Während weltweit die zunehmende Resistenzentwicklung bei breiter Verordnung von Gyrasehemmern Besorgnis erregt und in Dänemark
diese Antibiotika daher nur noch im Ausnahmefall erstattet werden (a-t 8 [1999], 87), lässt das Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte erneut einen Gyrasehemmer als Erstwahlmittel für Atemwegsinfekte in der ambulanten Praxis zu (Werbung: "Das
Atemwegs-Antibiotikum von Bayer"1).
Moxifloxacin (AVALOX) hat ein breiteres Wirkspektrum im grampositiven Bereich als ältere Vertreter dieser Wirkgruppe, die nicht zur Behandlung von
Pneumokokkeninfektionen zugelassen sind, und ist wie Penizilline gegen Anaerobier aktiv. Einen therapeutischen Fortschritt bietet es nicht. In
unveröffentlichten kontrollierten Studien mit insgesamt 8.000 Patienten soll es bei ambulant erworbener Pneumonie, akuter Exazerbation einer
chronischen Bronchitis und akuter Sinusitis ähnlich wirken wie Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.), Clarithromycin (KLACID) oder Cefuroximaxetil (ELOBACT,
ZINNAT).2
Mit Gyrasehemmer-typischen Störwirkungen, insbesondere zentralnervösen Effekten, ist zu rechnen. Moxifloxacin kann das QT-Intervall im EKG
verlängern. Bei gefährdeten Patienten, z.B. mit angeborener QT-Verlängerung, ist das Antibiotikum kontraindiziert. Gleichzeitige Einnahme von
Arzneimitteln mit zwei- oder dreiwertigen Kationen, zum Beispiel Antazida, beieinträchtigt die Aufnahme ins Blut. Zwischen Einnahme von Gyrasehemmer und
Antazidum sollen etwa sechs Stunden verstreichen.3
Die Fachinformation konstatiert zu Recht, dass sich das Nebenwirkungsprofil derzeit nicht abschließend bewerten lässt. Der Passus wurde
möglicherweise auf Grund der Erfahrungen mit Trovafloxacin (TROVAN) aufgenommen. Dieser Gyrasehemmer musste ein Jahr nach Markteinführung
wegen schwerer Leberschäden aus dem Handel gezogen werden (a-t 7 [1999], 77).
Moxifloxacin verteuert die Behandlung ambulant erworbener Atemwegsinfekte gegenüber preiswerten Standardmitteln auf das Zwei- bis Dreifache,
gegenüber einem Doxycyclin-Generikum sogar auf das 30-fache. Es wird allerdings um 30% bis 60% günstiger angeboten als Reservemittel wie
Cephalosporine oder Amoxicillin plus Clavulansäure (AUGMENTAN).
FAZIT: Ein Gyrasehemmer wie Moxifloxacin (AVALOX) hat keinen Platz als Erstwahlmittel bei ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen. Dies gilt auch
dann, wenn er für diese Indikationen zugelassen ist und im grampositiven Bereich zuverlässiger wirkt als ältere Vertreter. Es gibt keinen Bedarf, da
Standardantibiotika gut wirken. Moxifloxacin treibt die Behandlungskosten in die Höhe. Durch Resistenzentwicklung bei breiter Verordnung würden
Gyrasehemmer ohne Not als Reservemittel unbrauchbar. Eine Veröffentlichung bestätigt soeben erneut zunehmende Pneumokokkenresistenzen gegen
Gyrasehemmer.4
1 | Bayer: Werbung für AVALOX, Ärzte Ztg. vom 6. Sept. 1999 |
2 | Scrip 2415 (1999), 25 |
3 | Bayer: Fachinformation AVALOX, Stand Juni 1999 |
4 | CHEN, D. K. et al.: N. Engl. J. Med. 341 (1999), 233 |
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