39 Todesfälle nach (gesicherter) Einnahme von VIAGRA, weitere 38 Todesfälle, bei denen möglicherweise VIAGRA
eingenommen wurde (http://www.fda.gov/cder/consumerinfo/viagra/viagraupdate721.htm) -Ich kenne
kein Arzneimittel, das nach so kurzer Zulassungszeit mit so vielen Todesfällen in Zusammenhang gebracht wird. Insofern halte ich auch die Äußerung
der US-Behörde für einen Denkfehler, weil von einer ausschließlich rationalen und medizinisch sachgerechten Anwendung ausgegangen wird
("VIAGRA birgt keine Gefahren, solange es unter ärztlicher Aufsicht und nicht zusammen mit unverträglichen Substanzen eingenommen wird").
Offensichtlich reicht aber der menschliche (oder besser männliche?) Verstand hierfür nicht aus.
M.E. wird es eben deshalb dringend Zeit für ein Importverbot bzw. eine Marktrücknahme (a-t 6 [1998], 53). Oder dürfen wir auf die nächste
Welle von Todesmeldungen nach der EU-Zulassung warten?
NN (Apotheker, männlich), Name und Anschrift der Redaktion bekannt
Lebensbedrohliche Wechselwirkungen von Sildenafil (VIAGRA) betreffen nicht nur Nitrate und Nitroprussid-Na (NIPRUSS; a-t 6 [1998], 53), sondern auch den in den USA nicht gebräuchlichen NO-Donator Molsidomin (CORVATON u.a.).
Da Molsidomin in Deutschland viel verwendet wird, scheint es mir wichtig, darauf hinzuweisen...
F. FUHRMANN (Apotheker)
D-26386 Wilhelmshaven
77 Todesfälle auf 2,7 Millionen Verordnungen bedeuten einen Toten pro 3.500 Verordnungen, wenn eine Dunkelziffer von 1:10 einberechnet wird.
Sildenafil (VIAGRA)-Anwender sind unzureichend vor gefährlichen Folgen des Vasodilatators geschützt. Die US-amerikanische Verbraucherorganisation
Public Citizen führt dies neben Interaktionen auf undifferenzierte Indikationsangaben zurück. Erkrankungen, die zum Ausschluss aus der klinischen
Prüfung führten (s. Kasten), gelten nach Zulassung des Mittels nicht als Gegenanzeigen.1 Jetzt muss das "Massenexperiment" der
uneingeschränkten Verordnung erweisen, welche der zuvor ausgeschlossenen medizinischen Probleme die Gefährdung erhöhen.1 Es erscheint
unverantwortlich und irreführend, wenn Zulassungsbehörde oder Hersteller Todesfälle beispielsweise auf kardiovaskuläre Vorschädigung
der Patienten zurückführen und somit als nicht arzneibedingt einstufen.
VIAGRA-DOPPELSTANDARD: Folgende Erkrankungen bzw. Umstände führten zum Ausschluss aus Studien mit Sildenafil, sind
jedoch nach Zulassung des Potenzmittels nicht mehr als Gegenanzeigen ausgewiesen:
Blutdruck unter 90/50 mmHg oder über 170/100 mmHg, aktive peptische Ulkuserkrankung, klinisch auffällige Basislabordaten, Therapie mit
Antikoagulantien, Androgenen oder dem Antidepressivum Trazodon (THOMBRAN; cave: Priapismus a-t 4 [1984], 36), Einnahme von Azetylsalizylsäure
(ASPIRIN u.a.) oder nichtsteroidalen Antirheumatika und peptische Geschwüre in der Vorgeschichte, Retinitis pigmentosa in der Anamnese, unkontrollierter
Diabetes oder diabetische Retinopathie, Schlaganfall oder Myokardinfarkt bzw. lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen bis sechs Monate zuvor,
Herzinsuffizienz, instabile Angina pectoris, elektrokardiografische Hinweise auf unzureichende Blutversorgung des Herzens u.a.1 |
Sildenafil dient häufig lediglich dazu, unerwünschte Effekte anderer Arzneimittel auszugleichen. Von 69 Berichten über unerwünschte
Wirkungen von Sildenafil mit vollständiger Listung der Komedikation nennen 32 (46%) mindestens eine die Sexualfunktion störende
Komedikation.1 Dosisreduktion bzw. Umstellen auf eine andere nicht bzw. seltener Impotenz verursachende Behandlung ist in dieser Situation
angebracht,2 nicht aber Sildenafil.
Pfizer wirbt in den USA direkt beim Verbraucher für VIAGRA.3 Die Einnahmen der Firma stiegen im zweiten Quartal dieses Jahres um 37%.4 In
Deutschland löst die zu erwartende Kostenlawine offensichtlich größere Aktivitäten aus als die vorhersehbaren Gesundheitsschäden.
Lange bevor ein Zulassungstermin feststeht, hat der Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen entschieden, dass VIAGRA privat zu bezahlen ist. Die Folgen -
etwa VIAGRA-bedingte Herzinfarkte oder Schlaganfälle - bleiben aber "sozialisiert" und müssen von den Krankenkassen bezahlt werden. Hier
wäre Herstellerhaftung angebracht.
Der überhöhte Preis des Mittels bleibt weltweit ohne Protest. Weder chemische Struktur noch "Entwicklungskosten" rechtfertigen Forderungen
von rund 30 DM pro Tablette. Wäre Sildenafil - wie zunächst vorgesehen - als Kreislauf-Vasodilatator vermarktet worden, hätte Pfizer nur ein Zehntel
bis ein Hundertstel der Kosten am Markt durchsetzen können. Nicht die "kostspielige" Forschung der Firma, sondern Patienten während der
klinischen Prüfung haben die potenzsteigernde Wirkung als Zufallsbefund entdeckt.
Die Tabletten von 25 mg bis 100 mg sind gleich teuer. Der Hersteller verhindert Sparbemühungen des Verbrauchers, indem er die Tabletten ohne
Teilungskerben produziert.
Wenn Markt- oder Importverbot sich für Sildenafil (VIAGRA) behördlich nicht durchsetzen lässt, sind aus Gründen des Patientenschutzes
drastische Anwendungsbeschränkungen überfällig. Pfizer hat Skrupel bei der Vermarktung fallen gelassen und peilt Milliarden-Umsätze an. Die
Firma nutzt ihre Monopolstellung, um das orale Potenzmittel zu fantastisch überhöhten Preisen zu vertreiben. Wäre es nicht an der Zeit, der Firma zu
zeigen, dass Ärzte und Apotheker dies unverantwortlich finden?
1 | Public Citizen: "Petition to Add Important Information about VIAGRA's Dangers to the
Drug's Label", 1. Juli 1998 |
2 | "Vom Verdacht zur Diagnose", A.V.I. Berlin, 1992, Seite 209 |
3 | Scrip 2352 (1998), 13 |
4 | Scrip 2352 (1998), 7 |
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