Endlich nimmt sich eine Behörde der schon lange drängenden Frage an - die kein COCHRANE Review bislang zureichend
behandelt hat -, ob ein SSRI nicht doch das Suizidrisiko erhöhen kann (a-t 2003; 34: 63-4). Diese Frage ist durch
eine qualitativ nicht gute, aber damals Aufsehen erregende Veröffentlichung von TEICHER et al.1 zur Zeit des steilen Anstiegs der PROZAC
(Fluoxetin, Red)-Verkaufszahlen in den USA erstmals aufgebracht, dann aber sofort systematisch konterkariert und scheinbar gegenstandslos gemacht worden
durch:
die durch einige, freilich kontroverse, Befunde gestützte und von der Werbung
der SSRI-Hersteller genutzte Ansicht vieler psychiatrischer Meinungsbildner, Suizidalität stehe mit einem zentralen "Serotonindefizit" in Verbindung,
weshalb SSRI bei suizidalen Patienten besonders wirksam und indiziert sein müssten (was niemals gezeigt werden konnte),
von SSRI-Herstellern, z.B. Lilly, induzierte Metaanalysen, die zeigen sollten, dass
sich in klinischen Prüfungen von SSRI kein Anstieg suizidaler Handlungen findet (aber diese Analysen sind nicht valide, weil Patienten mit Suizidrisiko in
moderne Antidepressivastudien gar nicht aufgenommen werden),
den sehr stark betonten Hinweis auf die geringere Toxizität von SSRI
(wogegen eingewandt werden muss, dass sich die allerwenigsten Patienten mit den ihnen verordneten Tabletten umbringen).
Eine suizidale Handlungen fördernde Wirkung von SSRI erscheint, wie Sie
richtig schreiben, im Hinblick auf die allgemein exzitatorischen Wirkungen dieser Substanzgruppe theoretisch möglich. Sehr nachdenklich sollte uns auch
machen, dass sich in mehreren epidemiologischen Studien eine überproportional häufige Verordnung von neueren Antidepressiva incl. SSRI bei
Suizidopfern gezeigt hat.
Prof. Dr. med. B. MÜLLER-OERLINGHAUSEN
D-10623 Berlin
Interessenkonflikt: keiner
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