Ursprünglich sollte Cyproteronazetat (CPA) nach dem Willen der Entdecker ein Gestagen sein. Im Tierversuch fand sich jedoch ein antiandrogener Effekt, der
bei Marketing-Managern der Schering AG die Idee der "Pille für den Mann" aufkommen ließ. Als dieser Versuch an der gleichzeitigen Hemmung
von Spermotogenese und Libido sowie Erektionsfähigkeit scheiterte, war der verbleibende Rest an Indikationen kaufmännisch uninteressant. Nach
Einschätzung der US-amerikanischen Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA gibt es Bedarf für CPA nur bei Frauen mit extrem seltener schwerer
übermäßiger Körperbehaarung. Wegen tumorigener Eigenschaften im Tierversuch stellte die FDA die Zulassung des Wirkstoffes zuletzt (soweit
bekannt) 1986 zurück.
Die Patienten, die CPA als ANDROCUR-DEPOT benötigen, ließen sich nach Schering-Aussagen "fast an einer Hand" abzählen. Von
einem großen pharmazeutischen Unternehmen müssen kostspielige Sicherheitsstudien auch zu erwarten sein, wenn ein Mittel nur einer kleinen Zahl von
Menschen nützlich ist. Gegen Ausnahmen von dieser Regel sprechen ethische Bedenken. Daß hier der Staat einen Präzedenzfall geschaffen hat,
indem er auf die toxikologische Absicherung der Substanz CPA Mitte der siebziger Jahre bewußt verzichtete, schafft heute den Konflikt. Schering kündigte
damals an, wegen zusätzlicher Forschungskosten in Höhe von 500.000 DM die Entwicklung der Injektionsform für die Triebtäter-Behandlung
einstellen zu wollen. So gelang es der Firma mit Druck auf Politiker und Behörden, den Erkenntnisprozeß über Tumorigenität von CPA auf Jahre
zu behindern. Mit dem Freifahrtschein der staatlichen Arzneimittelaufsicht entstand ein Aknetherapeutikum als "Pille" zu Lasten der Krankenkassen
für junge, gesunde Frauen, denen nur noch "das Rassezeichen" der Europäerin, die Oberlippenbehaarung, als Zeichen eines
Androgenüberschusses mit Krankheitswert zusammen mit DIANE suggeriert werden mußte. Das verrichteten für Schering habilitierte Meinungsbildner
auf firmengesponserten Fortbildungsveranstaltungen. Und so lief die Geschichte ab:
1961: In den Laboratorien der Schering AG werden neue oral wirksame Gestagene synthetisiert, die bei drohendem Abort die Schwangerschaft erhalten
sollen. Dabei zeigt Cyproteronazetat (CPA) Effekte auf Testosteronwirkungen im Sinne einer Hemmung.
1963: Unter Einfluß von CPA kommt es bei schwangeren Ratten zu einer Feminisierung männlicher Föten, denen charakteristische
primäre Geschlechtsmerkmale fehlen können (z.B. Differenzierung des Penis) bis hin zu Genitalfehlbildungen (Vagina bei genetisch männlich
determinierten Tieren). Eine fruchtschädigende Wirkung wird angenommen. Damit entfällt das angestrebte Anwendungsgebiet der Behandlung der
bedrohten Schwangerschaft.
1965: Auf der Suche nach neuen Indikationen für das nunmehr als "Antiandrogen" klassifizierte CPA beschäftigen sich Schering-
Forscher mit testosteronabhängigen Erkrankungen wie dem Prostatakarzinom. Durch ein Sprachmißverständnis während eines
Hormonexpertensymposions in Belgien schließt eine Psychiaterin irrigerweise, daß bei Ratten durch CPA der Sexualtrieb hemmbar sei UND prüft
daraufhin seine Wirkung auf die männliche Libido bei einigen Patienten mit übermäßigem Sexualtrieb. Schon nach wenigen Wochen werden
"durchschlagende" Therapieerfolge berichtet (NEUMANN, F., R. WIECHERT, Band III/Berichte aus der Pharmaforschung, MPS [1985]).
1969: Eine amerikanische Arbeitsgruppe postuliert die Möglichkeit der Fertilitätskontrolle des Mannes mit CPA, da auch die Spermienbildung
androgenabhängig erfolge. Doch scheitern daran anschließende Versuche einer "Pille für den Mann". In den für die Hemmung der
Spermatogenese erforderlichen Dosen nimmt auch die Libido ab.
Als Alternative zur Kastration von Sexualstraftätern verabschiedet der Bundestag ein Gesetz, das CPA Marktchancen sichert (BGesBlatt 1909, S. 1143). Ein
Straftäter, der freiwillig CPA einnimmt, genießt im Strafvollzug Vorteile.
1971: Das arznei-telegramm berichtet in Ausgabe 8 (1971), 44 über ein tödlich verlaufendes Leberversagen unter dem Sexualhemmstoff CPA, der
unter dem Handelsnamen SINOVIR vermarktet werden soll.
1972: Mitarbeiter der Züricher Universitätshautklinik sehen mit Sorge eine Ausweitung des CPA-Gebrauchs. In der Dermatologie sei die
Verwendung des Antiandrogens zur Hautpflege (Akne, Hirsutismus) nicht zu empfehlen. Indikation und Eingriff ins endokrine System ständen in keinem
tragbaren Verhältnis zueinander (OTT, F. et al.: Schweiz. Med. Wschr. 102 [1972], 1124).
1973: Scherings Pharma-Deutschland-Abteilung beklagt öffentlich das hierzulande verzögerte Registrierungsverfahren für Arzneimittel:
"In Schweizer Apotheken wird ANDROCUR bereits ab 1. April 1973 erhältlich sein." In zwei Wochen werde das erste Programm der ARD berichten,
wie sich Sexualdeviationen des Mannes medikamentös behandeln lassen (Schering-Arztrundschreiben vom 21. Febr. 1973).
Im Mai 1973 kommen ANDROCUR-Tabletten nach rund zehnjähriger "weltweiter Erforschung der Wirkung" in der Bundesrepublik Deutschland auf
den Markt. Besorgnisse hinsichtlich unzureichender Prüfung der Langzeittoxizität wiegelt der Konzern ab: "Chronische
Toxizitätsuntersuchungen an Ratten... und an Hunden... ergaben keinen Hinweis auf eine tumorinduzierende Wirkung" (ANDROCUR-Basisprospekt, 1.
Auflage, 1973, Seite 6). Triebtäter können nach einigen Gerichtsurteilen von der Verwahrungshaft freigestellt werden, wenn sie sich mit ANDROCUR
behandeln lassen. Dies werde weltweit als "medizinische Sensation" angesehen. Die Unterbringungskosten eines Patienten in einer Anstalt liegen bei
80.000 DM im Jahr. Demgegenüber betragen die Kosten für Psychotherapie und Medikament geschätzt zusammen nur etwa 10.000 DM (VWD vom
5. April 1973).
ANDROCUR soll bestimmungsgemäß bei Sexualdeviationen bzw. Hypersexualität des Mannes sowie bei frühzeitigem Eintritt der Pubertät
von Mädchen und Jungen Verwendung finden (ANDROCUR-Prospekt, 1. Auflage, 1973).
Bei Sexualdelinquenten, die CPA während der Strafverbüßung oder als Bewährungsauflage erhalten, kommen "Therapieversager"
mit normaler Spermienbildung vor (STÄDTLER, F., H. J. HORN: Dtsch. med. Wschr. 98 [1973], 1013).
1975: Der Bundesminister für Justiz schreibt an den Vorstand der Schering AG, der Entschluß des Unternehmens, die klinische Prüfung des
Cyproteronazetat-Depotpräparates einzustellen, löse "erhebliche Besorgnis" aus. Der Anwendung des oralen Präparates (ANDROCUR)
seien bei Sexualstraftätern Grenzen gesetzt. Die Anwendung könne bei zahlreichen Patienten nicht in der " erforderlichen Weise überwacht
werden" (Dr. H.-J. VOGEL am 13. Mai 1975). Die Schering AG hatte zuvor öffentlich erklärt, "wirtschaftliche Erwägungen"
gäben in erster Linie den Ausschlag, die Entwicklung der ANDROCUR-Injektionsform abzubrechen. Der Kostenaufwand für die "toxikologischen
Langzeitversuche" sei "sehr erheblich" im Verhältnis zu einer Patientenzahl, die "fast an einer Hand" abzuzählen sei (Status
22/1975). Ein Schering-Vertriebsmanager kritisiert: "Was wir damit verdienen werden, kann die Katze auf dem Schwanz wegtragen." Dies gelte sowohl
für die Indikation Triebdämpfung wie für die Behandlung der Pubertas praecox (NEUMANN, F., R. WIECHERT, 1985).
Am 10. April 1975 meldet AP, "Injektionsmittel für Triebtäter wird entwickelt" (FAZ vom 11. April 1975), weil nach Verhandlungen von
Schering-Vertretern mit dem Bundesministerium für Gesundheit sowie dem Bundesgesundheitsamt (BGA) auf zusätzliche tierexperimentelle
Langzeituntersuchungen zur Verträglichkeit der ANDROCUR-Injektionszubereitung verzichtet wurde. Laut Schering sei anzunehmen, daß das BGA den
ANDROCUR-Registrierantrag auch ohne die aufwendigen toxikologischen Studien akzeptieren werde (Status 22/75).
1976: Injektionen hoher CPA-Dosen verursachen bei Ratten gehäuft bösartige Lebergeschwülste (Hepatome), warnt ein Leitartikel in
"The Lancet" unter Bezug auf die Veröffentlichung der Schering-Mitarbeiter F. NEUMANN und K. GRÄF im J. Int. Med. Res. 3 (1975), Suppl. 4,
1. Auch die Nebennierenrindenfunktion könnte unter dem Medikament Schaden nehmen.
Im Spätherbst 1976 erwähnt dann auch der ANDROCUR-Basisprospekt (2. Auflage) die beunruhigenden Ergebnisse der tierexperimentellen Testung. Bei
Ratten seien u.a. "Hyperplasien und Adenome der Leber" und bei Hunden "vereinzelt Lebervergrößerungen" festgestellt worden.
Schering wertet die Befunde ab. Insgesamt sprächen sie "nicht gegen die Anwendung von Cyproteronazetat beim Menschen".
1977: Andere Wissenschaftler werten vorsichtiger: "Obwohl sich gegen die Übertragbarkeit der Befunde, daß sich im Tierversuch durch
Cyproteronazetat Lebertumoren erzeugen lassen, auf die Hormontherapie beim Menschen schwerwiegende Bedenken erheben lassen, läßt aber der
Tierversuch diese Möglichkeit offen..." (SCHEUER, A.: Dtsch. med. Wschr. 102 [1977], 1488).
1978: Das Aknetherapeutikum DIANE, eine Fixkombination von CPA und 50 µg Ethinylestradiol mit dem "Nebeneffekt" der
Empfängnisverhütung, wird in Deutschland eingeführt. Anders als im ANDROCUR-Prospekt spart Schering im Abschnitt Toxikologie die
Möglichkeit CPA-verursachter Tumoren in der ersten Auflage des DIANE-Prospektes aus.
1982: Noch immer verschweigt die Schering AG die bedenklichen Befunde bei CPA. Laut neuem DIANE-Prospekt (4. Auflage) "haben
Kanzerogenitätsstudien an Mäusen und Ratten über zwei Jahre... keine Befunde ergeben, die der Anwendung von DIANE am Menschen
entgegenstehen". Laut Schering liegt eine behördliche Zulassung (FDA approval) "in den Vereinigten Staaten für diese Arzneispezialität
noch nicht vor".
1983: Die Zwischenbilanz ergibt für DIANE mäßige Erfolge bei Akne nach vier bis zwölf Monaten Behandlung (a-t 9 [1983],
83).
Schering-Forscher veröffentlichen ein Erklärungsmodell für die tumorpromovierende Wirkung nicht-mutagener Substanzen wie CPA an
Rattenhepatozyten (Cancer Res. 43 [1983], 839).
1984: Akneeffloreszenzen in einem Frauengesicht stellt die Schering-Werbung unter den Schriftzug: "DIANE Sie will die Pille und lupenreine
Haut" (Ärztl. Praxis 36 [1984], Nr. 6). Unter diesem Slogan profiliert das Marketing ein Aknetherapeutikum zur "Pille" auf Krankenschein
um.
1985: Der Brancheninformationsdienst Scrip meldet am 25. März 1985 aus Norwegen, daß dort die Gesundheitsbehörde der Kombination
aus CPA und Ethinylestradiol (DIANE) das Anwendungsgebiet "Empfängnisverhütung" entzogen habe. Die DIANE-Gebrauchsinformation
müsse künftig einen Warnhinweis auf mißbildungsverursachende Effekte tragen. Die Patientinnen dürften während der Behandlung
Androgen-verursachter Erkrankungen kein weiteres hormonales Kontrazeptivum verwenden. Dem BGA gehen gehäuft Berichte über schwere
thromboembolische Zwischenfälle bei DIANE-Verwenderinnen zu.
Einer verunsicherten DIANE-Benutzerin schreibt die "Pharma Deutschland" AG der Schering AG: "Die angebliche Krebsgefahr durch DIANE ist ein
sehr übles Gerücht... Der bekundete Verdacht zwingt jeden verantwortungsbewußten Hersteller... zu Maßnahmen und ruft auch das
Bundesgesundheitsamt auf den Plan..." (Schreiben vom 9. Aug. 1985).
1986: Der Östrogenanteil muß wegen Unverträglichkeiten im neuen DIANE 35 auf 35 µg herabgesetzt werden.
Schering stellt einer Münchener Arbeitsgruppe CPA für Kanzerogenitätsuntersuchungen an Rattenleber-Zellkulturen zur Verfügung.
1989: Für die DIANE-35-Werbung äußert eine lächelnde Dame mit makellosem Gesicht: "Ich hatte Akne und nehme die
Pille" (Medical Tribune 34 [1989], 59).
Das arznei-telegramm veröffentlicht einen Warnhinweis auf "fulminante Hepatitis" durch CPA (a-t 3 [1989], 36).
1990: Die in der Zusammensetzung dem Präparat DIANE entsprechende Hormonkombination DIANETTE (Großbritannien) zeigt bei leichtem
Hirsutismus keinen hinreichenden Nutzen und ist in bezug auf Wirksamkeit nicht besser als eine gängige Antibabypille vom Typ des MARVELON
(O'DRISCOLL, J., D. C. ANDERSON: Brit. Med. J. 301 [1990], 1215).
1991: Bei unter DIANE entstandenen tiefen Venenthrombosen lassen sich in fast der Hälfte der Fälle Antikörper gegen CPA allein oder
gegen Ethinylestradiol nachweisen (BEAUMONT, V., J. L. BEAUMONT: Lancet 337 [1991], 113).
Drei wegen eines Prostatakarzinoms mit CPA behandelte Männer erleiden schwere hepatozelluläre Funktionsstörungen. Der Leberzellschaden nimmt
bei zwei der Patienten einen tödlichen Verlauf (PARYS, B.-T. et al.: Brit. J. Urol. 67 [1991], 312).
1992: Eine Patientinnen-Broschüre mit dem Titel "Ich will schöne Haut" läßt Schering von Frauenärzten verteilen:
Slogans wie "Haut wie Samt und Seide" bis zu "2 qm Sinnlichkeit Empfangsstation von Gefühlen und Empfindungen" sollen das
Begehren von Frauen wecken und ein vermeintliches Krankheitsbewußtsein für harmlose kosmetische Probleme wie "Mitesser..." und
"eitrige Pickel" schaffen: "Häufen sich jedoch die Mitesser, hat man es mit der leichtesten Form der Akne... zu tun (Acne comedonica)."
"Akne und ihre Folgen können auch seelisch krank machen." Zwar läßt sich eine "hormonell bedingte Akne" als
"häufigste Ursache für eine Akne" auch äußerlich behandeln, doch "die einzige Therapiemethode, die hier... am Ursprung
ansetzt, ist die Behandlung mit Hormonen", die man "Antiandrogene" nennt. "Wenn Sie mehr... wissen möchten, sprechen Sie mit Ihrer
Frauenärztin/Ihrem Frauenarzt."
Alarmstimmung in der Schering-Konzernzentrale! Das vom Unternehmen geförderte Forschungsvorhaben der Münchener GSF-Wissenschaftler belegt
eindeutig genotoxische Wirkungen von CPA in Rattenlebern (Carcinogenesis 13 [1992], 373). CPA wird nunmehr als genotoxisches Kanzerogen einzustufen
sein.
1994: Am 5. August eröffnet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BIAM, früher BGA) ein Stufenplanverfahren für
DIANE und kündigt den Widerruf der Zulassung für CPA-haltige Arzneimittel an: "In der Gesamtheit führen die toxikologischen Befunde zu der
Beurteilung, daß bei der Anwendung... ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung von Lebertumoren gegeben ist. Keine weiteren entlastenden
Erkenntnisse vorausgesetzt, besteht für DIANE 35... der Verdacht auf medizinisch nicht vertretbare Risiken." Alternativ empfiehlt das Amt,
Chlormadinonazetat-haltige Kontrazeptiva oder herkömmliche Akne-Therapeutika einzusetzen.
Mitte August 1994 reagiert die Börse mit sinkenden Kursen für Schering-Aktien. Das Schering-Management vereinbart mit der Kongreßleitung der
Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ein entlastendes Statement. Eine Woche später berichtet die Ärzte Zeitung, auf dem
50. Gynäkologenkongreß in München habe sich die Gesellschaft "gegen ein Verbot von DIANE 35" ausgesprochen. Prof. HEPP:
"Unverantwortlich."
FAZIT: Spätestens 1992 taucht erneut der Verdacht auf, CPA-enthaltende Arzneimittel könnten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht
vertretbare schädliche Wirkungen entfalten. Der Verdacht stützte sich zunächst auf Tierexperimente (hepatozelluläre Karzinome unter CPA-
Hochdosen bei Ratten). Das tumorigene Potential von CPA wurde bis dahin auf einen nicht genotoxischen und "damit für den Menschen nicht relevanten
Wirkungsmechanismus zurückgeführt". Als jedoch unter In-vitro- und auch In-vivo-Bedingungen zu sichern ist, daß CPA bei Ratten hohe
DNA-Reparaturaktivitäten in Leberzellen auslöst und bereits geringe Dosen ausreichen, um DNA-Addukte zu induzieren, spitzt sich die Frage der
Humanrelevanz zu. 1994 gelingt der Nachweis der Genotoxizität von CPA an kultivierten Humanhepatozyten (siehe Stufenplanbescheid vom 5. August 1994).
Die Indizien sprechen für Genotoxizität und damit für ein erhöhtes karzinogenes Potential des Antiandrogens. Daß die langjährige
Verwendung des synthetischen Sexualsteroids in der Humanmedizin bisher keine Hinweise auf ein entsprechendes Risiko beim Menschen offenbart, gilt nicht als
entlastendes Argument.
So fand Thoriumdioxid (THOROTRAST) als Kontrastmittel 1928 Eingang in die Humanmedizin. Seine bald danach (1933) entdeckte Kanzerogenität für
Ratten veranlaßte die Gesundheitsbehörden einiger Länder, ein Verbot der THOROTRAST-Anwendung auszusprechen. In anderen Ländern
wurde das Kontrastmittel über weitere drei Jahrzehnte benutzt. Mit einer Latenzzeit von bis zu 35 Jahren werden heute noch hepatozelluläre Karzinome
nach Thoriumdioxid berichtet (DAVIES, D. M. [Hrsg.]: "Textbook of Adverse Drug Reactions", 4. Aufl., Oxford University Press, 1991, Seite 281). Die
Erfahrungen mit THOROTRAST beanspruchen nicht nur historisches Interesse. Sie sind ein bindendes medizinethisches Richtmaß dafür, rechtzeitig
Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, solange sich das in Frage stehende Risiko noch nicht verwirklicht hat. Sollen CPA-haltige Arzneimittel solange im Markt
verbleiben, bis durch epidemiologische Studien das Risiko beim Menschen erwiesen ist?
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