Seit September ist Minoxidil 5% (REGAINE) auch in Deutschland zur lokalen Behandlung des androgenetischen Haarausfalls zugelassen. Der
ursprünglich als Hochdruckmittel entwickelte Vasodilatator (LONOLOX) ist in vielen Ländern bereits seit Jahren als Externum erhältlich. Die
Erstzulassung erfolgte 1986 als 2%ige und 1993 als 5%ige Lösung.1
Von "messbar dichterem Haar" spricht die Ärzte Zeitung.2 Doch "messbar" bedeutet nicht unbedingt "sichtbar", wie
ein Blick in die Fachinformation3 lehrt: Ein "kosmetisch befriedigendes Resultat" ist demnach "nur bei wenigen Patienten" zu
erwarten.3 Zugelassen ist das Mittel ohnehin nur für dunkelhaarige Männer zwischen 18 und 49 Jahren mit anlagebedingter Alopezie im
Scheitelbereich.3 Gegen Glatzenbildung im Schläfenbereich ("Geheimratsecken") hilft es dagegen offenbar nicht.4 Im Gegensatz
zu Österreich, der Schweiz, den USA u.a. ist topisches Minoxidil in Deutschland bei Frauen kontraindiziert, vor allem wegen Hypertrichose.3
WIRKSAMKEIT: Wie Minoxidil den Haarwuchs fördern soll, ist nicht bekannt. Die meisten Studien wurden mit 2- oder 3%iger Lösung
durchgeführt. Die veröffentlichten Daten zu Minoxidil 5% sind dagegen spärlich: Von 36 Teilnehmern einer kleinen Studie wenden lediglich 9 das
Mittel in dieser Konzentration an. Soweit aus den nur grafisch dargestellten Ergebnissen erkennbar, nimmt die Zahl der Haare um maximal 36/1,34 cm2 zu, unter
Plazebo um maximal 14 Haare.5 Die Aussagekraft des in dieser Untersuchung ebenfalls bestimmten Haargewichts bleibt offen.
In drei unveröffentlichten Studien nimmt die Zahl der Haare/cm2 unter Minoxidil 5% um durchschnittlich 19 bis 39 zu im Vergleich zu 4 bis 5 Haaren/cm2 unter
Plazebo.1,6 Dies entspricht einem Haarzuwachs von 4% bis 8% der normalen Dichte an Haarfollikeln von 500/cm2.4 Dass dieses Resultat
kosmetisch befriedigt, ist kaum vorstellbar. Nach Absetzen lichtet sich das Haar wieder - bisweilen stärker als zu Beginn der Behandlung (a-t 1992; Nr. 10: 100).5 Ein Vergleich mit dem ebenfalls gegen androgenetischen Haarausfall zugelassenen
Finasterid (PROPECIA, a-t 1999; Nr. 2: 22-3) fehlt.
SICHERHEIT: Nach unveröffentlichten Daten von 371 Patienten aus klinischen Studien ist vor allem mit örtlichen Störwirkungen (7%) wie
Juckreiz, Schuppung und (Kontakt-)Dermatitis sowie mit Kopfschmerz (4%) und Schwindel (1%) zu rechnen.6 Herz-Kreislauf-Effekte wurden demnach nicht
beobachtet. Der Hersteller beruft sich auch auf eine Anwendungsbeobachtung an über 11.000 Patienten, die diese Erkenntnisse erhärten soll.6
Dass die per Telefoninterview befragten Teilnehmer lediglich die 2%ige Lösung gebraucht haben, wird verschleiert.
Bereits für 2%iges Minoxidil sind aber systemische Effekte beschrieben, zum Beispiel Flüssigkeitsretention, Zunahme von Frequenz und Schlagvolumen
des Herzens sowie der linksventrikulären Masse und mögliche Todesfälle (a-t 1997; Nr. 12:
126).7 In einer Untersuchung mit 2.326 Personen erleiden 42 (2%) während des Gebrauchs von 2- oder 3%igem Minoxidil kardiovaskuläre
Ereignisse wie Brustschmerz, Blutdruckabfall und Herzinfarkt, unter Scheinmedikament dagegen nur 2 Personen.8
Systematische Erfahrungen bei Patienten mit Bluthochdruck fehlen, ebenso Langzeitdaten zur Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Anwendern im
Vergleich zu Nichtanwendern.7
KOSTEN: Die zweimal tägliche Anwendung von 1 ml Minoxidil 5% (REGAINE) kostet im Monat 83 DM und ist damit rund 25% preiswerter als die
Einnahme einer Tablette Finasterid (PROPECIA, 115 DM/Monat).
FAZIT: Der haarwuchsfördernde Effekt der 5%igen Minoxidil-Lösung (REGAINE) ist marginal und geht nach Absetzen verloren. Die Zulassung gilt
lediglich für dunkelhaarige Männer im Alter von 18 bis 49 Jahren. Angesichts ungeklärter kardiovaskulärer Risiken und des unbefriedigenden
kosmetischen Resultats halten wir den Gebrauch durch gesunde Männer für ein nicht vertretbares Luxusrisiko.
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