Heute bekomme ich eine Zusendung von Boehringer Ingelheim, mit der u.a. darauf hingewiesen wird, dass eine THOMAPYRIN
entsprechende Dreierkombination von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) jetzt als Mittel der Wahl bei Spannungskopfschmerz und
Migräne empfohlen wird. Das entspricht nun so gar nicht meinen bisherigen Informationen. Gibt es tatsächlich Studienergebnisse, die diese Aussagen
rechtfertigen?
NN (Apotheker), Name und Anschrift der Red. bekannt
Interessenkonflikt: Keiner
An der Wirksamkeit von Analgetikakombinationen vom Typ THOMAPYRIN ist nicht zu zweifeln, wohl aber an deren Sicherheit und Verträglichkeit. Doch
um THOMAPYRIN "Evidenz-basiert"1 als Mittel der Wahl darstellen zu können, werden in den DMKG-Empfehlungen zur Selbstmedikation
Daten manipuliert.
In der als Nutzenbeleg zitierten Studie wurde eine einmalige Dosis von zwei Tabletten mit insgesamt 500 mg Azetylsalizylsäure (ASS), 500 mg
Parazetamol und 130 mg Koffein geprüft.1,2 Zwei THOMAPYRIN-Tabletten enthalten zwar 500 mg ASS, jedoch 20% weniger Parazetamol (400 mg)
und 23% weniger Koffein (100 mg). Der Unterschied zwischen geprüfter und empfohlener Kombination wird flugs als "wahrscheinlich pharmakologisch
irrelevant" deklariert. Der "klinische Eindruck" bestätige "vergleichbare Wirksamkeit".1 Die DMKG unterschlägt dabei,
dass es mit Produkten wie ALACETAN, MELABON K, SPALT PLUS COFFEIN und TEMAGIN PAC Schmerzmittelkombinationen gibt, die hinsichtlich beider
Analgetika dem Prüfpräparat entsprechen und mit 100 mg pro 2 Tabletten lediglich im Koffeingehalt niedriger dosiert sind. Stattdessen werden die
Wirkstoffmengen in den DMKG-Empfehlungen auf zwei Tabletten THOMAPYRIN zugeschnitten (500 mg ASS + 400 mg Parazetamol + 100 mg Koffein). Der
Kommentar "Bei allen anderen ... Wirkstoffkombinationen gibt es keine oder nur mangelhafte Hinweise für ihre Wirksamkeit."1 ist somit eine
Falschinformation. Solche Manipulationen zu Gunsten des marktführenden Präparates wertet die Empfehlungen der DMKG als Marketingpapier für
Boehringer Ingelheim ab.
Bei der Einstufung der Risiken der Fixkombination in die günstigste Kategorie "+++" zieht die DMKG wie bereits vor einem Jahr eine Analyse
internationaler Experten heran. Das im Entwurf noch enthaltene Kapitel "Analgetika und Niere" fehlt in den veröffentlichten Empfehlungen.
Expertenmeinungen haben den geringsten Evidenz-Grad, da diese über die Zusammensetzung des Gremiums gesteuert werden können und oft dem
Marketing dienen. So wurde beispielsweise im noblen Potsdamer Cecilienhof zwischen der Leitungsebene des Bundesinstituts für Arzneimittel und den
Herstellern eine Kommission "aus handverlesenen Industriegutachtern" ausgekungelt, die dann Kombinationsanalgetika fehlendes Risiko
bescheinigte.3 "Die nach aktuellen Schätzungen 2.000 bis 4.000 dialysepflichtigen Analgetikanephropathien in Verbindung mit der Einnahme
von Schmerzmittelkombinationen in Deutschland lassen sich durch Expertenmeinungen nicht wegdiskutieren" (a-t
2001; 32: 101-2).
Allerorten lassen sich Meinungsbildner und Fachgesellschaften von Pharmaherstellern und deren Marketingstrategen korrumpieren (vgl. Seite 109). Abgesehen
davon, dass Boehringer Ingelheim Fördermitglied der DMKG ist, soll weder der federführende Autor der Empfehlungen noch die DMKG finanzielle
Zuwendungen vom THOMAPYRIN-Produzenten erhalten haben, erfahren wir von diesen.
Die DMKG wäre gut beraten, sich von der Werbeaktion zu distanzieren und die zu Gunsten des Marktführers THOMAPYRIN manipulierten Empfehlungen
zur Selbstmedikation unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen, zumal Langzeitgebrauch solcher Kombinationen terminale Analgetika-Nephropathien
auslösen kann. Die Finanzierung von Fachgesellschaften muss öffentlich durchschaubar werden.
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