1996 hat die Firma Janssen Fentanyl-TTS (DUROGESIC) auf den Markt gebracht. Sehr schnell kamen mir Zweifel: Mit dem Pflaster applizieren wir
im Grunde eine Infusion, die wir nicht so einfach wieder beenden können, da sich ein subkutanes Fentanyl-Depot bildet, aus dem auch nach Entfernen des
Pflasters über viele Stunden weiter Wirkstoff abgegeben wird. Dies macht Probleme besonders bei häufig wechselnder Schmerzintensität (und
welcher Schmerz ist immer gleich stark?).
Eine (von Janssen unterstützte) randomisierte Doppelblindstudie aus Skandinavien mit Fentanyl-TTS bei Tumorpatienten konnte einen Effekt des Verums nicht
nachweisen - "auf Grund eines unerwartet hohen Plazebo-Effektes".1 War es vielleicht vor allem der Effekt der zusätzlich verabreichten
Rescue-Medikation mit schnell freisetzendem Morphin?
In den USA kam ein Bestatter ums Leben, der von einer Leiche das Fentanyl-Pflaster entfernt und sich selbst aufgeklebt hatte - in der Absicht, seine eigenen
Schmerzen zu lindern.2 In Deutschland hörte man immer wieder, dass Kollegen ihren Patienten rieten, das Pflaster durchzuschneiden - in einem Fall
konnte nur das beherzte Eingreifen seiner Freundin den jungen Patienten retten, der eine opiatbedingte Atemdepression entwickelt hatte - offenbar, weil das hoch
konzentrierte Fentanyl direkt in die Haut eingedrungen war.3
Wie hoch die Dunkelziffer solcher Vorfälle ist, kann ich nur spekulieren. Ein Kollege berichtete mir von einem alten Patienten, bei dem ein anderer Kollege von
Fentanyl-Pflaster auf ein orales retardiertes Opioid umgestellt habe. Da er das Hautdepot nicht berücksichtigte, begann er sofort mit der oralen Gabe. In der
folgenden Nacht starb der Patient - wahrscheinlich an einer Opioid-bedingten Atemdepression.
Ein Grund, warum nicht noch mehr Patienten zu Schaden kommen, scheint mir zu sein, dass das Pflaster häufig nicht richtig klebt. Gerade Tumorpatienten
schwitzen oft stark. Dadurch hebt sich das Pflaster von der Haut ab und bildet Blasen.
So werden durch unkritischen Einsatz Patienten gefährdet, dennoch ist die Schmerztherapie oft insuffizient. Etlichen Patienten konnte ich durch die Umstellung
auf ein orales retardiertes Opioid (Morphin, Hydromorphon oder Oxycodon) eine suffiziente Analgesie verschaffen, die sie ebenso gut vertrugen wie das Fentanyl-
Pflaster - oder sogar besser. Auch Tumorpatienten können bis kurz vor ihren Tod sicher oral eingestellt werden. In der letzten Lebensphase ist die s.c.- oder
i.v.-Gabe weit sicherer durchführbar als die Pflastertherapie.
Dr. med. M. STIEHL (Facharzt f. Anästhesie, Schmerztherapeut)
D-55743 Idar-Oberstein
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