Erbitte Infos zu VIAGRA (Sildenafil, -Red.) als "Potenzmittel".
Dr. med. R. BEITZEN (Arzt f. Allgemeinmedizin)
D-53721 Siegburg-Kaldauen
Die Börse reagierte prompt. Mit Zulassung von VIAGRA in den USA im März schnellten die Aktien von Pfizer Inc. in die Höhe. Das Marktpotential
erscheint enorm: Etwa jeder zehnte erwachsene Mann soll keine Erektion erreichen oder aufrechterhalten können, bedingt durch psychische Belastungen,
Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Bluthochdruck, Rückenmarksläsionen, Prostataoperationen u.a. Bisher standen Injektion oder Pellet-Applikation
vasoaktiver Substanzen wie Alprostadil (CAVERJECT, MUSE; a-t 1 [1997], 14) im Vordergrund. Der angebliche
Nutzen einer Vasodilatatoren-haltigen Creme (a-t 7 [1996], 71) hält einer Nachprüfung nicht stand.1
Pfizer hofft auf Markteinführung des ersten per os einzunehmenden erektionsfördernden Mittels VIAGRA Ende des Jahres auch in
Europa.2
Nach sexueller Stimulation freigesetztes Stickstoffmonoxid aktiviert zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP), welches Schwellkörpergefäße des
Penis erweitert. Sildenafil verhindert über Hemmung der - so der Hersteller - "penisspezifischen"3 Phosphodiesterase (PDE) Typ 5 den
Abbau dieses Botenstoffs und verstärkt und verlängert Vasodilatation und Erektion. Ohne sexuelle Stimulation bleibt ein Effekt aus. Zentral vermittelte
sexuelle Erregbarkeit oder Libido bleiben unbeeinflusst. Sildenafil hemmt nicht nur die PDE 5. Etwa zehnmal schwächer wird auch die PDE 6, die z.B. in der
Retina vorkommt, blockiert. Wahrscheinlich liegt hierin die Ursache für die aus Tierversuch und Klinik bekannten Funktionsstörungen der
Netzhaut.
Ursprünglich wurde der Vasodilatator Sildenafil als Angina-pectoris-Mittel erprobt. Die dabei aufgefallene Nebenwirkung - Zunahme von Erektionen - wurde zur
Indikation. Aussagekräftige Studien sind bislang nicht veröffentlicht. Nach mehreren, lediglich auf Kongressen vorgestellten
Untersuchungen an Männern mit erektiler Dysfunktion verschiedener Ursachen sollen 25 mg bis 100 mg Sildenafil, eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr
eingenommen, dosisabhängig bei etwa 60% bis 80% der Betroffenen die Erektion verbessern, Scheinmedikament bei 20% bis 30%.4-6 Diabetiker und
Patienten nach radikaler Prostatektomie sprechen schlechter an (ca. 50%).7
Häufige Störwirkungen sind Kopfschmerzen (bis 19%), Verdauungsstörungen (bis 14%), Sehstörungen (bis 11%,
verschwommenes Sehen, beeinträchtigte Farbwahrnehmung, blaue Schleier für einige Stunden, Lichtempfindlichkeit u.a.),8 Flush (bis 9%),
Muskelverspannungen (7%) und Durchfall (bis 5%).6,9 Photosensibilisierung, Anämie und Leukopenie, Hypoglykämie, Tremor, Vertigo,
Depression, Tinnitus, Nykturie und Orgasmusstörung sind beschrieben, sowie Herz-Kreislauf-Effekte einschließlich Angina pectoris, AV-Block,
Herzstillstand, Synkope, Zerebralthrombose und Migräne.10 Bis zu 5% scheiden wegen unerwünschter Effekte aus Studien aus.4
Wegen der Gefahr des Blutdruckabfalls verbietet sich Sildenafil für Patienten, die Nitrate anwenden.6
FAZIT: Der in den Laienmedien bereits als "Potenzpille" gefeierte Phosphodiesterasehemmer Sildenafil (USA: VIAGRA) könnte als erstes oral
anwendbares Mittel die Behandlung der erektilen Dysfunktion erleichtern. Wie zuverlässig es wirkt, bleibt jenseits des Medienrummels durch
aussagekräftige kontrollierte Studien zu bestätigen. Offen bleibt auch das Störwirkungspotential. Der amerikanische Ophthalmologen-Verband warnt
vor Sehstörungen wie blauen Farbfehlwahrnehmungen, verminderter Sehschärfe u.a. Männer mit Erkrankung der Retina wie Makuladegeneration
oder Retinitis pigmentosa sollen Sildenafil sicherheitshalber nicht verwenden. Der Vasodilatator ist kein Aphrodisiakum und teuer: Mit rund 30 bis 35 DM pro Tablette
(Import nach Verordnung als "Heilversuch", OP zu 30 Tbl.) entspricht das Kostenniveau der Injektion von Alprostadil (CAVERJECT).
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