In wenigen Tagen kommt die "Pille gegen das Rauchen"1 auch hierzulande auf den Markt. Presseberichte und Werbung im Internet
wie "100% garantiert Nichtraucher"2 stimulieren die Nachfrage. In den USA dient Bupropion bereits seit 1997 zur Raucherentwöhnung und
seit über zehn Jahren unter dem Namen WELLBUTRIN in gleicher Dosierung als Antidepressivum, allerdings mit so geringem Erfolg, dass der Hersteller von
einer Vermarktung für diese Indikation in anderen Ländern abgesehen hat.
EIGENSCHAFTEN: Bupropion (=Amfebutamon) ist chemisch nicht mit anderen Antidepressiva verwandt, sondern mit dem als
Appetithemmer vermarkteten Amfetamin-Abkömmling Amfepramon (REGENON). Bupropion hemmt die Wiederaufnahme von Noradrenalin, Dopamin und
Serotonin vergleichsweise schwach. Wie es zur Nikotinentwöhnung beitragen soll, ist unbekannt.3 Das Verlangen nach Zigaretten (Craving) wird in
zwei von drei Studien nicht beeinflusst.4-6 Auch der Rauchgenuss nimmt nicht ab.6
WIRKSAMKEIT: Zwei plazebokontrollierte Studien4,5 mit über 1.500 Personen, die täglich durchschnittlich 26 Zigaretten geraucht
haben, hochmotiviert sind aufzuhören und bereits mehrere Entwöhnungsversuche hinter sich haben, liegen vollständig veröffentlicht vor. Die
jeweils einjährige Studiendauer besteht aus mehrwöchiger Einnahme von Bupropion, gefolgt von einer Nachbeobachtungsphase. Alle Teilnehmer erhalten
zusätzlich verhaltenstherapeutische Hilfe. Rauchstopp ist für den achten Einnahmetag vorgesehen.
In einer Dosisfindungsstudie4 nehmen 615 Personen sieben Wochen lang zweimal täglich 50 mg, 75 mg oder 150 mg* Bupropion oder
Scheinmedikament ein. In der zweiten Untersuchung5 werden neun Wochen lang zweimal täglich 150 mg* Bupropion allein oder in Kombination mit
Nikotinpflaster (absteigend von 21 mg auf 7 mg Nikotin/Tag) gegen entsprechende Plazebos bei 893 Rauchern verglichen.
Als Maß des Nutzens dienen so genannte punktuelle Abstinenzraten: Während bzw. am Ende der aktiven Behandlung, nach sechs sowie nach
zwölf Monaten wird der Anteil der Teilnehmer ermittelt, der auf Befragen angibt, die letzten sieben Tage nicht geraucht zu haben. Überprüft werden
die Aussagen mit einem Atemtest, der den Kohlenmonoxidgehalt bei Expiration misst, mit dem sich Zigarettenkonsum jedoch nur in den letzten 24 Stunden erkennen
lässt.7 Nach sechs Monaten geben in der 300-mg-Bupropion-Gruppe 27%4 bzw. 35%5 an, in der letzten Woche nicht geraucht zu
haben (Plazebo 16%4 bzw. 19%5). Nach zwölf Monaten sind es 23%4 bzw. 30%5 (Plazebo 12%4 bzw.
16%5). Hinweise auf einen Vorteil von täglich 300 mg Bupropion gegenüber 150 mg finden wir nicht. Die Kombination von Bupropion und Pflaster
bringt keinen zusätzlichen Nutzen.5
Entscheidend für den tatsächlichen Nutzen einer "Anti-Raucher-Pille" sind jedoch langfristige, kontinuierliche Abstinenzraten, also die
Zahl der Nikotinsüchtigen, die mindestens sechs oder zwölf Monate lang ununterbrochen nicht rauchen. Nachvollziehbare Daten hierzu fehlen. In einem
Leserbrief zur Dosisfindungsstudie4 wird ein Firmenmitarbeiter mit der Aussage zitiert, nach Daten, die der amerikanischen Arzneimittelbehörde
überlassen wurden, unterscheide sich der Anteil der kontinuierlich Enthaltsamen nach einem Jahr nicht von Plazebo (13% vs. 10%).8 Die Autoren der
Studie räumen daraufhin ein, dass ein die Einnahme überdauernder Effekt nicht besteht.9 In der zweiten Studie sind langfristige Abstinenzraten
nicht als Endpunkt definiert. Nach bislang nur auf einem Kongress vorgestellten Daten soll auch die kontinuierliche Einnahme von Bupropion für ein Jahr keinen
langfristigen Nutzen bringen.7
Auch für die Behauptung, unter Bupropion komme es nicht zu einer wesentlichen Gewichtszunahme,10 fehlen Belege: Zwar
fällt die durchschnittliche Zunahme des Körpergewichts im Vergleich zu Scheinmedikament während der Einnahme in einer der beiden Studien
geringer aus (1,5 kg versus 2,9 kg).4 Spätestens nach Ende der aktiven Behandlung lässt sich jedoch kein Unterschied mehr
nachweisen.4,5
VERTRÄGLICHKEIT: Bis zu 12% der Studienteilnehmer brechen die Einnahme wegen Störeffekten ab.5 Am häufigsten wird über
Schlaflosigkeit (bis 42%) und Mundtrockenheit (bis 13%) geklagt. Schwerer behandlungsbedürftiger Hautausschlag mit Juckreiz, auch begleitet von
Atembeschwerden und Engegefühl in der Brust, kommt vor, ebenso eine Panikattacke und ein plötzlicher Herztod.4,5 Für Patienten nach
Herzinfarkt oder mit instabiler Angina pectoris fehlen Daten zur Sicherheit.10
Bupropion kann dosisabhängig Krampfanfälle auslösen. 300 mg/Tag dürfen daher nicht überschritten werden.3 Personen mit
Krämpfen in Eigen- oder Familienanamnese, früherem Schädeltrauma, Schlaganfall, Hirntumor, Alkoholabhängigkeit (auch in der Vorgeschichte)
u.a. waren von den Studien ausgeschlossen. Weitere Risikofaktoren, die die Krampfschwelle senken, sind medikamentös behandelter Diabetes mellitus sowie
die Einnahme von Antidepressiva, Antipsychotika, Theophyllin (EUPHYLONG u.a.), Steroiden u.a.3
Die kanadische Arzneimittelbehörde dokumentiert 13 Monate nach Markteinführung von Bupropion 407 Berichte über Störwirkungen, davon
256 (63%) schwerwiegende. Drei Personen sterben an Herzinfarkt oder -stillstand, sieben weitere erleiden eine nicht tödliche Herzattacke. 64 Berichte betreffen
Krampfanfälle inklusive Grand mal und Status epilepticus. Bei jedem Zweiten lassen sich keine Risikofaktoren für einen epileptischen Anfall erkennen.
Auffällig ist auch die hohe Zahl allergischer Reaktionen (163 Berichte) einschließlich Serumkrankheit.11 Aus anderen Ländern kommen
ebenfalls Berichte über die Typ-III-Immunreaktion mit zirkulierenden Immunkomplexen, Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen, Lymphknotenschwellung und
Proteinurie. Unter den psychiatrischen Reaktionen (52 Berichte) fallen Suizidgedanken und -versuch auf.11 Von einem Missbrauchspotenzial ist
auszugehen.3 Aufgrund der Erfahrungen der Kanadier werden weitere Studien zum Stellenwert von Bupropion für die Raucherentwöhnung
gefordert und eine zurückhaltende Verordnung angemahnt.12
Im NETZWERK dokumentieren wir zwei amfetamintypische Berichte über starke Unruhe, begleitet von Halluzinationen bzw. Angstattacken,
Depersonalisierungsgefühl und Selbstmordgedanken (Berichte 10.465, 10.648).
KOSTEN: Wieder einmal wird deutlich, dass der Preis eines Arzneimittels sich nicht an den Entwicklungskosten misst: Für die Tagesdosis von 300 mg
Bupropion muss der Entwöhnungswillige - Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht - 5 DM aufwenden - so viel wie für eine Schachtel
Zigaretten. Nikotinpflaster kosten etwa gleich viel (NICOTINELL TTS 30: 5,20 DM; NIKOFRENON: 4,77 DM für täglich 21 mg).
FAZIT: Wem nutzt ein "Nikotinentwöhnungsmittel", das zwar die Zahl derer erhöht, die vor einem gegebenen Untersuchungstermin für
ein paar Tage die Finger von Zigaretten lassen, sich mittel- und langfristig aber nicht von Scheinbehandlung unterscheidet? Angesichts der Datenlage bleibt es uns
ein Rätsel, wieso die Amfetaminvariante Bupropion (ZYBAN) überhaupt zugelassen wurde.
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