AZETYLSALIZYLSÄURE (ASS) PLUS DIPYRIDAMOL NACH INSULT | ||||
Sekundärprävention der Wahl nach transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder ischämischem Insult ist niedrig dosierte
Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.). Vor allem Dosierungen ab 75 mg sind von nachgewiesenem Nutzen. Darunter ist der Effekt weniger gut
gesichert.1 Allerdings lässt sich mit ASS nur etwa ein Viertel aller rezidivierenden Gefäßereignisse verhindern.1 Die Kombination mit
Clopidogrel (PLAVIX u.a.) bringt keinen zusätzlichen Nutzen, erhöht aber die Rate an Störwirkungen (a-t 2004; 35: 62 und 2006; 37: 39).2,3 Die Fixkombination ASS plus
Dipyridamol (AGGRENOX) senkt in der ESPS-2*-Studie im Vergleich zu ASS allein die
Häufigkeit von Rezidivinsulten um zusätzlich 3% innerhalb von zwei Jahren, nicht jedoch die Herzinfarktrate oder Mortalität (a-t 2006; 37: 21-2).4 Allerdings ist die geprüfte ASS-Dosierung von 50 mg/Tag
inadäquat niedrig. Auch gibt es bislang keine Bestätigung für das Ergebnis von ESPS-2.
Allerdings kommen Zweifel an der Validität der Daten auf: Die Studie wird unnötigerweise offen durchgeführt. Auch wenn die Endpunkte durch ein verblindetes Komitee bewertet werden, sind Verzerrungsmöglichkeiten durch unterschiedlich intensive Behandlungsmaßnahmen und diagnostische Bemühungen gegeben. Das Endpunkt-Komitee kann letztlich nur Fälle bewerten, die ihm auch vorgelegt werden. Auffällig häufig brechen zudem die mit Dipyridamol Behandelten die Therapie vorzeitig ab (34%), hauptsächlich auf Grund von Störwirkungen (Kopfschmerzen), hingegen nur 13% der mit ASS Behandelten. Bereits nach einem Jahr hat fast ein Viertel der Patienten die Kombination abgesetzt. Wie diese weiterbehandelt werden, ist nicht beschrieben. Einen Einfluss auf die Ergebnisse soll die Compliance jedoch angeblich nicht haben: Eine Auswertung nur jener Patienten, die die Behandlung protokollgerecht bis zum Ende der Studie durchgeführt haben, unterscheidet sich nicht von einer Intention-to-treat-Analyse, in die auch die beträchtliche Zahl der Therapieabbrecher eingeht. Dies ist nicht nachvollziehbar, wenn man von einem spezifischen Nutzen der Kombinationsbehandlung ausgeht. Tendenziell profitieren sogar die Patienten stärker, die die Behandlung abbrechen. Dies stellt die Konsistenz der Daten infrage. Unklar bleibt auch, warum die Schutzwirkung vor ischämischen Ereignissen erst nach zwei Jahren einsetzt, wie aus der Ergebnisdarstellung (Kaplan- Meier-Kurven) ablesbar ist. Zu diesem Zeitpunkt nehmen nur noch 73% der Patienten Dipyridamol ein, aber 92% ASS allein. Auch die größere Häufigkeit schwerer Blutungen unter ASS allein (3,9% vs. 2,6%) ist unerklärlich und bisher nicht beschrieben. Die mediane ASS-Dosierung liegt bei 75 mg täglich. Das bedeutet, dass die Hälfte der Patienten mit geringeren Dosierungen behandelt wird. 44% nehmen lediglich 30 mg ein, eine möglicherweise suboptimale Dosierung. Nach Subgruppenanalysen sollen auch Patienten mit höheren ASS-Dosierungen von der zusätzlichen Einnahme von Dipyridamol profitieren, allerdings ist das Ergebnis auf Grund weiter Vertrauensbereiche unsicher. Es ist daher unklar, ob die Ergebnissse auch bei Verwendung standardgemäßer ASS-Dosierungen reproduzierbar sind. Die Ergebnisse der Studie lassen sich nicht auf die hierzulande zugelassene Fixkombination AGGRENOX übertragen. Abgesehen von den abweichenden
ASS-Dosierungen wird Dipyridamol zum Teil in freier Kombination, von einigen Studienteilnehmern in unretardierter Galenik eingenommen.
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