Noch immer sterben weltweit jedes Jahr etwa eine Million Menschen an Malaria. Jährlich schleppen mindestens 1.000 Reisende
Malariaerkrankungen nach Deutschland ein zehnmal mehr als vor 20 Jahren. Im Frühstadium läßt sich die Infektion zwar gut behandeln, doch
wird sie hierzulande leicht verkannt, da die Beschwerden unspezifisch sind und Malaria oft nicht in die Differentialdiagnose einbezogen wird. Typische Fehldiagnosen
sind grippaler Infekt oder infektiöse Gastroenteritis. Die Diagnose stützt sich vor allem auf die Reiseanamnese und den Plasmodien-Nachweis im dicken
Tropfen, in dem die Parasiten etwa 20mal konzentrierter sind als im gewöhnlichen Blutausstrich.1
Bei Fieber bis zu einem Jahr nach Tropenaufenthalt ist immer an eine Malaria zu denken.
Eine zu spät erkannte, schwere oder komplizierte Malaria ist stets lebensbedrohlich. Besonders Kinder können durch Malariainfektionen rasch
schwer erkranken. Mit Säuglingen und kleinen Kindern sollte man besser nicht in Malaria-Regionen reisen, vor allem nicht in Länder mit Chloroquin-
Resistenzen.3
Die Infektion wird durch den Stich der Anopheles-Mücke übertragen. Diese stechen hauptsächlich während der Dämmerung und in der
Nacht. Mit Beginn der Dämmerung geben bedeckende Kleidung und Mückenabwehrmittel vom Typ des AUTAN oder BONOMOL (Repellents) einen
gewissen Schutz vor Stichen. Nachts sollen sich Reisende durch intakte und gegebenenfalls mit Pyrethroiden imprägnierte Moskitonetze über dem Bett
schützen. Fenster dürfen nachts nur offen bleiben, wenn sie mit Mückengaze ausgestattet sind.2,3
Leider wirkt keine Chemoprophylaxe hundertprozentig. Die Wahl der Arzneimittel richtet sich nach persönlichen Faktoren sowie nach Reiseziel(en) und Dauer
des Aufenthalts. Regionale Hinweise gibt Tabelle 1. Im Zweifelsfall kann ein Tropeninstitut Auskunft geben.
VERBREITUNG UND RESISTENZSITUATION2 Nordafrika und mittlerer Osten: In weiten Gebieten einschließlich Algerien, Marokko und
Tunesien gibt es praktisch keine Malaria. In Ländern mit Malariarisiko wie Afghanistan und ländlichen Gebieten Saudi-Arabiens kommen Chloroquin-
Resistenzen vor.
Afrika südlich der Sahara: Eine Chemoprophylaxe ist unbedingt erforderlich. Vor allem in Kenia, Tansania, Malawi, Uganda und Sambia sind
Chloroquin-Resistenzen sehr verbreitet, doch auch in den übrigen Ländern Afrikas jenseits des Äquators besteht hohes Infektionsrisiko bei
verbreiteter Resistenz gegen Chloroquin. Nur einige hochgelegene Regionen von Äthiopien und Kenia sowie die meisten Gebiete Südafrikas sind
malariafrei.
Südasien: In praktisch allen Ländern des indischen Subkontinents überwiegt die gutartige Plasmodium-vivax-Form. Auch in vielen
Städten Südasiens besteht Infektionsgefahr. P.-falciparum-Infektionen und Chloroquin-Resistenzen kommen vor.
Südostasien: Die Haupttouristenstädte Thailands einschließlich Bangkok, Pataya und Phuket sind malariafrei. Da in den umgebenden
ländlichen Gebieten Malaria-erreger mit Resistenzen gegen alle Chemoprophylaktika verbreitet sind, empfehlen britische Tropenmediziner für Thailand
keine Chemoprophylaxe, sondern raten, einen Arzt aufzusuchen, sobald Fieber einsetzt.2 Meist wird jedoch die Prophylaxe mit Mefloquin vorgeschlagen.
Konsequente persönliche Schutzmaßnahmen vor Moskitostichen haben besondere Bedeutung. Eine Prophylaxe mit Doxycyclin kann im Ausnahmefall
ratsam sein.3 Auch in anderen Ländern Südostasiens gibt es malariafreie Gebiete neben Regionen mit multiresistenten P. falciparum.
Mittel- und Südamerika: In Mittelamerika besteht ein geringes bis mäßiges Malariarisiko ohne Chloroquin-Resistenz (Ausnahme: Panama).
Dies trifft ebenso für westliche Gebiete Südamerikas zu, während in der übrigen Südhälfte Lateinamerikas Malaria und Chloroquin-
Resistenzen verbreitet sind, vor allem im Amazonasbecken.
EMPFEHLUNGEN ZUR PROPHYLAXE Länder mit sporadischem Malariarisiko (Region A):3 Prophylaxe mit Chloroquin (RESOCHIN,
WEIMERQUIN) oder bei Reisen in Gebiete mit sehr geringem Risiko lediglich Mitnahme von Chloroquin zur Stand-by-Behandlung.
Länder mit geringem Malariarisiko (Region B): Chloroquin-Resistenzen sind hier weniger verbreitet. Zur Prophylaxe werden Chloroquin plus Proguanil
(PALUDRINE) empfohlen, jedoch keine Prophylaxe in Gebieten mit sehr geringem Risiko! Vorsorglich ist ein Mittel zur Stand-by-Behandlung mitzunehmen, z.B.
Halofantrin (HALFAN).
Länder mit hohem Malariarisiko (Region C): Die kombinierte Einnahme von Chloroquin plus Proguanil wird für Regionen mit mäßiger
Chloroquin-Resistenz empfohlen, für längere Aufenthalte sowie für Schwangere bzw. Frauen, die innerhalb von drei Monaten nach
Beendigung der Chemoprophylaxe schwanger werden können. Wegen der besonderen Risiken einer Malariainfektion für Mutter und Kind sollte
Schwangeren von vermeidbaren Tropenaufenthalten abgeraten werden. Mefloquin (LARIAM) eignet sich vor allem für kürzere Aufenthalte bis zu drei
Monaten in Regionen mit stark verbreiteter Chloroquin-Resistenz. Zur Stand-by-Therapie empfiehlt sich Halofantrin.
DIE PROPHYLAKTIKA IM EINZELNEN: Die Kombination von täglich 200 mg Proguanil (PALUDRINE) plus einmal 500 mg
Chloroquindihydrogenphosphat (RESOCHIN, WEIMERQUIN) pro Woche gilt als relativ gut verträglich. Wegen der großen Zahl der Tabletten und
des unterschiedlichen Einnahmerhythmus kommt es zu Einnahmepannen. Chloroquin ist erstmals eine Woche vor Reiseantritt einzunehmen. Alternativ ist eine
kurzfristige Aufdosierung an zwei aufeinanderfolgenden Tagen bei Reiseantritt mit jeweils 500 mg möglich. Diese Startdosis hat den Nachteil, daß im Falle
von Störwirkungen diese gerade zur Reisezeit auftreten. Personen mit generalisierter Psoriasis sowie mit Epilepsie in der Vorgeschichte sollten kein Chloroquin
erhalten. Die Einnahme von Proguanil soll einen Tag vor Ankunft im Malariagebiet beginnen. Chloroquin und Proguanil müssen vier Wochen lang nach
Verlassen der Malariaregion weitergenommen werden.
Mefloquin (LARIAM) wirkt zuverlässiger als Chloroquin plus Proguanil gegen Chloroquin-resistente Falciparum-Malaria und läßt sich bequem
einmal wöchentlich einnehmen. Neuropsychiatrische Störwirkungen wie Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Psychosen, Angst, Depression und
Koordinationsstörungen, ferner Hautschäden, Herz- und Muskelbeschwerden und Blutbildungsstörungen belasten das Negativkonto des
Prophylaktikums (vgl. a-t 10 [1990], 89; 4 [1991], 40; 8 [1992], 81). Die ZNS-Effekte setzen zu 40% bereits nach der ersten Dosis, zu 75% bis zur dritten Dosis ein und halten
zum Teil Wochen an.
Mefloquin ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Im Tierversuch wirkt es teratogen. Wegen der langen Halbwertszeit sollten Frauen drei Monate lang nach der
letzten Dosis nicht schwanger werden. Bisweilen kann es daher sinnvoll sein, für reisende Paare unterschiedliche Malariaregime zusammenzustellen, da
Chloroquin plus Proguanil für Frauen weniger riskant erscheint. Dies dürfte die Zuverlässigkeit der Einnahme jedoch negativ beeinflussen. Mefloquin
verbietet sich für Personen mit Krampfanfällen oder psychiatrischen Erkrankungen in der Vorgeschichte. Es eignet sich nicht für
Flugzeugbesatzungen und Personen, die Feinkoordination erfordernde Tätigkeiten ausüben. Wegen wechselseitiger Steigerung der Toxizität darf
gleichzeitig keinesfalls Chinidin (CHINIDIN DURILES u.a.) genommen werden.
Das gelegentlich zur Prophylaxe empfohlene Doxycyclin (VIBRAMYCIN u.a.) eignet sich allenfalls für Personen, die die genannten Mittel der Wahl
nicht verwenden dürfen. Gerade in den Tropen können die Tetrazyklin-typischen Photosensibilisierungen zum Problem werden. Zudem eignet sich
Doxycyclin nicht für Kinder und Schwangere.
Pyrimethamin (DARAPRIM, PYRIMETHAMIN-HEYL) bietet allein keinen Schutz. Als MALOPRIM (hierzulande nicht im Handel) wird Pyrimethamin
in Fixkombination mit Dapson vor allem im englischsprachigen Raum in Regionen mit Chloroquin-resistenter Falciparum-Malaria verwendet,
gegebenenfalls in Kombination mit Chloroquin. Die Pyrimethamin-Sulfadoxin-Kombination FANSIDAR ist seit Jahresbeginn nicht mehr erhältlich.
Schwere Hautreaktionen mit tödlichem Verlauf wie STEVENS-JOHNSON- und LYELL-Syndrom stehen dem Gebrauch entgegen (vgl. a-t 7 [1988], 62; 5 [1992], 45). Ein Malariaimpfstoff, der die Entwicklung der Parasiten im Blut verhindert, wird erforscht,4
doch ist dessen Verfügbarkeit noch nicht abzusehen.
Stand-by-Therapie: Merkblatt für Reisende
Falls Sie sieben Tage oder später nach Ankunft in einem Malariagebiet Fieber von 38°C oder mehr (mit Thermometer gemessen) bekommen, mit oder ohne
Beschwerden wie Kopf- und Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Husten, suchen Sie sofort einen Arzt auf. Nur wenn medizinische Hilfe an
diesem Tag nicht erreichbar ist oder sich Ihr Befinden verschlechtert, ist die Selbstbehandlung der Malaria mit dem vorsorglich mitgenommenen Medikament in der
kompletten vorgeschriebenen Dosis angezeigt. Ziehen Sie dennoch so rasch wie möglich einen Arzt hinzu. Dies ist besonders dringend, wenn das Fieber nicht
innerhalb eines Tages sinkt oder wenn es erneut auftritt. Beginnen Sie eine Woche nach der ersten Behandlungsdosis wieder mit Ihrer Malariaprophylaxe und
suchen Sie nach Ihrer Rückkehr Ihren Hausarzt zur Kontrolluntersuchung auf. |
STAND-BY-THERAPIE: Zur Einnahme eines Malariamittels in therapeutischen Dosen wird geraten, wenn ohne oder trotz Chemoprophylaxe Fieber und
somit Verdacht auf eine Malariainfektion besteht und kein Arzt unmittelbar erreichbar ist (Stand-by-Therapie). Treten die Beschwerden in der ersten Reisewoche auf,
sind sie wahrscheinlich nicht malariabedingt, da die Inkubationszeit mindestens eine Woche beträgt.
Empfohlen wird ein eintägiger Behandlungszyklus mit 3 x 2 Tabletten Halofantrin (HALFAN, vgl. a-t 7 [1991],
59) mit Wiederholung nach einer Woche (Gesamtkosten 64,00 DM). Halofantrin scheint trotz seiner arrhythmogenen Wirkungen vertretbar, jedoch sind die
Erfahrungen noch beschränkt. Personen mit Herzproblemen sollten Halofantrin nicht einnehmen (vgl. a-t 5 [1993],
50). Wegen der in therapeutischer Dosis beträchtlichen Rate von ZNS- und anderen Störeffekten wird von Mefloquin (LARIAM) zur Stand-
by-Behandlung abgeraten.2 Cave: Bis zu drei Wochen nach einer therapeutischen Dosis kann die Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs
oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt sein.3
Chinin (CHININUM HYDROCHLORICUM COMPRETTEN u.a.) ist bewährt und wirkt zuverlässig. Doch müssen sieben Tage lang
täglich 1 bis 1,25 g Chininhydrochlorid eingenommen und häufig unangenehme, jedoch überwiegend nicht bedrohliche Störeffekte in Kauf
genommen werden. Seltene bedrohliche Störwirkungen wie akute Hämolyse, schwere Hautreaktionen und Blutbildungsstörungen erfordern
Krankenhausbehandlung. Für Schwangere gilt Chinin als unbedenklich. Schwangere sollten jedoch bei Fieber auf Reisen grundsätzlich einen Arzt
aufsuchen. Ein Merkzettel zur Stand-by-Therapie (s. Kasten) informiert Reisende über die notwendigen Verhaltensmaßnahmen im Verdachtsfall.
FAZIT: Für Reisen in fast alle Länder mit Malaria wird eine Chemoprophylaxe empfohlen. Chloroquin (RESOCHIN, WEIMERQUIN) plus Proguanil
(PALUDRINE) gilt als Standardregime. Wegen der Zunahme Chloroquin-resistenter P. falciparum gewinnt die Prophylaxe mit Mefloquin (LARIAM) zwar an
Bedeutung, vor allem für Reisen nach Ost- und Zentralafrika. Sie kann jedoch durch ZNS-Effekte belastet sein. Persönliche Maßnahmen zum Schutz
vor Moskitostichen haben einen hohen Stellenwert. Dies gilt für Moskitonetze, Repellentien und bedeckende Kleidung in der Dämmerung.
Auch die konsequente Vorbeugung bietet keinen hundertprozentigen Schutz vor Malaria. Eine Stand-by-Therapie sollte deshalb verfügbar sein, vorrangig mit
Halofantrin (HALFAN) oder Chinin (CHININUM HYDROCHLORICUM COMPRETTEN u.a.). Bis zu einem Jahr nach Rückkehr aus einem Malariagebiet
muß bei Fieber an die Möglichkeit einer Malariainfektion gedacht werden.
1 | SCHUBARTH, P.: Schweiz. Med. Wschr. 123 (1993), 906 |
2 | BRADLEY, D.: Brit. Med. J. 306 (1993), 1247 |
3 | WHO: "International Travel and Health 1993", Genf 1993 |
4 | MARSH, K.: Lancet 341 (1993), 729 |
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