Wenn nach fast überstandenem Atemwegsinfekt erneut Anzeichen eines Schnupfens auftreten, kann eine Sinusitis die Ursache sein.
Schätzungen zufolge kompliziert die Entzündung der Nasennebenhöhlen bei Kleinkindern jede zehnte bis zwanzigste Infektion der oberen
Luftwege,1 bei Erwachsenen seltener. Am häufigsten sind Kieferhöhlen und Siebbeinzellen betroffen.
Das Flimmerepithel in den vier paarig angelegten Hohlräumen sorgt für den Transport von Schleim und Bakterien zum Ausführungsgang (Ostium).
Durch Infektion und Allergie schwillt die Schleimhaut an und verlegt das Ostium. Sekretstau fördert das Bakterienwachstum. Polypen kennzeichnen den
Endzustand. Auch mechanische Obstruktion, Trauma, hormonelle Faktoren (z.B. Schwangerschaftsödem) und angeborene Erkrankungen wie Mukoviszidose
können den Sekretabfluß erschweren. Eine von zehn Kieferhöhlenentzündungen entsteht durch Fortleitung einer
Zahnwurzelinfektion.4 Trotz enger Nachbarschaft der Nasennebenhöhlen zu Orbita, vorderer und mittlerer Schädelgrube, Hypophyse und Sinus
cavernosus sind Komplikationen wie intrazerebraler Abszeß, Meningitis oder Sinusvenenthrombose selten.
ERREGER: Sieben von zehn akuten Nasennebenhöhlenentzündungen gehen auf Infektion durch Streptococcus pneumoniae und
Hämophilus influenzae zurück,2 jede zehnte auf viralen Infekt.1 Im Kindesalter hat Moraxella catarrhalis Bedeutung. Bei chronischer
Sinusitis lassen sich neben H. influenzae häufig Anaerobier, z.B. Bacteroides, und Staphylococcus aureus nachweisen.2 Auch an dentogenen
Infektionen sind Anaerobier oft beteiligt.3 Bis zu drei von vier AIDS-Patienten erkranken an Sinusitis. Hier können häufig Pseudomonas
aeruginosa oder Pilze isoliert werden.2,4
BESCHWERDEN: Meist im Anschluß an einen Infekt der oberen Luftwege klagen die Betroffenen über erneutes Krankheitsgefühl,
verstopfte Nase mit schleimig-eitrigem Ausfluß und produktiven Husten, der Tag und Nacht anhält.2,3,4 Kopf- oder Gesichtsschmerzen ober- bzw.
unterhalb der Augen verstärken sich beim Bücken.2,4 Fieber kann vorliegen. Kürzerer Verlauf und fehlender Nachweis einer Vereiterung
sprechen für eine seröse Sinusitis.3 Die Abgrenzung kann schwierig sein.
Bei Kindern verläuft eine Nebenhöhlenentzündung oft ohne auffällige Beschwerden.1,4 Ein länger als zehn Tage bestehender
Infekt oder anhaltend hohes Fieber (über 39° C) mit eitrigem Nasenfluß lassen an eine bakterielle Superinfektion denken.1,4 Gelegentlich
bemerken die Eltern ein am Morgen schmerzlos geschwollenes Auge oder Mundgeruch.1,4
Die Hälfte der Patienten mit chronischer Sinusitis leidet an Kopfschmerzen, die drei bis vier Stunden nach dem Aufstehen am stärksten sind und dann
langsam nachlassen.2 Weitere Symptome können ein hartnäckiger Husten, schlechter Geschmack oder anhaltende Laryngitis sein.
DIAGNOSE: Charakteristisch ist ein Klopfschmerz über der Nebenhöhle.3,4 Auch Druck auf die Austrittspunkte der Nervi supra- oder
infraorbitalis ober- bzw. unterhalb der Augenhöhle löst Schmerz aus. Bei der Inspektion mit einem Nasenspekulum, ggf. nach Anwendung lokal
abschwellender Mittel, fällt eine hyperämische, mit Krusten belegte Schleimhaut auf. Bei Allergien ist sie blaß, ödematös und polypös
verändert.2 Eine Eiterstraße im mittleren Nasengang oder Rachen gibt Hinweis auf eine eitrige Sinusitis.2,3
Routinemäßige Röntgenuntersuchungen sind bei akuter Sinusitis sinnlos. Jedes zweite gesunde Kind weist einen "pathologischen"
Befund auf.2 Sinuspunktion und Aspiration für bakteriologische Untersuchungen werden erforderlich, wenn Komplikationen auftreten oder zu
erwarten sind (z.B. Empyem, Immunsuppression), bei starken Schmerzen und Therapieversagern.1,2,4 Im Nasenabstrich finden sich eher Keime der
Nasenflora.5
Die Abklärung einer chronischen Sinusitis gehört in die Hand des Facharztes. Bei nahezu zwei Drittel der Betroffenen läßt sich wenigstens eine
anatomische Variante nachweisen. Endoskopische oder ggf. auch computertomographische Untersuchungen helfen, anatomische oder pathologische
Besonderheiten aufzudecken.2
BEHANDLUNG: Jede zweite akute Sinusitis heilt spontan ab.1,4 Abschwellende Nasentropfen, z.B. Xylometazolin (OTRIVEN u.a.),
unterstützen den Sekretabfluß aus der Nebenhöhle. Wegen der Gefahr einer Rebound-Verstopfung der Nase sind sie nicht länger als eine
(maximal zwei) Wochen anzuwenden. Systemische schleimhautabschwellende Mittel sind nicht angezeigt,2,4 orale Antihistaminika nur bei
Allergikern.1 Dampfinhalationen oder Spülungen mit körperwarmer Kochsalzlösung lindern Beschwerden und lösen
Verkrustungen. Eine örtliche Wärmeanwendung6 z.B. mit Rotlicht ist vor allem subakuten und chronischen Verläufen vorbehalten.
Zuvor ist unbedingt die Nasenschleimhaut abzuschwellen.
Obwohl die bakterielle Genese gesichert ist, bleiben die Erfolgsraten systemischer Antibiotika bei Nasennebenhöhlenentzündungen im Vergleich zu
Plazebo oder alleinigen abschwellenden Maßnahmen mäßig.4 Nur Personen mit eitriger Sinusitis, Fieber und schwerem
Krankheitsgefühl, chronischer Bronchitis oder mehr als fünf Tage anhaltender Erkrankung benötigen 10 bis 14 Tage lang Antibiotika,2,4,5,7
vorzugsweise Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.). In Sonderfällen (Anaerobierbeteiligung, häufige Rückfälle u.a.) kann die Kombination mit einem
Betalaktamasehemmer wie Clavulansäure (AUGMENTAN) angezeigt sein.1,2 Die Kombination deckt auch betalaktamasebildende Moraxellen (50% bis
80%) sowie H. influenzae (2% bis 5%) ab. Bei Penizillinallergie steht Co-trimoxazol (BACTRIM u.a.) zur Wahl,2,3,4 das allerdings wegen Schäden an
Blut, Haut und Leber mit z.T. tödlichem Ausgang (a-t 5 [1994], 47) zunehmend zurückhaltend verordnet
wird. Bei Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) sind H.-influenzae-Resistenzen zu beachten.2,5 Für neuere Oralcefalosporine wie Cefuroxim-Axetil
(ZINNAT u.a.) und Makrolide wie Clarithromycin (KLACID)5 sehen wir keinen Vorteil.
Anhaltende Symptome erfordern die Behandlung nach Antibiogramm.2 Die Beseitigung begünstigender Faktoren wie anatomische
Veränderungen schafft die Voraussetzung, daß die Entzündung ausheilen kann. Hierzu dienen operative Eingriffe wie die
Kieferhöhlenfensterung und zunehmend die endoskopische Sinuschirurgie.2
FAZIT: Die akute Sinusitis tritt vor allem nach Atemwegsinfektionen auf. Jede zweite klingt spontan ab. Abschwellende Nasentropfen unterstützen den
Sekretabfluß aus den paranasalen Hohlräumen. Eitrige Entzündung und schwerer Verlauf rechtfertigen die antibiotische Behandlung vorzugsweise
mit Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.), in Sonderfällen in Kombination mit einem Betalaktamasehemmer wie Clavulansäure (AUGMENTAN). Bei Penizillinallergie
kommen Co-trimoxazol (BACTRIM u.a.) oder Erythromycin (ERYCINUM u.a.) in Betracht.
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