Leib und Leben der Bürger. Der Vorsitzende des damaligen
Untersuchungsausschusses des deutschen Bundestags zu HIV-verseuchten Blutprodukten betont die Priorität der staatlichen Gefahrenvorsorge, die keine
Vermischung mit Industrie-orientierten Dienstleistungen zulässt.3 Demnach kann der Bundesregierung auch beim DAMA-Gesetz ein
Verfassungskonflikt drohen. Der Bundespräsident könnte die Unterzeichnung des Gesetzes wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ablehnen.
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1 |
"Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und
Medizinprodukteagentur (DAMA-Errichtungsgesetz)", Stand 24. Okt. 2006
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2 |
LOUDON, M.: The FDA Exposed: An Interview With Dr. David GRAHAM, the VIOXX
Whistleblower; http://www.newstarget.com/z011401.html |
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3 |
SCHEU, G.: "In Dubio Pro Securitate: Contergan, Hepatitis-/AIDS-Blutprodukte,
Spongioformer Humaner Wahn und kein Ende?" Nomos-Verlag, Baden-Baden, 2003 |
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