Nach einem Bericht im Fernsehen soll dieses Jahr ein Arzneistoff zur Hemmung des Tumornekrosefaktors gegen Rheuma zugelassen
werden. Können Sie mir hierzu schon Informationen geben?
T. WEINHOLD (Apotheker)
D-45527 Hattingen
Anfang Februar hat die Europäische Arzneimittelbehörde Etanercept (USA: ENBREL), einen löslichen Rezeptor des Tumornekrosefaktors, als
Mittel der Reserve zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis nach Versagen anderer Basistherapeutika einschließlich Methotrexat (LANTAREL u.a.)
zugelassen. Tumornekrosefaktor (TNF) ist eines der Zytokine, die den Entzündungsprozess bei dieser Krankheit unterhalten. Etanercept soll zirkulierenden TNF
binden und so die Intensität der Entzündung dämpfen. Es muss zweimal wöchentlich subkutan injiziert werden. Die Halbwertszeit beträgt
drei Tage.1 Ein monoklonaler Antikörper gegen TNF, Infliximab (USA: REMICADE; a-t 1999; Nr. 1: 17-
8), ist in den USA zur Therapie des Morbus CROHN und der rheumatoiden Arthritis zugelassen, in Europa bisher nur bei M. CROHN.
Eine Phase-III-Studie mit zweimal wöchentlich 10 mg beziehungsweise 25 mg Etanercept bei 234 Patienten, die auf bis zu vier andere Basismittel zuvor
unzureichend angesprochen haben, ist vollständig veröffentlicht. Innerhalb von sechs Monaten erreichen unter 25 mg 59% der Patienten eine 20%ige
(ACR* 20) und 40% eine 50%ige (ACR 50) Besserung. Unter Plazebo sind dies 11% und 5%. Die Anwendung von Begleitmedikamenten ist nicht gleich verteilt: Unter
25 mg Etanercept nehmen 81% zusätzlich Kortikosteroide ein, unter Plazebo 58%. Design, Durchführung und Publikation der Studie werden vom Sponsor
(Immunex) koordiniert.2
In einer kleineren Studie wird der Nutzen von Etanercept (25 mg 2 x/Woche) plus Methotrexat (12,5 mg bis 25 mg 1 x/Woche) mit Methotrexat allein verglichen. Die
89 Teilnehmer haben das herkömmliche Basistherapeutikum zuvor durchschnittlich drei bis fünf Jahre eingenommen. Die Kombination ist der
Monotherapie mit einer ACR 20 bei 71% versus 27% und einer ACR 50 bei 39% vs. 3% deutlich überlegen.3 Daten zum Einfluss auf den
Krankheitsverlauf, zum direkten Vergleich Etanercept und Methotrexat sowie bei Kindern liegen nicht veröffentlicht vor.
Am häufigsten verursacht Etanercept Hautreaktionen an der Einstichstelle (37%).1 33% erleiden Infektionen der oberen
Atemwege.2 Gefürchtete Anwendungsfolge des immunsuppressiv wirkenden Mittels sind schwere Infektionen. Im ersten halben Jahr nach
Markteinführung in den USA entwickelten 30 von 25.000 Anwendern schwere Infektionen (1:830). Sechs Patienten starben (1:4.160), einige trotz sofortiger
medizinischer Intervention. Seither zählt nicht nur Sepsis, sondern jede aktive Infektion einschließlich chronischer und lokalisierter Infektion zu den
Kontraindikationen. Vorsicht ist bei wiederholten Infektionen in der Vorgeschichte sowie bei besonderer Prädisposition wie Diabetes mellitus geboten. Denkbar
sind auch Autoimmunerkrankungen und Malignome, wie sie unter Infliximab beobachtet werden. Vermehrte Bildung von Autoantikörpern (bis 15%)
unter Etanercept ist beschrieben. Hinreichende Langzeitdaten fehlen.4,5
Etanercept verursacht erhebliche Mehrkosten. Derzeit muss das Mittel noch importiert werden für 1.387 DM für vier Spritzen zu 25 mg. Somit
entstehen pro Patient Jahreskosten von 36.000 DM, 150- bis 190-mal mehr als für Methotrexat, das Standardmittel bei schwerer rheumatoider Arthritis (a-t 1997; Nr. 3: 29-32): 185 DM bis 234 DM/Jahr bei wöchentlicher Dosis im oberen Bereich von 20 mg.
FAZIT: Bei Etanercept (USA: ENBREL) handelt es sich um einen löslichen Rezeptor des Tumornekrosefaktors. Er ist seit kurzem in Europa zur Behandlung
der rheumatoiden Arthritis zugelassen (jedoch noch nicht im Handel), wenn andere Basismittel einschließlich Methotrexat (LANTAREL u.a.) versagen.
Etanercept kann bei einem Teil dieser Patienten noch Besserung erzielen. Erfahrungen mit dem Hemmstoff sind jedoch gering, Risiken, insbesondere die
Infektionsgefahr, beträchtlich und Kosten immens. Etanercept ist daher Mittel der letzten Reserve.
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ACR = American College of Rheumatology. Die ACR hat die hier zu Grunde gelegten Kriterien für die
Ansprechrate entwickelt.
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