Antioxidative Vitamine zur Krebsprävention? Beobachtungsstudien deuten einen Zusammenhang zwischen Aufnahme von Obst und
Gemüse und niedriger Krebshäufigkeit an. Dass die Ergänzung des Speiseplans mit antioxidativ wirkenden Vitaminen einen schützenden Effekt
vor Krebserkrankungen hat, ist jedoch bisher nicht durch Interventionsstudien nachgewiesen. Im Gegenteil: Unter Betakarotin erkranken in zwei großen Studien
mehr Personen an Lungenkrebs als unter Scheinmedikament (a-t 2003; 34: 100-2). Jetzt untersucht eine
Arbeitsgruppe der Cochrane Collaboration im Rahmen eines systematischen Reviews den Einfluss von Vitaminen (Betakarotin, Vitamin A, C und E) sowie Selen auf
die Häufigkeit gastrointestinaler Karzinome und die Mortalität (BJELAKOVIC, G. et al.: Lancet 2004; 364: 1219-28). Die Daten von 14 randomisierten,
kontrollierten Studien, die Angaben zur Häufigkeit von Magen-Darm-Tumoren enthalten und an denen insgesamt über 170.000 Patienten teilnehmen,
werden in dieser Metaanalyse zusammengeführt. Keines der antioxidativ wirkenden Mittel beeinflusst demnach das Auftreten von Karzinomen der
Speiseröhre, des Magens, des Dickdarms bzw. der Bauchspeicheldrüse. Werden ausschließlich die methodisch guten Studien mit über 130.000
Patienten ausgewertet, ergibt sich je nach Berechnungsmodell ein Trend oder sogar eine geringe, aber statistisch signifikante Steigerung der
Gesamtmortalität (relatives Risiko [RR] 1,06). Dieser Befund kommt vor allem durch Studien zustande, die Betakarotin untersuchen. In den vier Studien
zu Selen sinkt die Gesamtrate gastrointestinaler Karzinome (RR 0,49; 95% Vertrauensbereich [KI] 0,36-0,67), vorwiegend durch Verringerung hepatozellulärer
Karzinome bei Hochrisikopatienten. Drei der vier Studien werden von den Autoren jedoch als methodisch schlecht bewertet, sodass eine Verzerrung zugunsten von
Selen möglich ist. Die Ergebnisse überraschen nach mehreren Negativstudien zum Nutzen von Vitaminen nicht. Aufgrund der erheblichen Bedeutung der
Selbstmedikation mit "Antioxidanzien" sollten Patienten über fehlende Nutzenbelege und mögliche Schädigung, insbesondere bei
Einnahme von Betakarotin, aufgeklärt werden.
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