Die 2004 publizierte VALUE*-Studie1 ist eine der eher wenigen firmengesponserten Endpunktstudien, in denen ein neueres Antihypertensivum
(Valsartan [DIOVAN, PROVAS]) im doppelblinden Design nicht mit Plazebo, sondern mit einem älteren Hochdruckmittel (Amlodipin [NORVASC u.a.]) verglichen
wird. Die Waghalsigkeit der Firma Novartis, das eigene Produkt unter diesen unkalkulierbaren Bedingungen zu prüfen, sollte sich rächen: Der Angiotensin
(AT)-II-Blocker senkt insbesondere zu Beginn der Studie trotz besserer Ausschöpfung der Kombinationsmöglichkeiten den Blutdruck schlechter als der
Kalziumantagonist und geht mit signifikant höherer Herzinfarktrate (4,8% vs. 4,1%) und einem Trend zu mehr Schlaganfällen (4,2% vs. 3,7%) einher (a-t 2004; 35: 70-1).
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VALUE = Valsartan Antihypertensive Long-term Use Evalutation
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In der jetzt veröffentlichten vorzeitig gestoppten Jikei**-Heart-Studie ist man das hohe Risiko eines Doppelblindversuchs nicht wieder eingegangen. Die
ebenfalls von Novartis gesponserte Studie wird offen durchgeführt im so genannten PROBE**-Design. 3.081 Japanerinnen oder Japaner mit Hypertonie (88%),
koronarer Herzkrankheit (34%) und/oder Herzinsuffizienz (11%) nehmen teil. Der mittlere Blutdruck liegt eingangs bei 139/81 mmHg und soll auf unter 130/80 mmHg
gesenkt werden. Die Prüfgruppe nimmt zusätzlich zur bisherigen Medikation täglich 40 mg bis 160 mg Valsartan ein, in der Kontrollgruppe wird die
Dosis bisheriger Antihypertensiva gesteigert oder es werden weitere ergänzt. AT-II-Blocker sind - abgesehen von Valsartan in der Prüfgruppe - nicht
erlaubt.2 Die Kontrollgruppe wird bis zum Ende des zweiten Studienjahres insgesamt schlechter antihypertensiv behandelt als die
Prüfgruppe.2,3 Der Blutdruck ist nach Berechnungen im begleitenden Editorial im ersten Studienjahr mit Differenzen von durchschnittlich 2,1/2,1
mmHg nach sechs Monaten und 1,5/1,3 mmHg nach zwölf Monaten im Valsartanarm signifikant niedriger.3
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Jikei = Universität in Japan PROBE = Prospective randomized open blinded endpoint
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Der primäre Endpunkt - eine Kombination aus Herzinfarkt, Krankenhauseinweisungen wegen Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA),
Herzinsuffizienz oder Angina pectoris, dissezierendem Aortenaneurysma, Obstruktion einer Beinarterie, Verdoppelung des Serumkreatinins oder Dialysepflichtigkeit -
wird im Verlauf von drei Jahren in der Valsartangruppe mit 6% versus 9,7% signifikant seltener erreicht (Hazard Ratio [HR] 0,61; 95% Vertrauensbereich [CI] 0,47-
0,79). Der Vorteil beruht in erster Linie auf Unterschieden in dem von Blutdruckdifferenzen am stärksten abhängigen Endpunkt der Schlaganfallrate sowie
in den "weicheren" Endpunkten, den Krankenhauseinweisungen wegen Angina pectoris oder Herzinsuffizienz, bei denen Entscheidungen der behandelnden
Ärzte eine größere Rolle spielen. Trotz einer Senkung der Hospitalisationsrate wegen Angina pectoris um relativ 65% (1,2% versus 3,4%; HR 0,35;
95% CI 0,20-0,58) zeigt sich kein Einfluss auf die Herzinfarktrate (1,1% versus 1,2%, HR 0,90; 95% CI 0,47-1,74). Auch die kardiovaskuläre Mortalität
(jeweils 0,6%) und die Gesamtsterblichkeit (jeweils 1,8%) bleiben unbeeinflusst.2
Die Autoren des begleitenden Editorials benennen die zentralen Schwächen der Studie unmissverständlich: Das offene Design und die unterschiedliche
Blutdruckeinstellung. Zu Recht beanstanden sie, dass die Überprüfung der Endpunkte durch ein unabhängiges Komitee im PROBE-Design nicht vor
möglichen Verzerrungen in der offenen Vorauswahl klinischer Ereignisse als Endpunkte durch die Studienärzte schützt. Dass in einer offenen Studie
Krankenhauseinweisungen (die die behandelnden Ärzte durch ihre Entscheidungen ja mitbeeinflussen, Red.) Komponenten des primären Endpunktes
sind, erscheint ihnen schwer nachvollziehbar. Ein blutdruckunabhängiger Nutzen von Valsartan lässt sich ihres Erachtens nicht erkennen.3
Die offen durchgeführte Jikei-Heart-Studie, in der die Prüfgruppe
durch bessere Blutdruckeinstellung begünstigt wird, kann einen Vorteil von Valsartan (DIOVAN u.a.) gegenüber anderen Hochdruckmitteln nicht
belegen.
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randomisierte Studie)
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R |
1 |
JULIUS, S. et al.: Lancet 2004; 363: 2022-31 |
R |
2 |
MOCHIZUKI, S. et al.: Lancet 2007; 369: 1431-39 |
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3 |
STAESSEN, J.A., RICHART, T.: Lancet 2007; 369: 1407-8
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