Mit Adalimumab (HUMIRA) wird seit Mitte September der nach Etanercept (ENBREL) und Infliximab (REMICADE) dritte Tumornekrosefaktor (TNF)-
α-Antagonist zur Therapie der rheumatoiden Arthritis angeboten. Adalimumab ist wie der Maus-Mensch-Antikörper Infliximab ein monoklonaler
Antikörper gegen TNF α, enthält allerdings im Unterschied zu Infliximab keinen Maus-Anteil.
EIGENSCHAFTEN: Tumornekrosefaktor α hat eine zentrale Funktion bei den Entzündungsprozessen und der
Gelenkzerstörung im Rahmen der rheumatoiden Arthritis. Adalimumab wird nach Subkutaninjektion langsam absorbiert mit Spitzenspiegeln nach etwa fünf
Tagen. Die durchschnittliche terminale Halbwertszeit beträgt etwa zwei Wochen.1
KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Von den vier zulassungsrelevanten Studien ist eine vollständig veröffentlicht (ARMADA*). 271 im Mittel 55 Jahre
alte Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis trotz Einnahme von Methotrexat (LANTAREL u.a.) und durchschnittlich 12-jähriger Krankheitsdauer, bei denen
mindestens ein weiteres Basisantirheumatikum versagt hat, injizieren zusätzlich zur Einnahme von Methotrexat im Zwei-Wochen-Rhythmus 20 mg, 40 mg oder
80 mg Adalimumab oder eine Plazebolösung subkutan. Die empfohlene Dosierung von zweiwöchentlich 40 mg wirkt am besten. Sie bringt innerhalb von
24 Wochen bei 67% (45 von 67) der Patienten eine 20%ige Besserung im Vergleich zu 15% (9 von 62) unter Plazebo. 50%- und 70%ige Besserung lassen sich unter
dieser Dosierung bei 55% bzw. 27% erzielen, unter Plazebo bei 8% bzw. 5%.2
In drei weiteren Studien wirkt Adalimumab nach Auswertung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA als Monotherapie oder in Kombination mit
Methotrexat oder anderen Basisantirheumatika ebenfalls besser als Plazebo. Unter Monotherapie entwickeln sich häufiger als bei Kombination mit Methotrexat
neutralisierende Antikörper (12% versus 1% im jeweiligen Studienzeitraum), die mit deutlicher Wirkungsabschwächung einhergehen. Die Kombination mit
Methotrexat scheint im Verlauf eines Jahres das radiologisch erfasste Fortschreiten der Gelenkzerstörung stärker zu verzögern als Methotrexat
allein.3
Die klinisch relevante Frage, ob der Zusatz von Adalimumab bei unzureichender Wirksamkeit von Methotrexat besser hilft als der Zusatz eines oder mehrerer
konventioneller Basisantirheumatika, ist nicht geprüft. Direkte Vergleiche mit Infliximab oder Etanercept fehlen.
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: 20% der Anwender entwickeln Reaktionen an der Injektionsstelle mit Schmerz, Rötung, Juckreiz, Blutung
oder Schwellung. Als Folge der Immunsuppression sind Atemwegs- und Harnwegsinfektionen häufig. Hautausschlag, Übelkeit, Durchfall und
Grippesyndrom kommen ebenfalls häufig vor.4 Adalimumab kann allergische und anaphylaktoide Reaktionen auslösen.3 Nephrotisches
Syndrom mit Rückbildung der Proteinurie nach Absetzen und Wiederauftreten bei Reexposition ist beschrieben.5
Ein Verträglichkeitsvorteil gegenüber Infliximab oder Etanercept ist nicht erkennbar: Die in Verbindung mit diesen TNF-α-Blockern beobachteten
schwerwiegenden Infektionen sind auch unter Adalimumab beschrieben, darunter disseminierte Tuberkulose, Sepsis und opportunistische Infektionen, zum Teil mit
tödlichem Ausgang. Bei aktiver Tuberkulose ist die Therapie mit Adalimumab kontraindiziert, bei latenter Infektion muss vor Therapiebeginn eine
Tuberkuloseprophylaxe initiiert werden.4
Demyelinisierende Erkrankungen wie Optikusneuritis, Ausbildung von Autoantikörpern und Lupus-ähnliches Syndrom werden unter Adalimumab wie unter
den anderen TNF-α-Blockern beobachtet und sind wahrscheinlich ebenfalls Klasseneffekte.6
Die Häufigkeit maligner Lymphome unter Adalimumab ist gegenüber der in der Allgemeinbevölkerung erwarteten Inzidenz auf etwa das
Fünffache erhöht. Ähnliches gilt für die beiden anderen TNF-α-Blocker. Da die rheumatoide Arthritis selbst mit erhöhtem
Lymphomrisiko einhergeht, bleibt der ursächliche Anteil der TNF-α-Blocker zu klären.1,6
Die Sterblichkeit unter Adalimumab ist zwar nicht höher, als nach Grunderkrankung und Alter der Patienten zu erwarten gewesen wäre. Todesfälle
sind in kontrollierten Studien unter Verum mit 1,3 pro 100 Patientenjahre (95% Vertrauensintervall [CI] 0,16-2,35) aber numerisch häufiger als unter Plazebo (0,3;
95% CI 0,26-0,82). Obgleich die Mehrzahl der teilnehmenden Patienten Frauen sind (77%), sind die unter Adalimumab Verstorbenen in der Mehrzahl Männer
(58%).3,6
KOSTEN: Bezogen auf vier Wochen kostet Adalimumab (HUMIRA; bei zweiwöchentlich 40 mg: 2.388 €) 11% mehr als Etanercept
(ENBREL; bei zweimal 25 mg/Woche: 2.147 €) und knapp dreimal soviel wie Infliximab (REMICADE; bei 200 mg/8 Wochen: 833 €). Der TNF-α-
Blocker ist 240- bis 290-mal teurer als das Basisantirheumatikum Methotrexat (bei 10 mg/Woche: 10 € für LANTAREL bzw. 8 € für MTX
HEXAL). Mit einem derzeit "bis auf Weiteres" eingeräumten Sonderrabatt, durch den der Preis von HUMIRA unter den von Etanercept sinkt
(2.094 € pro Packung),7 versucht der Hersteller, Marktanteile zu sichern.
Der humane monoklonale Tumornekrosefaktor (TNF)-α-Antikörper
Adalimumab (HUMIRA) wirkt bei rheumatoider Arthritis als Zusatz bei unzureichendem Nutzen von Methotrexat (LANTAREL) besser als Methotrexat allein.
Ein Wirksamkeitsvorteil gegenüber konventionellen Basisantirheumatika oder
anderen TNF-α-Blockern ist nicht nachgewiesen.
Ein Verträglichkeitsvorteil durch rein humane Proteinstrukturen ist nicht
erkennbar. Die schwerwiegenden Risiken der TNF-α-Blockade - Infektionen wie disseminierte Tuberkulose, demyelinisierende Erkrankungen, Lupus-Syndrom
und Lymphom - sind auch unter Adalimumab beschrieben.
Adalimumab ist mit knapp 2.400 € pro 4 Wochen das teuerste der biologischen
Basisantirheumatika.
|