Tamoxifen (NOLVADEX u.a.) wurde 1998 in den USA auf der Basis einer einzigen unzulänglichen Studie zur Primärprävention für
Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko zugelassen. Im Gegensatz zum gut dokumentierten lebensverlängernden Nutzen des Antiöstrogens in der
adjuvanten und palliativen Brustkrebsbehandlung blieben damals Fragen zu Langzeitfolgen und Einfluss der Prophylaxe auf die Mortalität gesunder Frauen
unbeantwortet.1
In den USA muss der Hersteller in einem "Dear-Doctor"-Letter mittlerweile vor schweren und lebensbedrohlichen unerwünschten Effekten der
Primärprophylaxe warnen. In der Nachbeobachtung der Studie, die zur Zulassung für die Indikation Brustkrebsprophylaxe diente, übersteigt die Rate
an Gebärmutterkrebs unter Verum die unter Plazebo um das Zweieinhalbfache (33 vs. 14, relatives Risiko [RR] 2,5; 95% Vertrauensbereich [CI] 1,27 bis 4,92).
Neben Adenokarzinomen sind auch Uterussarkome beschrieben. Diese haben eine schlechte Prognose (a-t 2000; 31:
80). In der erweiterten amerikanischen Produktinformation wird auch auf häufigere Schlaganfälle, Lungenembolien und tiefe Beinvenenthrombosen
(a-t 2000; 31: 48) unter Tamoxifen gegenüber Scheinmedikament hingewiesen.2,3
Unsere damalige negative Nutzen-Schaden-Bewertung für die Primärprophylaxe (a-t 1998; Nr. 12: 110) wird
jetzt durch die prospektive europäisch-australische IBIS*-I-Studie unterstrichen. 7.152 gesunde Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko nehmen maximal
fünf Jahre lang täglich 20 mg Tamoxifen oder Plazebo ein. Nachdem 50% der Frauen 4,2 Jahre an der Studie teilgenommen haben, werden unter
Einnahme des Antiöstrogens ein Drittel weniger Mammakarzinome diagnostiziert (69 vs. 101; RR 0,68; 95% CI: 0,5 - 0,92; primärer Endpunkt). Die unter
den sekundären Endpunkten erfasste Gesamtsterblichkeit ist jedoch unter Tamoxifen signifikant erhöht: Es sterben mehr als doppelt so viele Frauen wie
unter Plazebo (25 vs. 11 [0,7% vs. 0,3%]; p = 0,028). Als Todesursachen werden Kolonkarzinom (4), Lungenembolie, Brustkrebs, Myelom, Myokardinfarkt (jeweils 2)
u.a. genannt.4
FAZIT: Für gesunde Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko ist die Nutzen-Schaden-Abwägung der vorbeugenden Einnahme des
Antiöstrogens Tamoxifen (NOLVADEX u.a.; hierzulande keine zugelassene Indikation) negativ. Zwar werden nach einer aktuellen Studie unter Tamoxifen
weniger Mammakarzinome diagnostiziert, die Gesamtsterblichkeit nimmt aber signifikant zu. Gebärmutterkrebs, venöse Thrombosen, Embolien und
wahrscheinlich auch Schlaganfälle kommen häufiger vor als unter Plazebo. Tamoxifen ist zur Primärprophylaxe des Brustkrebses nicht vertretbar.
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