Die bisherige Datenlage zum Nutzen von Statinen bei Diabetespatienten ohne manifeste atherosklerotische Erkrankungen ist unklar. Nur eine der drei
Langzeitinterventionsstudien mit großen Diabetessubgruppen lässt einen deutlichen Vorteil für diese Patienten erkennen - die Heart-Protection-
Studie1,2 (HPS) mit Simvastatin (ZOCOR u.a.), nicht aber die ALLHAT-LLT*-Studie3 mit Pravastatin (PRAVASIN u.a.) und die ASCOT-LLA*-
Studie4 mit Atorvastatin (SORTIS; a-t 2004, 35: 56-60). Jetzt erscheint erstmals eine Statinstudie zur
Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen ausschließlich mit Diabetespatienten (CARDS*). In die randomisierte doppelblinde, unter anderem vom
Atorvastatin-Hersteller Pfizer und der britischen Gesundheitsbehörde finanzierte Untersuchung werden zwischen 1997 und 2001 2.838 40 bis 75 Jahre alte
Patienten mit mindestens sechs Monate bestehendem Typ-2-Diabetes aufgenommen, deren durchschnittliches LDL-Cholesterin nach mehreren
Ausgangsmessungen nicht über 4,14 mmol/l (160 mg/dl) liegen darf. Es muss mindestens ein weiterer kardiovaskulärer Risikofaktor oder -Marker
vorhanden sein - arterielle Hypertonie, Retinopathie, Mikro- oder Makroalbuminurie oder Rauchen. Zu den Ausschlusskriterien gehören Herzinfarkt, instabile
Angina pectoris, koronare Angioplastie oder Bypass, zerebrovaskuläres Ereignis oder schwere periphere Gefäßerkrankung mit potenzieller
Operationsindikation in der Vorgeschichte, Kreatinin über 1,7 mg/dl, HbA1c über 12% und eine Compliance von weniger als 80% in einer Plazebo-Run-in-
Phase.5,6
Die Studie prüft die Einnahme von täglich 10 mg Atorvastatin oder Plazebo zusätzlich zur bisherigen Therapie. Wegen eines deutlichen Unterschieds
zugunsten von Atorvastatin wird sie nach knapp vier Jahren vorzeitig gestoppt. Das LDL sinkt unter dem Statin im Vergleich zu Plazebo um durchschnittlich 40%.
Der primäre Endpunkt - eine Kombination aus symptomatischem oder stummem Herzinfarkt, instabiler Angina pectoris, akutem koronar bedingten Tod,
Reanimation nach Herzstillstand, koronarer Revaskularisierung oder Schlaganfall - nimmt unter Atorvastatin von 9% auf 5,8% ab (relatives Risiko [RR] 0,63; 95%
Konfidenzintervall [CI] 0,48 bis 0,83; Number needed to treat [NNT] = 122/Jahr). Insulte werden von 2,8% auf 1,5% gemindert (RR 0,52, 95% CI 0,31 bis
0,89; NNT = 300/Jahr). Für schwere koronare Ereignisse - nicht tödlicher Herzinfarkt und akuter koronar bedingter Tod - wird nur die
Rate pro 100 Patientenjahre mitgeteilt. Sie sinkt von 1,31 auf 0,88 (RR 0,67; 95% CI 0,47-0,97; NNT = 233/Jahr). Die Sterblichkeit ist unter
Atorvastatin ebenfalls geringer, allerdings besteht statistisch nur ein Trend (5,8% versus 4,3%; RR 0,73% 95% CI 0,52 bis 1,01).5 Ähnlich wie in der
HPS profitieren auch Patienten mit LDL von 120 mg/dl oder darunter.
Rhabdomyolysen werden im Studienverlauf nicht beobachtet. Ein Anstieg der GOT auf das Dreifache der oberen Norm oder höher betrifft unter
Atorvastatin 1,2% der Patienten, ein entsprechender GPT-Anstieg 0,4%.5
Anders als die Autoren propagieren, lässt sich mit der CARD-Studie keine Ausweitung der Indikation für ein Statin auf alle Patienten mit Diabetes
begründen.7 Bei den Studienteilnehmern handelt es sich um eine Hochrisikogruppe im mittleren Alter von 62 Jahren, mit einer Diabetesdauer von
durchschnittlich acht Jahren und einem Bluthochdruck bei 84%, einer Retinopathie bei 30% und einer Albuminurie bei 17%. Zwei Drittel rauchen (23%) oder haben
geraucht (43%).5 Bei diesen Patienten besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie bereits eine (bislang nicht diagnostizierte) koronare Herzkrankheit
haben. Soweit aus den veröffentlichten Daten5,6 ersichtlich, werden durch die Ausschlusskriterien zudem auch manifeste
Gefäßerkrankungen nicht zuverlässig ausgeschlossen. 15% der Patienten nehmen Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) oder andere
Thrombozytenaggregationshemmer ein, ebenfalls ein Hinweis auf eine bereits vorliegende atherosklerotische Erkrankung zumindest bei einem Teil. Die CARD-Studie
bestätigt jedoch die Ergebnisse der Heart-Protection-Studie bei Diabetespatienten ohne bekannte Gefäßerkrankungen (a-t 2003; 34: 65-6), mit dem Vorteil, dass das Profil der Teilnehmer in CARDS - mit Einschränkungen - erkennbar ist.
Zugelassen zur Prävention kardiovaskulärer Folgeerkrankungen bei koronarer Herzkrankheit oder Diabetes ist nur Simvastatin, das zudem bei diesen
Indikationen insgesamt die bessere Datenlage hat.
Prävention mit täglich 10 mg Atorvastatin (SORTIS) senkt das Risiko
kardiovaskulärer Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ohne - soweit aus der Publikation ersichtlich - bekannte
Gefäßerkrankungen, bei denen aber aufgrund weiterer kardiovaskulärer Risikofaktoren oder -Marker wie Albuminurie eine hohe Wahrscheinlichkeit
für eine koronare Herzkrankheit besteht.
Die CARD-Studie bestätigt die günstigen Ergebnisse der Heart-Protection-Studie
mit Simvastatin (ZOCOR u.a.) bei Diabetespatienten ohne bekannte Gefäßerkrankungen.
Typ-2-Diabetikern ohne bekannte Gefäßerkrankungen, aber mit hohem
koronaren Risiko, wie sie in der CARD-Studie behandelt wurden, ist die Einnahme eines Statins zu empfehlen. Aufgrund der insgesamt besseren Datenlage erachten
wir Simvastatin in einer Tagesdosis von 40 mg als Mittel der Wahl.
Die Therapie aller Diabetespatienten mit einem Statin lässt sich auch mit der CARD-
Studie nicht begründen.
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