Die Firma MSD stellt weltweit den Vertrieb von Rofecoxib (VIOXX, VIOXX DOLOR) ein und bricht sämtliche klinischen Studien mit dem Cox-2-
Hemmer ab,1,2 da sich in der vorzeitig gestoppten APPROVe**-Studie dessen kardiovaskuläre Toxizität bestätigt hat. Die randomisierte,
plazebokontrollierte Studie sollte den Einfluss der auch in der Rheumatherapie üblichen Tagesdosis von 25 mg Rofecoxib auf das Wiederauftreten von
Dickdarmpolypen prüfen. Am 23. September - acht Wochen vor der planmäßigen Beendigung der dreijährigen Studie mit nahezu 2.600
Patienten - forderte das von der Firma unabhängige externe Safety Monitoring Board den Abbruch der Untersuchung. Ab dem 18. Einnahmemonat fällt in
der Rofecoxib-Gruppe eine Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse auf, darunter Herzinfarkte und Schlaganfälle. Nach vorläufigen Auswertungen
stehen 25 bestätigten kardiovaskulären Komplikationen pro 3.315 Patientenjahre unter Plazebo (0,75 Ereignisse pro 100 Patientenjahre) 45
kardiovaskuläre Komplikationen pro 3.041 Patientenjahre unter Rofecoxib (1,48 Ereignisse pro 100 Patientenjahre) gegenüber. Das relative Risiko
beträgt 1,96 (95% Konfidenzintervall 1,20 bis 3,19, p = 0,0071). Dies bedeutet eine Verdoppelung des Risikos kardiovaskulärer Erkrankungen.
Aus Daten, die im Zusammenhang mit der VIGOR***-Studie erhoben wurden, ließ sich bereits vor vier Jahren eine Verdoppelung schwerer
kardiovaskulärer Ereignisse insgesamt sowie eine vierfach erhöhte Herzinfarktrate im Vergleich zu Naproxen (PROXEN u.a.) erkennen. Die
vollständigen Risikodaten werden der Öffentlichkeit jedoch vorenthalten (a-t 2000; 31: 46 und 2001; 32: 87-8). Die erhöhte Herzinfarktrate erklärt der Hersteller ohne Beleg durch aussagefähige Daten
verharmlosend mit einer "kardioprotektiven"Wirksamkeit von Naproxen (a-t 2001; 32: 102-3). Die Daten der
APPROVe-Studie lassen jetzt keinen Zweifel mehr am schädigenden Potenzial von Rofecoxib zu, da es sich um einen Plazebovergleich handelt.
Die weltweite Marktrücknahme ist die richtige Entscheidung im Sinne des Verbraucherschutzes. Zudem dürfte MSD damit auch versuchen, kostspielige
Schadenersatzforderungen gering zu halten. Die ersten Sammelklagen gegen die Firma wurden in den USA dennoch bereits Stunden nach dem Vertriebsstopp
eingereicht.3 In Deutschland trennt sich der Konzern durch die Maßnahme von einem Jahresumsatz von 115 Millionen (Mio.) Euro
(Herstellerabgabepreise) für VIOXX und 5 Mio. Euro für VIOXX DOLOR (Daten für 2003). Hier war VIOXX mit mehr als einem Fünftel des
Firmenumsatzes das umsatzstärkste MSD-Produkt.
Die aktuellen Daten widerlegen erneut Behauptungen einer besonderen Verträglichkeit von Cox-2-Hemmern und erinnern mit Nachdruck daran, dass die
Verträglichkeit von langfristig eingenommenen Arzneimitteln unbedingt durch Langzeitstudien abgesichert sein muss (vgl. Cerivastatin [LIPOBAY]; a-t 2001; 32: 88-9). Die Sicherheit aller Cox-2-Hemmer ist erneut zu prüfen. Schwere kardiovaskuläre
Ereignisse sind beispielsweise auch unter der Neuerung Etoricoxib (ARCOXIA, Seite 103) und unter Valdecoxib (BEXTRA) beschrieben (a-t 2003; 34: 42). Wir sehen keinen Grund, unzureichend dokumentierte und möglicherweise riskante Cox-2-Hemmer
zu verordnen, und raten zur Auswahl bewährter konventioneller nichtsteroidaler Antirheumatika.
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Vorversion am 30. Sept. 2004 als blitz-a-t veröffentlicht. |
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APPROVe = Adenomatous Polyp Prevention on VIOXX |
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VIGOR = VIOXX Gastrointestinal Outcome Research |
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