Ermittlungen gegen GlaxoSmithKline wegen Korruption: Die Anwälte von GlaxoSmithKline (GSK) haben derzeit viele Fronten. In den USA
wird GSK soeben wegen der Unterdrückung von Negativdaten zu Paroxetin (SEROXAT) bei Kindern (a-t 2004; 35:
45-6) verklagt. Jetzt hat die italienische Guardia di Finanza ihre Ermittlungen zum Korruptionsverdacht gegen rund 300 Firmenmitarbeiter von GSK und über
4.000 Ärzte abgeschlossen und den Justizbehörden übergeben. Die Ermittlungen begannen vor über einem Jahr aus Anlass von
Geldbeträgen oder Geschenken, die Pharmareferenten Ärzten für Verordnungen von GSK-Produkten zukommen ließen
("Kickbacks"). Betroffen sind auch Klinikärzte, die beispielsweise im "HYCAMTIN-Projekt" für jeden mit dem GSK-Zytostatikum
Topotecan (HYCAMTIN) behandelten Patienten Geld erhielten. In einer abgefangenen E-Mail informiert ein Bezirksleiter seine Pharmareferenten: "Wir haben
ein ‚Extra-Budget', das uns erlaubt, onkologischen Zentren etwa 400 € pro Patienten anzubieten." Eine Packung mit fünf Ampullen HYCAMTIN
kostet über 1.800 €. Nach Ermittlungen der Guardia di Finanza soll GSK zwischen 1990 und 2002 mehr als 228 Mio. € aufgewendet haben, um den
Absatz von Firmenprodukten zu fördern. Mit dem Geld wurden Ärzten Computer, Kameras oder Ferienaufenthalte im Ausland finanziert, die als
wissenschaftliche Konferenzen getarnt wurden. Verordner von GSK-Produkten sollen aber auch bar bezahlt worden sein. Die Beträge werden in
Firmenunterlagen unter "sonstige Verkaufsförderung" oder "Phase IV" geführt. Mit Hilfe eines Überwachungssystems soll GSK
in der Lage sein, die Verordnungsgewohnheiten jedes einzelnen Arztes zu kontrollieren (vgl. a-t 1999; Nr. 10: 109-10)
und damit auch den "Ertrag" der strikt nach Verordnungschancen gestaffelten Bestechungsgeschenke (Scrip 2004; Nr. 2956: 3; MILAN, F.T.: BMJ 2004;
328: 1333; CARPENTER, G.: Lancet 2004; 363: 1873). GSK ist kein Einzelfall. Auch gegen andere Firmen wie Byk Gulden, Novartis und Pfizer laufen Ermittlungen.
Wegen Zahlung von Geldprämien, prozentualer Beteiligung an Verkäufen von Arzneimitteln sowie Scheinverordnungen, deren Erlös unter den
Beteiligten aufgeteilt wurde, wurden Pharmareferenten und Ärzte in Italien bereits festgenommen (Scrip 2003; Nr. 2866: 3). Auch in Deutschland hat die
Staatsanwaltschaft seit 1999 gegen SmithKline Beecham, eine der GSK-Vorläuferfirmen, ermittelt, weil illegale Provisionen an Ärzte geflossen sein sollen
(vgl. a-t 2000; 31: 49-50). 71 Ärzte und dutzende Firmenmitarbeiter sind inzwischen wegen Bestechung
angeklagt. Auch hierzulande laufen Ermittlungen gegen weitere Firmen. Nach Einschätzung eines Frankfurter Staatsanwalts und Korruptionsexperten soll ein
Drittel aller, die Bestechungen annehmen, im Gesundheitswesen arbeiten (BURGERMEISTER, J.: BMJ 2004; 328: 1333). In Deutschland ist erst kürzlich auf
die Einführung eines Korruptionsbeauftragten verzichtet worden. Angeblich will die Pharmaindustrie mit dem neuen Verein "Freiwillige Selbstkontrolle
für die Arzneimittelindustrie e.V." selbst dafür sorgen, dass Ärzte nicht unlauter beeinflusst werden. Solche Selbstverpflichtungen gibt es jedoch
schon seit Jahrzehnten - ohne Erfolg. Zitat aus dem pharma-kodex des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (Stand April 1973): "Die
Mitglieder des Bundesverbandes sind besonders verpflichtet ... jede Irreführung zu vermeiden und auch sonst die guten Sitten im Wettbewerb zu
beachten." Wirksam gegen Korruption ist nur externe Kontrolle mit staatsanwaltlichen Ermächtigungen und Drohung mit Sanktionen, -Red.
© 2004 arznei-telegramm |
Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.