Bleibender Lungenhochdruck bei Neugeborenen geht mit hoher Mortalität und schwerwiegenden Langzeitschäden wie neurologischen
Anomalien einher.1 Als mögliche mütterliche Risikofaktoren der seltenen Erkrankung (geschätzte Inzidenz: 2 von 1.000 Lebendgeburten)
1 werden Diabetes mellitus, Harnwegsinfekte und Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika vermutet.2
In einer vor zehn Jahren publizierten Kohortenstudie entwickeln zwei Kinder, deren Mütter in der Spätschwangerschaft den selektiven Serotonin-
Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluoxetin (FLUCTIN u.a.) einnehmen, einen Lungenhochdruck.3 Pathophysiologisch könnten SSRI-bedingte
vasokonstriktorische und mitogene Effekte an glatten Muskelzellen auslösend sein. Auch die Hemmung der Synthese des vasodilatierend wirkenden NO durch
SSRI, die sich in der Lunge anreichern, könnte eine Rolle spielen.2
Eine aktuelle Fallkontrollstudie mit 1.200 Neugeborenen erhärtet nun den Verdacht eines möglichen Zusammenhangs. Zwischen 1998 und 2003 werden
nach genau definierten diagnostischen Kriterien 377 Neugeborene mit Lungenhochdruck aus 97 Einrichtungen in vier großen amerikanischen und kanadischen
Stadtgebieten erfasst, die mit 836 Neugeborenen ohne pulmonale Hypertonie derselben Einrichtung im selben Zeitraum verglichen werden. Die Studie wird
sorgfältig durchgeführt: Alle Daten werden verblindet und mit strukturierten Interviews erhoben. Einnahme von SSRI (Fluoxetin, Paroxetin [SEROXAT u.a.]
oder Sertralin [GLADEM u.a.]) in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft geht im Vergleich zur Nichtanwendung von SSRI mit einem sechsfach erhöhten
Risiko für Lungenhochdruck einher (adjustierte Odds Ratio 6,1; 95% Konfidenzintervall 2,2-16,8).
Angesichts der breiten Verwendung von Antidepressiva sind diese Ergebnisse beunruhigend und sollten nach Ansicht der Autoren in weiteren Studien abgesichert
werden.2 Die Einnahme von SSRI in der Schwangerschaft erscheint schon jetzt auch wegen anderer unerwünschter Effekte beim Neugeborenen wie
Entzugssymptome mit Krampfanfällen und Atemstörungen (a-t 2004; 35: 97-8) sowie den unter Paroxetin
beobachteten Fehlbildungen (a-t 2005; 36: 101-2) problematisch. Deutsche Experten empfehlen trizyklische
Antidepressiva wie Amitriptylin (SAROTEN u.a.) als Mittel der Wahl zur Behandlung von Depressionen in Schwangerschaft und Stillzeit.4 Länger
gebräuchliche Trizyklika scheinen nicht teratogen zu sein. Einzelberichte über Entzugssymptome, auch Krämpfe, liegen allerdings auch zu diesen
Mitteln vor.4,5
| 1 | MILLS, J.L.: N. Engl. J. Med. 2006; 354:
636-8 |
| 2 | CHAMBERS, C.D. et al.: N. Engl. J. Med.
2006; 354: 579-87 |
| 3 | CHAMBERS, C.D. et al.: N. Engl. J. Med.
1996; 335: 1010-5 |
| 4 | SCHAEFER, C., SPIELMANN, H. (Hrsg.):
"Arzneimittelverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit", 6. erw. Aufl., Urban & Fischer, München - Jena 2001, Seite 336-41, 532-42 |
| 5 | BROMIKER et al.: JAMA 1994; 272: 1722
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