SICKNESS SELLS |
Ihrem Artikel "Sickness sells" (a-t 2002; 33: 71-2) können wir nur zustimmen,
doch leider haben Sie einen wichtigen Bereich der Medikalisierung nicht genannt: das Thema "weibliche Lebensphasen". Ergänzend zu Ihrem informativen Artikel zu "Disease-awareness"-Kampagnen (a-t 2002;
33: 71-2) fiel mir ein, dass vor 30 Jahren eine jahrelange Publikationsreihe von Hoffmann la Roche zur "larvierten Depression" ein
medikamentös zu behandelndes Krankheitsbild promotete. In den letzten Jahren wird massiv versucht, Depression als Fehlfunktion der Neurotransmitter
Ärzten und Patienten zu erklären, die ursächlich mit SSRI zu behandeln seien. Dies bis hin zu einer kostenlosen Monatsbroschüre mit dem Titel
"Neurotransmitter". Statt also Betroffene auf die Zusammenhänge ihrer Symptome mit ihrer Lebensgeschichte und -situation aufmerksam zu machen,
werden Boten(stoffe) zu Urhebern umgedeutet, gegen die prima Mittel bereitstehen. Mit der gleichen Logik könnten wir auch Scham- und Schuldgefühle,
Lachen und Weinen, Wut und Angst, Sozialrückzug und Liebeslust als Wechselspiel fehlgeleiteter Botenstoffe interpretieren. Ja sogar ein Faustschlag ist dann
nichts anderes als eine Kette von ATPase-Reaktionen in den Armmuskeln usw. |
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