Jede vierte große Onkologiestudie bleibt unveröffentlicht: Nach Auswertung von 46 Übersichtsarbeiten, in denen insgesamt
16.000 - zumeist für wissenschaftliche Kongresse erstellte - Studienabstracts nachverfolgt werden, wird nur jede zweite durchgeführte Studie
tatsächlich vollständig veröffentlicht (SCHERER, R.W., LANGENBERG, P.: Full publication of results initially presented in abstracts. In: The
Cochrane Library, Issue 3; 2003. Oxford: Update Software). Selbst aufwändige randomisierte Studien mit mehr als 200 Patienten werden der
Fachöffentlichkeit vorenthalten. Jede vierte Großstudie aus dem Bereich der Onkologie ist auch nach fünf Jahren noch nicht vollständig
publiziert. Dies ergibt die Nachverfolgung von 510 Abstracts, die zwischen 1989 und 1998 auf Kongressen der American Society of Clinical Oncology (ASCO)
präsentiert wurden. Somit sind allein unter Berücksichtigung der auf diesen Fachkongressen vorgestellten Abstracts Studiendaten von 47.000 Patienten
mit Krebs in der Versenkung verschwunden. Auffallend häufig bleiben dabei Untersuchungen unzugänglich, die zu nichtsignifikantem (32% vs. 19% bei
Signifikanz) sowie negativem Ergebnis (30% vs. 19% bei positivem Ergebnis) führen (s. auch a-t 2003; 34: 62-3).
Abstracts sind vorläufig, unpräzise und in ihren Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar und daher kein Ersatz für Vollveröffentlichungen. Wer
an klinischen Studien teilnimmt, geht davon aus, zum medizinischen Erkenntnisgewinn beizutragen. Nur dann lassen sich die Risiken rechtfertigen, die Einzelne
eingehen. Wird über die Erkenntnisse jedoch nicht berichtet, bedeutet dies einen Vertrauensbruch in der Arzt-Patienten-Beziehung und wissenschaftliches
Fehlverhalten. Bleiben Studien mit nichtsignifikanten oder negativen Ergebnissen unveröffentlicht, wird der Nutzen einer Behandlung überschätzt.
Dies kann zu unangemessenen Therapieentscheidungen führen (KRZYZANOWSKA, M.K. et al.: JAMA 2003; 290: 495-501). Ethikkommissionen, Sponsoren
und beteiligte Wissenschaftler müssen unabhängig vom Ergebnis für die vollständige Veröffentlichung der Daten Sorge tragen. Zwar sind
verschiedene Studienregister entstanden, doch zum Teil auf vertraulicher Basis für Behörden und Firmen ohne Zugangsmöglichkeit für
Ärzte und Patienten (DICKERSIN, K., RENNIE, D.: JAMA 2003; 290: 516-23). Zahlreiche laufende industriegesponserte Studien lassen sich zudem in
gängigen Registern nicht auffinden (MANHEIMER, E., ANDERSON, D.: BMJ 2002; 325: 528-31).
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