Patienten mit gestörter Glukosetoleranz haben ein sehr hohes Risiko für Typ-2-Diabetes. In der STOP-NIDDM*-Studie erhalten 1.429
Gesunde mit gestörter Glukosetoleranz, d.h. einem Blutzuckeranstieg zwei Stunden nach 75 g Glukose per os (oraler Glukose-Toleranz-Test = OGTT) auf
Werte zwischen 7,8 und 11,1 mmol/l (140 und 200 mg/dl), und einem Nüchternblutzucker zwischen 5,6 und 7,7 mmol/l (100 und 140 mg/dl) entweder 300 mg
Acarbose (GLUCOBAY) pro Tag oder Plazebo.1 4% der Teilnehmer werden von der Auswertung ausgeschlossen. 31% in der Acarbosegruppe und 19% in
der Plazebogruppe brechen die Einnahme meist wegen Nebenwirkungen ab. Nach einer mittleren Studiendauer von 3,3 Jahren haben 32% unter Acarbose und 42%
unter Plazebo 2-Stunden-OGTT-Blutzuckerwerte über 11,1 mmol/l (200 mg/dl) und werden somit als Diabetiker eingestuft.1 Nüchternblutzucker-
und HbA1c-Werte werden nicht mitgeteilt. Nach mündlicher Aussage eines der Hauptautoren der Publikation gibt es jedoch hierbei
keinen Unterschied zwischen Acarbose und Plazebo.2
Der durchschnittliche 2-Stunden-OGTT-Blutzuckerwert unterscheidet sich zwischen Acarbose und Plazebo um weniger als 20 mg/dl.2 Hierbei handelt es
sich vermutlich um einen isolierten Effekt von Acarbose auf die Ergebnisse des OGTT. Der OGTT ist ein Test mit schlechter Reproduzierbarkeit. Acarbose kann
seine Ergebnisse beeinflussen.3 In der STOP-NIDDM-Studie sinkt die Anzahl der Diabetesdiagnosen, wenn der OGTT wiederholt wird. Nach Absetzen von
Acarbose in einer dreimonatigen einfach blinden Plazebo-Run-out-Phase am Ende der Studie steigt die Rate der neu als Diabetiker klassifizierten Studienteilnehmer
in der ursprünglichen Verumgruppe über die in der ursprünglichen Plazebogruppe (15% vs. 11%).1
Die relative Reduktion des Diabetesrisikos unter Acarbose beträgt 24%. Nach früheren Studien senkt Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) das relative Risiko,
einen Diabetes zu entwickeln, bei Menschen mit gestörter Glukosetoleranz um 31%.4 Änderung der Lebensgewohnheiten einschließlich
Gewichtsabnahme und Steigerung der körperlichen Aktivität mindert dieses Risiko relativ um mehr als 50%.4,5
Bedenklich ist, dass die finanziellen Verbindungen zwischen den Autoren der Studie und dem Acarbose-Hersteller Bayer nicht offengelegt werden. In der Lancet-
Publikation findet sich der Hinweis, dass die Autoren keinen Interessenkonflikt angegeben haben. Zumindest der Erstautor und der deutsche Autor der Studie haben
jedoch mehrfach finanzielle Zuwendungen von Bayer als Zuschuss (grant) 6,7 und/oder als Honorare 2,8,9 erhalten. Die Statuten von Lancet
legen klar fest, dass solche Zuwendungen als Interessenkonflikt gelten und anzugeben sind, unabhängig davon, ob ein Autor sich dieses Konfliktes bewusst ist
oder nicht.10 Somit haben die Autoren die Publikationsregeln der Zeitschrift Lancet verletzt. Mit diesem Verhalten lassen sich möglicherweise die
unvollständigen Angaben von Studiendaten und ihre tendenziöse Interpretation erklären.
Acarbose (GLUCOBAY) senkt bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz
geringfügig den Blutzucker nach einem Glukosebelastungstest. Dieser Effekt ist deutlich kleiner als der nichtmedikamentöser Maßnahmen.
Acarbose hat keinen Einfluss auf die Nüchternblutzuckerwerte oder den
HbA1c-Wert.
Interessenkonflikte durch finanzielle Verbindung der Autoren mit der Firma Bayer
werden in der Veröffentlichung verschwiegen und spiegeln sich wahrscheinlich in Unterschlagung und Fehlinterpretation von Studiendaten wider.
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