Gyrasehemmer gelten als Reserveantibiotika - nicht zuletzt wegen unerwünschter Effekte am Zentralnervensystem und rascher
Resistenzentwicklung bei breiter Verordnung. Mit einer für diese Wirkstoffgruppe ungewöhnlichen Nischenindikation und besonders strengen
Anwendungsbeschränkungen kommt jetzt Sparfloxacin (ZAGAM) auf den Markt. Wegen auffällig häufiger phototoxischer Haut- sowie
kardiotoxischer Effekte darf es nur bei radiologisch bestätigter, ambulant erworbener Pneumokokkenpneumonie mit hochgradiger Resistenz gegen Penizillin
(MHK* mindestens 2 mg/l) und andere Erstwahlantibiotika verwendet werden.1
Penizillinresistente Pneumokokken sollen weltweit zunehmen. In Deutschland liegt ihr Anteil jedoch nach wie vor deutlich unter 5%, ebenso wie die Resistenzrate
gegenüber Erythromycin (ERYCINUM u.a.).2
WIRKSAMKEIT: Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin (CIPROBAY) wirken gegen Pneumokokken unzuverlässig und sind daher zur empirischen
Behandlung außerhalb des Krankenhauses erworbener Lungenentzündungen kontraindiziert (a-t 12 [1994], 115). Bei sonst dem Ciprofloxacin
ähnlichen antibakteriellen Spektrum wirkt Sparfloxacin besser im grampositiven Bereich, einschließlich gegen Streptococcus pneumoniae. In klinischen
Studien lassen sich ambulant erworbene Pneumonien mit Sparfloxacin über 7 bis 14 Tage (initial 400 mg, ab zweitem Tag 200 mg) gleich gut behandeln wie mit
Erstwahlmitteln wie Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.), Erythromycin, Roxithromycin (RULID) und Amoxicillin plus Clavulansäure (AUGMENTAN).3,4,5 Bei
über 65jährigen und Patienten, die zuvor erfolglos behandelt wurden, soll die Neuerung ebenso gut abschneiden wie die ungebräuchliche
Kombination aus Amoxicillin plus Ofloxacin (TARIVID).6
STÖRWIRKUNGEN: Schon bei der Erprobung von Sparfloxacin an gesunden Freiwilligen fällt im EKG ein QT-verlängernder Effekt
auf. In klinischen Prüfungen überschreitet die Dauer des Intervalls bei 1,2% der Patienten 500 msec. QT-Verlängerung begünstigt
lebensbedrohliche Kammertachykardien. Herzrhythmusstörungen einschließlich Torsade de pointes sind beschrieben. Sparfloxacin darf nicht bei
vorbestehender QT-Verlängerung und nicht mit anderen QT-verlängernden Arzneimitteln (siehe a-t 6 [1996], 60), insbesondere Antiarrhythmika,
eingenommen werden.1 Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder nach Infarkt halten wir ebenfalls Zurückhaltung für angebracht.
Sparfloxacin ist ein klassisches Beispiel dafür, dass selbst relevante Störwirkungen in der klinischen Erprobung nicht immer richtig eingeschätzt
werden. Nach der Einführung in Frankreich 1994 häuften sich phototoxische Reaktionen. In den Monaten April bis Juli 1995 stieg die Inzidenz
ohne Berücksichtigung einer Dunkelziffer auf bis zu 1:435.7 Bei der Mehrzahl kommt es zu Sonnenbrand mit Hautrötung. 15% erleiden
Verbrennungen zweiten Grades. 8% müssen stationär behandelt werden.8 Mehrfach warnt der französische Anbieter. Anwender sollen bis
zu fünf Tage nach Absetzen jegliches UV-Licht meiden. Andernfalls müssen bedeckende Kleidung und Sonnenbrillen getragen sowie potente, gegen
UVA und B (a-t 7 [1995], 70) wirkende Lichtschutzmittel benutzt werden. Noch Wochen nach Absetzen können Symptome der Phototoxizität auftreten.1
Gyrasehemmertypische Störwirkungen wie zentralnervöse Effekte und Sehnenschäden werden auch unter Sparfloxacin beobachtet.
KOSTEN: Im Vergleich zu Erstwahlmitteln wird Sparfloxacin (ZAGAM) mit 174 DM für einen zehntägigen Behandlungszyklus (1. Tag 400 mg,
dann 200 mg) auf dem Kostenniveau der teuren Amoxicillin-Clavulansäure-Kombination AUGMENTAN (194 DM für dreimal 625 mg/Tag) angeboten. Etwa
ein Drittel ist für eine Behandlung mit Amoxicilllin (AMOXYPEN: 52 DM für täglich 2,25 g) und Erythromycin (ERYTHROCIN: 64 DM für
täglich 2 g) aufzuwenden. Bei Verordnung von Nachfolgepräparaten lassen sich weitere 20% bis 40% einsparen (AMOXI-HEFA: 42 DM, ERYBETA: 38
DM).
FAZIT: Wegen auffällig häufiger und schwerer lichtsensibilisierender Effekte gelten strikte Anwendungsbeschränkungen für das neu
eingeführte Sparfloxacin (ZAGAM). Der Gyrasehemmer darf nur bei ambulant erworbener Pneumokokkenpneumonie angewendet werden, die sich als
hochgradig resistent gegen Erstwahlmittel erweist. Er verteuert die Behandlung bis auf das Vierfache. Da Pneumokokken-Resistenz in Deutschland keine Rolle spielt
und genügend Alternativen verfügbar sind, fällt unsere Nutzen-Risiko-Abwägung negativ aus.
* Mittlere Hemm-Konzentration
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