VERHÜTUNGSPFLASTER EVRA | ||||||
Seit August ist mit EVRA erstmals ein Pflaster zur hormonellen Empfängnisverhütung auf dem Markt.* Neben Ethinylestradiol enthält es Norelgestromin, den wichtigsten aktiven Metaboliten von Norgestimat (in CILEST, PRAMINO). Dieser Abkömmling gleicht in vielen metabolischen und koagulatorischen Eigenschaften den Gestagenen Desogestrel (in MARVELON u.a.) und Gestoden (in FEMOVAN u.a.),1 für die ein erhöhtes Thromboembolierisiko in kombinierten oralen Kontrazeptiva bekannt ist. Aussagekräftige Daten, die eine zuverlässige Abschätzung dieser Gefährdung durch Norgestimat und Norelgestromin ermöglichen, fehlen bislang.
EIGENSCHAFTEN: Ein 20 cm2 großes Pflaster enthält 0,6 mg Ethinylestradiol (EE)** und 6 mg Norelgestromin (NGMN) und gibt
täglich 20 µg EE und 150 µg NGMN ab. Die dabei erzielten Serumkonzentrationen entsprechen denen bei Einnahme einer Pille mit 35 µg EE und 250 µg
Norgestimat wie CILEST. Anwenderinnen tragen das Pflaster dreimal sieben Tage, gefolgt von einer siebentägigen Pause. Der Wechsel erfolgt immer am
gleichen Wochentag zu beliebiger Uhrzeit.
Löst sich ein Pflaster ganz oder teilweise für weniger als 24 Stunden, bleibt der Empfängnisschutz erhalten. Gleiches gilt, wenn der Wechsel in der Zyklusmitte (8. und 15. Tag) bis zu 48 Stunden zu spät erfolgt. Wird EVRA dagegen länger als einen Tag nicht (korrekt) getragen, der Wechsel länger als zwei Tage vergessen oder beträgt das pflasterfreie Intervall mehr als sieben Tage, sind zusätzliche Verhütungsmethoden erforderlich.4 Nach Entfernen enthält das Pflaster noch etwa 0,4 mg (67%) EE und 5 mg NGMN. Vor allem das relativ stabile EE gefährdet die Umwelt, speziell die Gewässer. Daher soll jedes Pflaster nach Gebrauch in einem aus Papier, Kunststoff und Aluminium bestehenden Beutel "gemäß den nationalen Anforderungen"4 entsorgt werden (gemeint ist der Hausmüll, -Red.). Dies löst das Problem der EE-Belastung unseres Erachtens jedoch nur zum Teil und vergrößert zudem die Menge schwer abbaubarer Stoffe in Mülldeponien. WIRKSAMKEIT: In drei offenen Studien, von denen eine5 unkontrolliert ist und nur zwei vollständig veröffentlicht sind,5,6 wenden
insgesamt mehr als 3.300 Frauen maximal ein Jahr lang Pflaster an, die mit 0,75 mg EE 25% mehr Östrogen im Depot enthalten als das jetzt erhältliche
EVRA. Die empfängnisverhütende Wirksamkeit entspricht der kombinierter oraler Kontrazeptiva.6,7 Nach einer zusammengefassten Auswertung
werden unter EVRA 15 Frauen schwanger, das entspricht einem Pearl-Index*** von 0,88.7 Fünf (33%) der Schwangerschaften treten bei über 90
kg schweren Frauen auf, obwohl diese nur 3% der Studienpopulation ausmachen. Ab welchem Körpergewicht die kontrazeptive Wirksamkeit des Pflasters
inakzeptabel wird, bleibt offen.1
STÖRWIRKUNGEN: 12% der Frauen scheiden wegen unerwünschter Effekte des Pflasters vorzeitig aus den Studien aus, am häufigsten wegen Lokalreaktionen (1,9%) und Beschwerden der Brust (1,9%) wie Schmerz oder Schwellung. Unter den peroralen Vergleichspräparaten ist die Abbrechquote niedriger (4,5% bzw. 5,6%).7 Insgesamt ist mit den typischen Störwirkungen kombinierter hormoneller Kontrazeptiva wie Kopfschmerz (21%) und Übelkeit (17%) zu rechnen.1 Brustbeschwerden (19%) und Dysmenorrhö (13%) kommen im direkten Vergleich häufiger vor als unter einem Dreiphasen-Präparat (6% bzw. 10%).6 17% beklagen Lokalreaktionen an der Applikationsstelle.1 Unklar bleibt, wie die Thrombogenität der Neuerung einzuschätzen ist: In den klinischen Studien erleiden zwei Frauen eine Lungenembolie, davon eine nach einer kosmetischen Operation, vor der das Pflaster nicht, wie vorgeschrieben, vier Wochen vorher abgesetzt wurde. Bei keiner lässt sich eine Venenthrombose feststellen. Beide Frauen haben zuvor die "Pille" eingenommen und tragen daher ein niedrigeres Risiko thromboembolischer Ereignisse als Neuanwenderinnen systemischer Kontrazeptiva.1 Der zuständige Gutachter der FDA gibt in seinem Review zu bedenken, dass das Thromboembolierisiko unter Norelgestromin möglicherweise noch höher sein könnte als unter Desogestrel und Gestoden, die ihrerseits bereits eine erhöhte Gefahr solcher Komplikationen gegenüber Gestagenen der so genannten zweiten Generation wie Levonorgestrel (in MICROGYNON u.a.) aufweisen.1 KOSTEN: Die dreimonatige Verhütung mit EVRA kostet in Deutschland 42 € und damit das Zweieinhalbfache einer preiswerten Levonorgestrel- haltigen "Pille" mit vergleichbarer Östrogenzufuhr (z.B. MICROGYNON: 17 €).
Mit EVRA ist erstmals ein Pflaster zur kombinierten hormonalen Kontrazeption auf
dem Markt. Schwangerschaften lassen sich damit vermutlich zuverlässig verhüten. Streng genommen ist das jetzt erhältliche Pflaster mit
einem Depot von 0,6 mg Ethinylestradiol jedoch in klinischen Studien überhaupt nicht geprüft. | ||||||
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