Der FSME-Impfstoff TICOVAC darf nicht mehr in Verkehr gebracht werden, weil der Hersteller Baxter Mitte März auf die Zulassung verzichtet hat.
Die Firma begründet den Schritt mit häufigen Fieberreaktionen, die zum Teil mit raschem Temperaturanstieg bis über 40° Celsius einhergehen,
sowie mit Fieberkrämpfen bei Kindern und gehäuften fiebrigen Allgemeinreaktionen beziehungsweise grippeähnlichen Symptomen bei
Erwachsenen.1 Wegen der erdrückenden Zahl der zum Teil schwerwiegenden Störwirkungen - dem Paul-EHRLICH-Institut lagen schon Mitte
vergangenen Jahres mehr als 1.100 Berichte allein aus Deutschland vor (a-t 2000; 31: 71) - forderten wir bereits im
Juni 2000, "das unzureichend geprüfte TICOVAC schleunigst vom Markt zu nehmen" (a-t 2000; 31:
64).
Jetzt gibt es zur aktiven Immunisierung gegen FSME nur noch ENCEPUR, das nach Berichten der Spontanerfassung hinsichtlich Fieberreaktionen besser vertragen
wird.2 ENCEPUR ist jedoch lediglich für Erwachsene und Kinder ab vollendetem 12. Lebensjahr zugelassen, so dass für Kinder unter 12 Jahren
kein Impfstoff mehr zur Verfügung steht. Der Verlust ist zu verschmerzen, da die Nutzen-Schaden-Abwägungen für die Impfung von Kindern negativ
ausfällt und die Notwendigkeit der Impfung generell in Frage steht. Der Wirksamkeitsanspruch basiert nicht auf kontrollierten Studien mit klinischen
Endpunkten, in denen Komplikationen bei Geimpften und Erkrankungen Nichtgeimpfter erfasst werden, sondern nur auf dem Surrogatkritierium Titeranstieg nach
Impfung. Die Gefährdung von Kindern durch FSME lässt sich jedoch nicht greifen. Bleibende neurologische Schäden sind bei Kindern "eine
Rarität", stellt das Paul-EHRLICH-Institut fest. In der deutschsprachigen Literatur findet es nur einen Bericht einer neurologischen Dauerschädigung
bei einem ungeimpften Kind (12-jähriger Junge). 1997/98 ließen sich in Deutschland 17 FSME-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen bis 16 Jahre
ermitteln. Bei allen verläuft die Erkrankung blande mit vollständiger Wiederherstellung.2
Das Risikomanagement von Hersteller und PEI ist langsam, unprofessionell und ignoriert das Prinzip des vorbeugenden Verbraucherschutzes. Angesichts der Welle
von Unverträglichkeiten und des unzureichend dokumentierten Nutzens musste die Nutzen-Schaden-Abwägung für TICOVAC spätestens im
Juni 2000 negativ ausfallen, zumal ein offensichtlich besser verträglicher Impfstoff für Jugendliche und Erwachsene zur Verfügung steht. Doch nichts
geschah.
Immer noch werden Risikobeurteilung und Entscheidungen zur Risikoabwehr von Behörden hinter verschlossenen Türen mit der Industrie ausgekungelt.
Bis heute steht eine detaillierte Dokumentation der Berichte aus, die dem PEI zu TICOVAC zugegangen sind. Solche Daten, die amtliche Entscheidungen
nachvollziehbar und überprüfbar machen, müssen unverzüglich und vollständig öffentlich gemacht werden. Einen Überblick
über die 1.554 beim PEI erfassten Meldungen zu TICOVAC gibt die Tabelle auf Seite 43.
Durch die Marktrücknahme gerät erneut die Praxis, Arzneimittel auf der Basis von Surrogatparametern zuzulassen,3 in die Kritik. Solche Daten
bahnen Fehlentwicklungen. So senkt beispielsweise das Antihypertensivum Doxazosin (CARDULAR u.a.) nachweislich erhöhten Blutdruck, verdoppelt aber im
Vergleich zu einem Diuretikum die Gefährdung durch Herzinsuffizienz (a-t 2000; 31: 39). Der Lipidsenker Clofibrat
senkt zwar Triglyzeride, fiel jedoch schon vor Jahrzehnten dadurch auf, dass die Gesamtmortalität unter der Einnahme steigt (a-t 1993; Nr. 1: 18). Auch durch Impfstoffe hervorgerufene Titeranstiege sind unzuverlässige Ersatzkriterien für
die Wirksamkeit. Welchen Nutzen oder Schaden der Impfling zu erwarten hat, lässt sich aus solchen Befunden nicht ableiten. Die Zulassungsbehörden
sind gefordert, ihre Anforderungen zu überprüfen.
|