Seit mehr als einhundert Jahren werden die emetischen Eigenschaften von Apomorphin bei Vergiftungen genutzt. Jetzt soll der Dopaminagonist als
Sublingualtablette mit 2 mg bzw. 3 mg Apomorphin (IXENSE, UPRIMA) zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen. Einladungen von Abbott zur
Pressekonferenz für die "neue Potenzpillen-Generation", zu denen Streichhölzer und eine "Zigarette danach" beigelegt
werden,1 erachten wir als geschmacklos.
EIGENSCHAFTEN: Auf sexuelle Stimuli hin soll Apomorphin durch Reizung von zentralen D2-Dopaminrezeptoren im Hypothalamus
neuronale Signale verstärken, welche - über autonome pelvine Nervenzentren weitergeleitet - Erektionen begünstigen. Im Unterschied zu Sildenafil
(VIAGRA) wirkt es offenbar nicht peripher gefäßerweiternd.
WIRKSAMKEIT: Eine achtwöchige kontrollierte Studie2 bei 569 Männern mit erektiler Dysfunktion liegt vollständig
veröffentlicht vor. Strenge Ein- und Ausschlusskriterien fallen auf: Patienten mit schweren organischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder
unkontrolliertem Bluthochdruck nehmen nicht teil. Mindestens eine nächtliche Spontanerektion muss vor Studieneinschluss dokumentiert sein. Rauchen und
Alkoholkonsum sind stark zu reduzieren. In den sechs Stunden vor Tabletteneinnahme dürfen die Teilnehmer keinen Alkohol trinken und innerhalb der letzten
Stunde nicht essen.
Verglichen werden nach Bedarf ansteigende Dosierungen von 2 mg bis 6 mg Apomorphin, fixe Wirkstärken von 5 mg oder 6 mg und Scheinmedikament.
Jeweils 3% bis 4% der Studienteilnehmer brechen die Behandlung wegen unzureichender Wirksamkeit ab. In der Gruppe der Männer, die nach Bedarf dosieren,
steigern 78% die Dosis bei ungenügendem Ansprechen innerhalb der ersten vier Wochen auf 5 mg bzw. 6 mg. Wie viele Männer von 2 mg Apomorphin
profitieren, bleibt unklar. Die Hälfte aller eingenommenen Apomorphin- (47,5% bis 53%) und ein Drittel der Plazebo-Dosierungen (34,5%) führen nach etwa
25 Minuten zu Erektionen, die Geschlechtsverkehr ermöglichen.2 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Cross-over-Studie mit 163
Männern, in der 3 mg Apomorphin mit Plazebo verglichen werden. Bei schwerer erektiler Dysfunktion unterscheiden sich die Erfolgsraten allerdings
nicht.3 Vergleiche mit Sildenafil fehlen.
VERTRÄGLICHKEIT: Bis zu 10% der Anwender setzen das Mittel wegen Störwirkungen ab. Unter 2 mg bis 4 mg Apomorphin leiden
30% der Männer an Übelkeit, unter 6 mg 49%.2 Bis 13% der Studienteilnehmer erbrechen. Dosisabhängig kommt es zu Schwindel (2% bis 23%),
Schwitzen (1% bis 21%) und Müdigkeit (1% bis 17%).4 21% der Männer klagen über Kopfschmerzen.2 Die Sublingualtablette kann
die Mundschleimhaut schädigen (bis 2%).4
Häufig fällt der Blutdruck ab (bei bis 7%). Wegen Synkopen (bis 4%) müssen mehrere Männer stationär behandelt werden, ein Patient
erleidet durch Sturz einen Schädelbruch. Gleichzeitiger Alkoholkonsum scheint das Risiko für Blutdruckabfall mindestens zu verdoppeln.4
Untersuchungen zu Wechselwirkungen mit Sildenafil oder anderen blutdrucksenkenden Arzneimitteln sind nicht veröffentlicht. Hinreichende Daten zur
Sicherheit bei Risikopatienten fehlen.
Wegen negativer Nutzen-Schaden-Bilanz interveniert die US-amerikanische Verbraucherorganisation Public Citizen4 bei der amerikanischen
Arzneimittelbehörde FDA, und der Hersteller zieht den dortigen Zulassungsantrag einstweilen zurück. Weitere Daten zu Wirksamkeit und
Verträglichkeit sollen nachgereicht werden.5 Die europäische Arzneimittelagentur EMEA gibt sich offenbar mit den vorhandenen unzureichenden
Daten zufrieden.
Der Nutzen des Dopaminagonisten Apomorphin (IXENSE, UPRIMA) bei erektiler
Dysfunktion ist unklar. Selbst Männer mit leichter bis mäßiger Funktionsstörung profitieren von 3 mg Apomorphin nur zu 17% mehr als von
Plazebo (60% vs. 43%).
Schwerwiegende Störwirkungen wie Blutdruckabfall und Synkope treten selbst
unter restriktiven Studienbedingungen häufig auf und gefährden die Anwender. Wie Alkohol, Rauchen und Komedikation unter Alltagsbedingungen die
Risiken beeinflussen, ist nicht geprüft.
Ein Potenzmittel, das bis zu jeden sechsten bzw. achten Mann erbrechen bzw.
ermüden lässt, erscheint uns für den erwünschten Zweck ungeeignet.
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