Seit August bietet Chiron-Behring den Grippeimpfstoff FLUAD an. Er soll stärker immunogen wirken als herkömmliche Vakzinen und so den
Impfschutz verbessern. Zu diesem Zweck sind die Virusantigene, die mit denen der anderen Impfstoffe dieser Saison übereinstimmen, in eine Öl-in-
Wasser-Emulsion (MF-59) eingebracht. FLUAD wurde im "Verfahren der gegenseitigen Anerkennung" in elf Ländern der Europäischen Union
zugelassen (Referenzland Italien).1
Drei klinische Studien sind veröffentlicht,2-4 in denen die Immunantwort auf FLUAD mit der Antikörperreaktion auf einen
konventionellen Impfstoff verglichen wird. In einer Untersuchung mit 211 mindestens 65 Jahre alten Teilnehmern liegen die durchschnittlichen Antikörpertiter 28
Tage nach Injektion unter der Neuerung deutlich höher als in der Kontrollgruppe. Auch die Zahl der Patienten, bei denen ein Titeranstieg auf mindestens das
Vierfache beziehungsweise auf mindestens 128 erzielt wird, ist höher. Allerdings betrifft dies nur jeweils zwei von drei Antigenen.2 Zu ähnlichen
Ergebnissen kommt eine weitere, etwa gleich große Studie.3 Eine kleinere Untersuchung4 bleibt ohne statistische Aussagekraft. Alle drei Studien
haben z.T. erhebliche methodische Mängel.
Ob sich die höheren Antikörpertiter klinisch auswirken und FLUAD besser vor Virusgrippe und ihren Komplikationen schützt als andere Impfstoffe, ist
nicht bekannt. Dies gilt auch für den in der Werbung behaupteten "erweiterten Schutz"5 bei Stammveränderung während der
Saison (Antigen-Drift). Die Angaben im Kurzreferat eines Firmenmitarbeiters über unveröffentlichte Studien6 lassen sich nicht
überprüfen. Den EU-Ländern Großbritannien, Finnland und Niederlande reichen die vorgelegten Daten nicht aus. Sie haben die italienische
Zulassung nicht anerkannt.1 "Diese Länder haben für den Impfstoff sog. Effizienzdaten angefordert, die nicht Bestandteil
des Kataloges der Anforderungen sind, die gewöhnlich einer Zulassung zu Grunde liegen", so die seltsame Begründung des Herstellers Chiron
Behring auf Anfrage.7
Impfreaktionen kommen öfter vor als unter konventionellem Impfstoff. Lokal verursacht die Vakzine häufiger Schmerzen,
Rötungen und Verhärtungen, systemisch kommen Kopf- und Muskelschmerzen sowie Krankheitsgefühl häufiger vor.2,4 Zur
Klärung der Frage, ob auch seltene schwere Impfreaktionen begünstigt werden, reichen die veröffentlichten Daten nicht aus.
FAZIT: Der neue Influenza ("Grippe")-Impfstoff FLUAD scheint höhere Antikörpertiter zu erzeugen als herkömmliche Impfstoffe, gleichzeitig
aber auch häufiger unerwünschte Reaktionen zu verursachen. Klinische Vorteile im Sinne geringerer Erkrankungsraten oder Sterblichkeit sind nicht
belegt. Mehrere EU-Länder haben die Zulassung auf der derzeitigen Datenbasis abgelehnt. FLUAD verteuert die Prophylaxe in Deutschland um 30% bis 40%,
in Österreich um bis zu 80%.
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