Das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist gekennzeichnet durch Anovulation, Infertilität und Hyperandrogenismus. Erkrankte Frauen leiden an
Menstruationsstörungen, Akne und männlichem Behaarungstyp (Hirsutismus).1,2 Häufig sind sie übergewichtig und entwickeln eine
Insulinresistenz mit erhöhtem Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.3 Das Syndrom soll 5% bis 10% der Frauen im gebärfähigen Alter
betreffen.1,2 Die Ursache ist nicht geklärt. Der Insulinresistenz mit kompensatorischer Hyperinsulinämie wird jedoch heute eine zumindest
verstärkende Funktion bei der Entwicklung des Syndroms zugeschrieben.3 So kann eine Hyperinsulinämie die ovarielle Androgenproduktion
steigern, was möglicherweise zur chronischen Anovulation beiträgt.4
Zunehmend werden PCOS-Patientinnen mit dem hierfür nicht zugelassenen Biguanid-Antidiabetikum Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) behandelt. Metformin
hemmt die Glukoseneubildung in der Leber und fördert die Insulinwirksamkeit in Muskel- und Fettgewebe. Ein klinischer Nutzen bei PCOS ist bislang nur in
kleinen Kurzzeitstudien geprüft.
Nach einer systematischen Übersicht randomisierter kontrollierter Studien von maximal siebenmonatiger Dauer mit insgesamt 543 meist übergewichtigen
Patientinnen erhöht Metformin allein (zweimal täglich 850 mg oder dreimal täglich 500 mg) die Ovulationsrate signifikant (Odds Ratio [OR]:
3,88; 95% Konfidenzintervall [CI]: 2,25 bis 6,69). Unter Metformin kommt es bei 46% der Frauen zum Eisprung im Vergleich zu 24% unter Plazebo. Rechnerisch
profitiert eine von 5 Frauen (Number needed to treat, NNT = 5). Die Schwangerschaftsrate unterscheidet sich, sofern berichtet, nicht signifikant (OR 2,76; 95% CI
0,85 bis 8,98).1,2
Unter Kombination von Metformin mit dem Ovulationsauslöser Clomifen (CLOMHEXAL u.a.) in 3 der 13 Studien kommt es bei 76% der Teilnehmerinnen
zum Eisprung im Vergleich zu 42% unter Clomifen plus Plazebo (OR: 4,41; 95% CI 2,37 bis 8,22; NNT = 3). Von zusätzlichem Metformin scheinen besonders
Frauen zu profitieren, die auf Clomifen allein unzureichend ansprechen.
Die Zahl der Schwangerschaften nimmt unter der Kombination gegenüber Clomifen allein ebenfalls signifikant zu (OR: 4,4, 95% CI 1,96 bis 9,85), auch bei
Frauen mit relativ hoher Ovulationsrate unter Clomifen. Die Ergebnisse zum Einfluss von Metformin auf die Schwangerschaftsrate sind allerdings mit Vorsicht zu
interpretieren, da diese nur in wenigen der ausgewerteten Studien ein definierter Endpunkt ist.2 In den USA soll der Nutzen von Metformin und Clomifen bei
dieser Indikation in einer größeren multizentrischen, primär auf die Rate der Lebendgeburten angelegten Studie geprüft werden.5
Metformin scheint sich nach der Metaanalyse auch auf einige weitere Parameter wie systolischer Blutdruck, Nüchtern-Insulinkonzentration und LDL-Cholesterin
günstig auszuwirken. Dagegen lässt sich ein Effekt auf das Körpergewicht nicht sichern. Der Einfluss auf Akne ist nicht untersucht. Über einen
günstigen Effekt auf Hirsutismus wird nur in einer Studie mit wenigen Frauen berichtet. Übelkeit und Erbrechen sowie andere Magen-Darm-Störungen
kommen unter Metformin deutlich häufiger vor. In einer der ausgewerteten Studien sind sie die Hauptursache für die dort beobachtete hohe Abbruchrate
von über 40%.1,2 Ob auch normalgewichtige Frauen von der Behandlung mit Metformin profitieren, lässt sich wegen unzureichender Daten
derzeit nicht beurteilen.
Da sich durch Gewichtsreduktion allein sowohl Ovarialfunktion als auch Fertilität verbessern lassen, werden Diät und körperliche Aktivität als
Maßnahmen der ersten Wahl bei PCOS empfohlen.1,6 Bleibt dennoch ein Kinderwunsch unerfüllt und führt auch Clomifen nicht zum Erfolg,
kann unseres Erachtens im Rahmen einer spezialisierten Betreuung bei Frauen mit Übergewicht ein kurzzeitiger Therapieversuch mit zusätzlichem
Metformin erwogen werden. Wegen der Gefahr der seltenen, aber bedrohlichen Laktatazidose sind Kontraindikationen, insbesondere Leber- und Niereninsuffizienz,
zu beachten. Die Frauen müssen eingehend darüber aufgeklärt werden, dass es sich um eine nicht zugelassene Therapie handelt und dass die
Datenbasis für die Behandlung bislang gering ist. Insbesondere müssen sie wissen, dass in offiziellen Produktinformationen Frauen, die schwanger sind
oder es werden möchten, von der Metformin-Einnahme abgeraten wird.7 Im Tierversuch wirkt das Biguanid in Mengen bis zum Zwei- bis Sechsfachen
einer therapeutischen Dosis von täglich 2.000 mg nicht teratogen.8 Hinweise auf teratogene Effekte bei Menschen ergeben sich laut
Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie aus ca. 200 dokumentierten Schwangerschaftsverläufen ebenfalls nicht.9 Die
bisherigen Daten reichen für eine zuverlässige Beurteilung des teratogenen Potenzials jedoch nicht aus.* Metformin soll daher zur
Fertilitätsbehandlung nach den Empfehlungen einer deutschen Arbeitsgruppe nur unter strenger Zykluskontrolle eingenommen und mit dem Ovulationszeitpunkt
abgesetzt werden.3
Von einer langfristigen Therapie etwa zum Schutz vor Typ-2-Diabetes ist wegen fehlender Daten zu Nutzen und Sicherheit abzuraten. Bei Menschen mit
gestörter Glukosetoleranz senkt Metformin die Inzidenz eines Diabetes in 2,8 Jahren zwar relativ um 31% (95% CI 17% bis 43%). Änderung der
Lebensgewohnheiten mit Gewichtsabnahme und vermehrter körperlicher Aktivität bringt in der selben Studie aber eine relative Reduktion um 58% (95% CI
48% bis 66%).10 Wegen unzureichender Erfahrungen bei PCOS und negativer Nutzen-Schaden-Bilanz bei Diabetes ist auch vom Gebrauch der
"insulinsensibilisierenden" Glitazone wie Rosiglitazon (AVANDIA) abzuraten.
Das Antidiabetikum Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) steigert nach kleinen Kurzzeitstudien die Ovulationsrate beim polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS).
In Kombination mit dem Ovulationsauslöser Clomifen (CLOMHEXAL u.a.) scheint Metformin auch die Schwangerschaftsrate bei diesen Patientinnen zu
erhöhen.
Ein Einfluss auf Körpergewicht oder Hirsutismus ist nicht hinreichend belegt.
Bei PCOS und unerfülltem Kinderwunsch kann im Einzelfall ein zeitlich begrenzter Behandlungsversuch mit Metformin (Achtung: keine zugelassene Indikation)
in Betracht gezogen werden.
Da ein teratogenes Potenzial von Metformin derzeit nicht auszuschließen ist, soll das Mittel bei dieser Indikation nur unter strenger Zykluskontrolle eingenommen
und zum Ovulationszeitpunkt abgesetzt werden.
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