Die wirksamste medikamentöse Behandlung des Morbus PARKINSON beruht bis heute auf dem vor über 30 Jahren entdeckten Prinzip des
Dopaminersatzes mit Hilfe der Vorstufe Levodopa (in MADOPAR u.a.). Nach anfänglich guter Symptomkontrolle lässt der Nutzen von L-Dopa wegen des
fortschreitenden Verlustes von Neuronen mit der Zeit nach. Die Beweglichkeit schwankt dann im Verlaufe des Tages ("On-off"-Phänomen). Hinzu
kommen als Komplikation unwillkürliche, meist choreoathetotische Bewegungen (Dyskinesien). Nach fünfjähriger L-Dopa-Anwendung leiden 50% bis
80% unter Fluktuationen und/oder Dyskinesien.1
Seit April wird der Dopaminagonist Ropinirol (REQUIP) zur Ergänzung der Behandlung bei nachlassender oder schwankender L-Dopawirkung sowie zur
Monotherapie im Frühstadium der Erkrankung angeboten. Diese soll den Beginn der L-Dopaanwendung und dadurch motorische Spätkomplikationen
hinauszögern.2
EIGENSCHAFTEN: Ropinirol besitzt gewisse Strukturähnlichkeiten mit Dopamin und unterscheidet sich chemisch von der Gruppe der ebenfalls
dopaminergen Mutterkornabkömmlinge vom Typ Bromocriptin (PRAVIDEL u.a.). Es bindet wie die Ergotalkaloide an Dopamin-D2-Rezeptoren, soll aber im
Unterschied zu diesen andere zentrale Neurorezeptoren mit Ausnahme des Opioid-Rezeptors nicht beeinflussen.2
KLINISCHER NUTZEN: Von acht klinischen Studien liegt nur eine kleine Kurzzeituntersuchung vollständig veröffentlicht vor. 46 Patienten mit
Fluktuationen der Beweglichkeit nach mehr als dreijähriger Behandlung mit L-Dopa nehmen während drei Monaten zusätzlich randomisiert entweder
zweimal täglich 0,5 mg bis 4 mg Ropinirol oder Plazebo ein. Basierend auf stündlichen Tagebucheintragungen senkt der Dopaminagonist bei den 35, die
die Studie beenden, "off"-Zeiten im Verlauf des Tages um 50% (von eingangs 47% auf 24%) im Vergleich zu 20% unter Scheinmedikament. Bei
Einbeziehung aller Patienten (Intention-to-treat-Analyse) erreicht der Unterschied jedoch kein Signifikanzniveau.4 Nur in der größeren von zwei
weiteren plazebokontrollierten Add-on-Studien wirkt Ropinirol deutlich besser als das Scheinmedikament. Ein Wirkvorteil gegenüber Bromocriptin findet sich
nicht.2
In Frühstadien soll Ropinirol Parkinson-Symptome besser lindern als Plazebo oder Bromocriptin allein.2 Inwieweit sich die wirksamere L-Dopa-
Therapie2 durch Ropinirol aufschieben lässt und ob sich durch einen eventuellen Aufschub auch Spätkomplikationen verzögern - eine
umstrittene These -, lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht beurteilen. Nach Langzeitstudien mit frühzeitiger L-Dopa-Behandlung scheinen
motorische Fluktuationen mehr von Schwere und Dauer der Erkrankung abzuhängen als von der Therapie.1,5,6
STÖREFFEKTE: Mit den für Dopaminagonisten typischen unerwünschten Wirkungen ist zu rechnen. Während Monotherapie mit
Ropinirol leiden fast 50% unter Übelkeit (Bromocriptin [Br]: 25%), 4% brechen deshalb die Behandlung ab. Herz-Kreislaufeffekte mit orthostatischer Hypotonie,
Synkope und Beinödemen betreffen jeweils 6% bis 7% (Br: 11%, 2%, 2%). Unter Kombination mit L-Dopa herrschen Dyskinesien vor (26%, Br: 21%).
Erwartungen, die höhere Dopamin-D2-Selektivität der Neuerung könne klinisch weniger psychiatrische Störeffekte bedeuten, scheinen sich
nicht zu bestätigen: Halluzinationen kommen in den Verumgruppen bei Mono- und Zusatzbehandlung ebenso oft vor wie in den Bromocriptingruppen (6% vs.
7% und 11% vs. 10%). Ob die unter Mutterkornabkömmlingen beobachteten pleuropulmonalen und retroperitonealen Fibrosen, die auf immunogenen
Vorgängen oder serotonerger Stimulation beruhen könnten, unter Ropinirol nicht zu befürchten sind, lässt sich wegen der kurzen Erprobung
nicht beurteilen.
KOSTEN: Ropinirol (REQUIP) verteuert die Parkinson-Behandlung mit monatlich 404 DM für eine relativ niedrige Tagesdosis von 6 mg um 14%
gegenüber Bromocriptin (PRAVIDEL: monatlich 355 DM für täglich 20 mg), gegenüber Levodopa plus Benserazid sogar um das Dreifache
(MADOPAR: monatlich 123 DM für täglich 625 mg).
FAZIT: Der neu eingeführte, dem Dopamin chemisch nahe stehende Dopaminagonist Ropinirol (REQUIP) bietet als Zusatz zu L-Dopa keinen Vorteil
gegenüber dopaminerg wirkenden Mutterkornalkaloiden wie Bromocriptin (PRAVIDEL u.a.), ist aber deutlich teurer. Für die Annahme, eine
Frühtherapie mit Ropinirol allein könne motorische Spätkomplikationen der Levodopa (in MADOPAR)-Einnahme hinauszögern, fehlen Belege.
Das Spektrum unerwünschter Effekte entspricht mit Magen-Darm- und Herzkreislauf- sowie psychischen Störwirkungen dem anderer
Dopaminagonisten.
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