...Einige Ihrer Empfehlungen (a-t 10 [1998], 88) stehen in keinem Zusammenhang mit der
UKPDS. Dies gilt für Aussagen wie "Wegen möglicher kardiotoxischer Effekte von Sulfonylharnstoffen empfiehlt es sich, bei koronarer
Herzerkrankung nur Insulin zu verwenden." ... "Da die Kombination von Sulfonylharnstoffen mit Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) die Sterblichkeit steigert,
ist bei unzureichender Kontrolle durch orale Antidiabetika ... Insulin zu bevorzugen." Eine der Hauptaussagen der Autoren der UKPDS war, dass zur Erhaltung
einer guten Einstellung "polypharmacy" notwendig ist und nicht, dass, wenn eine gute Einstellung mit Sulfonylharnstoffen allein nicht gelingt, sofort Insulin
zu geben sei, wie das Therapieschema angibt...
In Bezug auf den Blutdruck schreibt das a-t, dass für eine gute Einstellung mehrere Hochdruckmittel nötig sind und zitiert, dass sich in anderen
Interventionsstudien gezeigt hätte, dass auch ältere Diabetiker von einer Blutdrucksenkung profitieren. Im Sinne einer "knowledge-based
medicine" kann man durchaus davon ausgehen, dass man ältere Menschen über dem 60. Lebensjahr nicht von einer Blutzuckereinstellung - z.B.
durch "polypharmacy" - auszuschließen hat, zumal in der UKPDS neu manifestierte Typ-2-Diabetiker bis zu diesem Alter eingeschlossen wurden, die
anschließend durchschnittlich ein Jahrzehnt lang behandelt wurden. Ebenso wenig findet sich in den Ergebnissen der UKPDS ein Beleg für die letzte
Aussage "Kalziumantagonisten sollen nach Möglichkeit nicht verwendet werden", denn retardiertes Nifedipin (ADALAT u.a.) war Bestandteil des
Stufenprotokolls bei Nichterreichen der Blutdruckzielwerte in beiden Therapiearmen. Das a-t beschreibt auch nicht, dass die Rate an "Nicht-Compliance"
unter Betablockertherapie mit 125 Patienten (35%) signifikant höher war als unter ACE-Hemmer-Therapie (88 Patienten; 22%)...
Prof. Dr. med. H. SCHATZ, Prof. Dr. med. R. G. BRETZEL
Deutsche Diabetes-Gesellschaft
D-44789 Bochum
Die in a-t 10 (1998), 88 ausgesprochenen Empfehlungen beruhen auf der bis dahin publizierten Literatur und nicht
nur auf den UKPDS-Daten. Der mit der UGDP* erstmals aufgekommene Verdacht auf kardiotoxische Effekte der Sulfonylharnstoffe (a-t 4 [1997], 41; 8 [1997], 85) wird durch die neue Studie nicht direkt
bestätigt. Sie kann ihn wegen der Art des Studiendesigns jedoch auch nicht ausräumen. Aus der neuen Erkenntnis, dass die Kombination von
Sulfonylharnstoffen mit Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) die Gesamtmortalität signifikant und klinisch bedeutsam steigert, wird man Konsequenzen für die
Praxis ziehen müssen: Die Wahrscheinlichkeit, dass die tödliche Wirkung dieser "polypharmacy" ein Zufall ist, beträgt nur 4%.
Ähnliche Ergebnisse erbrachte die Auswertung von US-Studien durch INNERFIELD (a-t 7 [1996], 72). Weitere
Studien, die eine neutrale oder gar positive Wirksamkeit dieser Kombination belegen, gibt es nicht.
Die günstigen Effekte der Kombination mehrerer Hochdruckmittel und der Nutzen der Blutdrucksenkung auch bei älteren Menschen sind nicht auf die
pathologisch und pharmakologisch ganz andere Situation bei der Blutzuckersenkung übertragbar. Die Empfehlung, Kalziumantagonisten bei Patienten
mit Diabetes und Bluthochdruck zurückhaltend anzuwenden, haben wir ausführlich diskutiert (a-t 4 [1998],
44). Die UKPDS bietet keinen Vergleich von Nifedipin (ADALAT u.a.) mit anderen Hochdruckmitteln. Nur so ließen sich die zitierten Bedenken
entkräften (oder bestätigen).
Die UKPDS war nach der Randomisierung eine offene Studie. Ärzte und Patienten kannten die jeweilige Intervention. Da Ärzte dazu neigen,
Betablocker bei Diabetikern ohne Grund abzusetzen,1 war die höhere Abbruchquote in diesem Studienarm vorhersehbar. Das Vorenthalten
eines angebrachten Betablockers verdoppelt die Mortalität von Patienten mit Diabetes.2 Der günstige Effekt dieser Hochdruckmittel wird daher in
der UKPDS sehr wahrscheinlich unterschätzt, -Red.
1 SAWICKI, P. T.: Nephrol. Dial. Transplant. 12 (1997), 1890
2 JONAS, M. et al.: Am. J. Cardiol. 77 (1996), 1273
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UKPDS: United Kingdom Prospective Diabetes Study; UGDP: University Group Diabetes
Program
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