Atypische Mykobakterien wie M. avium und M. intracellulare (M. avium complex, MAC) gehören zu den häufigen opportunistischen
Infektionsursachen bei AIDS-Kran-ken. 15% bis 30% erleiden disseminierte, mit unspezifischen Symptomen wie Fieber oder Durchfall einhergehende Erkrankungen
infolge Abwehrschwäche, die die Lebenserwartung weiter verkürzen.1 Seit Beginn des Jahres steht neben Makroliden wie Azithromycin
(ZITHROMAX) die Rifampicin (RIFA u.a.)-Variante Rifabutin (MYCOBUTIN) zur Behandlung oder Vorbeugung einer MAC-Infektion AIDS-Kranker sowie als
Tuberkulostatikum zur Verfügung.
KLINISCHE DATEN: In zwei prospektiven Studien2 an insgesamt mehr als 1.000 AIDS-Patienten mit CD4-Zellzahl unter 200/µl senken
täglich 300 mg vorbeugend eingenommenes Rifabutin die Häufigkeit neuaufgetretener MAC-Bakteriämien (8% bis 9% statt 17% bis 18% unter
Plazebo) und dämpfen Fieber, Müdigkeit, Nachtschweiß, Gewichtsverlust und Anämie. Vor der prophylaktischen Einnahme ist wegen der
Gefahr der Entwicklung einer gegen Rifamycin-Antibiotika resistenten Tuberkulose eine aktive Tbc auszuschließen.2
Nach überwiegend unkontrollierten Studien an AIDS-Kranken mit disseminierten Infektionen durch atypische Mykobakterien erzielen täglich 300 mg bis
600 mg Rifabutin zusammen mit weiteren Antibiotika wie Ethambutol (MYAMBUTOL u.a.), Isoniazid (ISOZID u.a.) und Clofazimin (LAMPREN [Schweiz]) negative
Blutkulturen bei 55% bis 88% der Patienten.3 Niedrigere Tagesdosen bringen zum Teil schlechtere Ergebnisse.3 Ob vorbeugend oder therapeutisch
gegen atypische Mykobakterien eingenommenes Rifabutin die Lebenserwartung AIDS-Kranker verlängert, bleibt zu klären.2,3
In einer offenen Studie wirken Therapieschemata mit Rifabutin gegen neufestgestellte Tuberkulose ähnlich gut wie ein Regime mit Rifampicin. Ein langfristiger
therapeutischer Nutzen der Rifampicinvariante für Tbc-Kranke mit Resistenzen gegen Rifampicin und andere Tuberkulostatika der ersten Wahl scheint nicht
hinreichend belegt.1,3 Von Kreuzresistenzen mit Rifampicin ist auszugehen.4
STÖRWIRKUNGEN: Rifabutin verursacht häufig Magen-Darm-Störungen mit Übelkeit und Erbrechen sowie Immunerkrankungen mit
grippeähnlichem Syndrom und Organmanifestationen wie Gelbsucht, Hautausschlag, Gelenk- und Knochenschmerzen, Myositis, Blutbildungsstörungen mit
Thrombopenie, Neutropenie oder Anämie. Lungenfunktionsstörungen mit Atemnot sind ebenso beschrieben wie Geschmackstörungen und
Krampfanfälle.5,6,7 Wie bei Rifampicin färben sich Körperflüssigkeiten und Kontaktlinsen häufig braun-orange, bisweilen auch die
Haut ("Pseudogelbsucht").
Vor allem hohe Dosen oder die kombinierte Anwendung mit dem Antimykotikum Fluconazol (DIFLUCAN u.a.) oder dem Makrolid Clarithromycin (CYLLIND, KLACID)
können ein- oder beidseitige Entzündungen der mittleren Augenhaut (Aderhaut, Iris, Ziliarkörper; Uveitis) verursachen, die nach Absetzen
abklingen.5,8-10
Rifabutin aktiviert Enzyme wie Zytochrom P450. Durch beschleunigten Stoffwechsel mindert es die Wirksamkeit gleichzeitig eingenommener hormoneller
Kontrazeptiva, Analgetika, Co-trimoxazol (BACTRIM u.a.) u.a. Die klinische Bedeutung verminderter Zidovudin (RETROVIR)-Spiegel unter Rifabutin-Einnahme wird
erforscht.1,2
FAZIT: Die prophylaktische Einnahme von Rifabutin (MYCOBUTIN) bessert Allgemeinsymptome von Infektionen mit Mykobakterien bei Personen mit AIDS und
CD4-Zellzahl unter 200/µl, verlängert jedoch wahrscheinlich nicht die Lebenserwartung.11 Der Stellenwert in kombinierten Therapieregimen bei
disseminierten Infektionen durch atypische Mykobakterien bleibt zu klären. Zur Behandlung der chronischen, mehrfach resistenten Lungentuberkulose scheint
die teure Neuerung (s. Kasten) langfristig ohne relevante Vorteile zu sein.
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