KETOLID-ANTIBIOTIKUM TELITHROMYCIN (KETEK) |
Ab Mitte Oktober wird in Deutschland Telithromycin (KETEK) angeboten, der erste Vertreter der neuen Antibiotika-Klasse der so genannten Ketolide. Telithromycin ist für die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie, der akuten Exazerbation einer chronischen Bronchitis und der akuten Sinusitis bei Erwachsenen zugelassen. Reservestatus schreibt die europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) nur für die Tonsillitis durch betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A vor.1 Um eine rasche Marktpräsenz zu erreichen, greift der Hersteller Aventis zu einer dreisten Methode: Telithromycin wird Apotheken unbestellt gegen Rechnung als so genannte "Vorab-Versorgung" zuschickt. EIGENSCHAFTEN: Ketolide sind chemisch abgewandelte Makrolide, bei denen ein Zucker am Laktonring durch eine Ketogruppe ersetzt
ist.2 Telithromycin wird aus Erythromycin hergestellt.1 Der Wirkmechanismus entspricht mit Hemmung der bakteriellen ribosomalen
Proteinbiosynthese dem der Makrolide.1 WIRKSAMKEIT: In zulassungsrelevanten kontrollierten klinischen Studien, von denen keine vollständig veröffentlicht ist, ergibt sich laut
europäischem Bewertungsbericht kein Vorteil gegenüber Vergleichsantibiotika wie Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.) und Clarithromycin (KLACID u.a.). Daten
zum klinischen Nutzen gegen Penizillin- oder Erythromycin-resistente Pneumokokken basieren auf nur 82 vom Hersteller ausgewerteten Erkrankungen, bei denen
das Mittel ähnlich wirken soll wie in der Gesamtgruppe der Patienten mit Pneumokokkeninfektion.1 KOSTEN: Bezogen auf eine Dosis von 800 mg Telithromycin kostet eine Behandlung pro Tag über 15 DM. Je nach Indikation dauert die Behandlung fünf (Sinusitis, Tonsillitis, akut exazerbierte chronische Bronchitis) oder sieben bis zehn Tage (ambulant erworbene Pneumonie). Die Neuerung verteuert die Behandlungskosten pro Tag um das Drei- bis Fünffache. Verkürzt Telithromycin die Therapiedauer auf fünf gegenüber sieben bis zehn Tagen einer Standardmedikation, muss für das Ketolid mit 78 DM (Österreich 719 ATS) immer noch bis zum Doppelten (statt 38 DM bis 56 DM) aufgewendet werden. FAZIT: Ketolid-Antibiotika leiten sich chemisch von den Makroliden ab. Das erste Derivat Telithromycin (KETEK) bietet nach bisherigen Daten keinen klinisch relevanten Vorteil gegenüber herkömmlichen ambulant verwendeten Antibiotika. Die unzureichenden Daten zu Penizillin- und Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.)-resistenten Pneumokokken erlauben bei dieser Indikation keine Bewertung oder Empfehlung. Bei ähnlichem Störwirkungsspektrum ist Telithromycin möglicherweise stärker leberschädlich als Makrolid-Antibiotika. Das QT-verlängernde Potenzial mit Gefahr von Rhythmusstörungen und Klagen über Verschwommensehen fallen auf. Wir sehen für die Pseudoinnovation Telithromycin keine Indikation in der ambulanten Versorgung. |
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