Unter diesem Titel kommentierten wir in Ausgabe 9 (1991), 74 die Diskussion zum erhöhten Thromboembolie-Risiko Gestoden-haltiger oraler
Kontrazeptiva (FEMOVAN, MINULET) im "Deutschen Ärzteblatt".1,2 Diese Diskussion wird nun von KUHL, SPITZER und KÖNIG
fortgesetzt.3 Dabei wiederholt SPITZER die wohlbekannte Firmenargumentation, daß durch die Warnung des BGA in den
Arzneimittelschnellinformationen vom Februar 1989 isoliert Meldungen von Zwischenfällen nach FEMOVAN ausgelöst worden seien. Dies ist falsch, wie
sich aus den Fallberichten an das Bundesgesundheitsamt ergibt: Von 1988 bis 1990 stiegen die Meldungen für FEMOVAN und MINULET von 13 auf 125 an,
für MARVELON von 2 auf 65. Der relative Anstieg der Melderaten war für MARVELON somit ausgeprägter als für die Gestoden-haltigen
Arzneimittel. Trotz des relativ stärkeren Anstiegs der Melderaten bei MARVELON blieb aber die mindestens 12,5fach häufigere Meldung
zerebrovaskulärer Ereignisse unter FEMOVAN im Vergleich zu MARVELON unverändert.
Bedenklich ist, daß eine Studie unerwähnt bleibt, die in der Zwischenzeit den Wissenschaftlern des Herstellers und den Behörden vorliegt. Diese
zeigt das Risiko thromboembolischer Ereignisse Gestoden-haltiger oraler Kontrazeptiva mit 8,8 Ereignissen pro Jahr bezogen auf 1.000 Frauenjahre an. Bisher galt in
der Literatur die Angabe von VESSEY und Mitarbeitern, daß Verwenderinnen oraler Kontrazeptiva mit weniger als 50 µg Ethinylestradiol einem Risiko von
0,39 thromboembolischen Ereignissen pro 1.000 Frauenjahre unterliegen, während bei hochdosierten Präparaten (über 50 µg) das Risiko 0,62
Ereignisse pro 1.000 Frauenjahre beträgt.4 In einer Schering-Studie fand sich ein Risiko thromboembolischer Ereignisse bei FEMOVAN von 0,65
Ereignissen für 1.000 Frauen pro Jahr. Zu beanstanden ist jedoch die fehlende spezifische Untersuchung bzw. Befragung nach thromboembolischen
Symptomen. Dieses wurde in der Gestoden M-Studie korrigiert mit dem Ergebnis, daß nun das Risiko um den Faktor 13,5 über dem international als
Standard akzeptierten Wert von 0,4-0,6 Ereignissen pro 1.000 Frauenjahre zu liegen scheint. Der Leiter des Instituts für Arzneimittel des
Bundesgesundheitsamtes gab in einem Interview an, diese Studie zu kennen. Konsequenzen oder Maßnahmen wurden jedoch nicht
angekündigt.5
FAZIT: Die Kontroverse um Gestoden-haltige Kontrazeptiva wird im Deutschen Ärzteblatt fortgesetzt.3 Wiederum bestreiten die Firmengutachter W. O.
SPITZER et al. und H.-J. KÖNIG die Relevanz der von der Arbeitsgruppe um H. KUHL vorgetragenen Befunde. "Zufall" und
"Irrtumswahrscheinlichkeiten" werden als Erklärungen für Auffälligkeiten gegeben. Dabei ergibt sich eine Vervielfachung des
Thromboembolie-Risikos bis zum 13,5fachen Wert gemessen am international akzeptierten Standard für niedrig dosierte orale Kontrazeptiva. Schering, Wyeth
und das Bundesgesundheitsamt kennen die besorgniserregenden Daten, halten sie aber zurück.
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