Bei 30% bis 70% der Patienten mit lokal fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom oder Lymphknotenbefall kehrt innerhalb von fünf Jahren nach
operativer Entfernung der Tumor wieder.1 Adjuvante chemo- oder strahlentherapeutische Behandlung mindert die Rezidivrate und bessert die
Lebenserwartung. Für das Dickdarmkarzinom mit Befall regionärer Lymphknoten (Stadium Dukes C) wird derzeit ein Schema mit 5-Fluorouracil (5-FU;
FLUORO-URACIL ROCHE u.a.) plus Levamisol (Belgien: ERGAMISOL) oder mit 5-FU plus Folinsäure (LEUCOVORIN, vgl. a-t 8 [1994], 76) empfohlen. Bei Enddarmkarzinom beugen adjuvante Bestrahlung plus Chemotherapie Rezidiven
vor.1
Ende vergangenen Jahres ließ das PAUL-EHRLICH-Institut nach wenigen Monaten Prüfzeit* den aus Zellen der Maus gewonnenen
monoklonalen Antikörper 17-1A (PANOREX) auf der Basis vorläufiger, spärlicher Daten für die postoperative adjuvante Behandlung des
Dickdarm- und Mastdarm-Karzinoms im Stadium Dukes C zu.2,3
WIRKUNGSWEISE: Der Antikörper richtet sich gegen ein Oberflächenprotein auf normalen und malignen Epithelzellen.4 Er soll die
körpereigene Immunabwehr gegen die Tumorzellen aktivieren, etwa wenn diese im Rahmen eines operativen Eingriffs ausgeschwemmt werden.
Adenokarzinome weisen in vitro eine hohe Antigendichte auf.5 Von Bindegewebe umgebene Mikrometastasen scheinen für den Antikörper
zugänglicher zu sein als geschlossene Zellverbände des physiologischen Epithels oder größerer Tumormassen.4
KLINISCHE ERFAHRUNGEN: In einer 1985 begonnenen deutschen Multizenterstudie erhalten 79 von 166 Patienten mit kurativ entferntem Adenokarzinom
des Kolons oder Rektums im Stadium Dukes C in den fünf Monaten nach Operation Infusionen mit dem 17-1A-Antikörper. Innerhalb der
Nachbeobachtungszeit von rund fünf Jahren mindert PANOREX die Sterblichkeit gegenüber der nur beobachteten Kontrollgruppe von 51% auf 36%. Die
Rezidivrate sinkt innerhalb dieses Zeitraums von 66,5% auf 48,7%. Der monoklonale Antikörper unterdrückt oder verzögert nur das Auftreten von
Fernmetastasen, während er vor Lokalrezidiven nicht schützt.4
Die Erfolgsraten der Immuntherapie nach kurativ entferntem Dukes-C-Karzinom entsprechen in etwa denen der mittlerweile etablierten adjuvanten Chemo- und
Radiochemotherapie.4 Direkte Vergleiche mit den derzeit empfohlenen, besser untersuchten Schemata fehlen. Theoretisch könnte eine Kombination der gegen
proliferierende Tumorzellen gerichteten zytostatischen Behandlung mit dem unabhängig vom Zellzyklus wirkenden Antikörper die Ergebnisse
verbessern,6 doch mangelt es auch hierzu an Daten.
In Studien an Patienten mit fortgeschrittener metastatischer Erkrankung bleibt die Immuntherapie ohne eindeutigen Nutzen.4
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: 37% der Patienten leiden unter Störwirkungen, am häufigsten im Magen-Darm-Bereich mit Durchfall
(14%), Übelkeit (8%), Erbrechen und Bauchschmerzen (je 7%), Blähungen und Verdauungsbeschwerden (je 1%).5 Die Immuntherapie kann ein
typisches immuntoxisches Syndrom mit Fieber, Schüttelfrost, Hautausschlag, Juckreiz, Urtikaria, Atembeschwerden und Bronchospasmus, nichtkardiogenem
Lungenödem sowie Brustschmerzen, Tachykardie, Blutdruckabfall, Rücken-, Kopf- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Haarausfall und
Sehstörungen im Sinne von Farbensehen auslösen.
80% entwickeln nach wiederholter Anwendung Antikörper gegen Maus-Immunglobulin. Vier von insgesamt 371 in der deutschen Studie verabreichten
Infusionen lösten anaphylaktische Reaktionen aus.4 PANOREX darf nur in Notfallbereitschaft gegeben werden.5
DOSIS UND KOSTEN: Innerhalb der ersten zwei Wochen nach Operation werden einmal 500 mg, anschließend viermal in monatlichen
Abständen 100 mg des 17-1A-Antikörpers intravenös infundiert. Wegen mangelnder Erfahrungen soll PANOREX nicht mit anderen adjuvanten
Therapieformen kombiniert werden.5 Ein Behandlungszyklus kostet fast 9000 DM.
FAZIT: Der monoklonale Maus-Antikörper 17-1A (PANOREX) senkt nach den Daten einer kleinen, noch zu bestätigenden Studie Sterblichkeit und
Rückfallrate bei Patienten, deren kolorektales Karzinom einschließlich befallener regionärer Lymphknoten in kurativer Absicht entfernt wurde. Der
Nutzen entspricht in etwa dem der etablierten adjuvanten Chemo- oder Strahlentherapie. Direkte Vergleiche mit den derzeit üblichen adjuvanten
Behandlungsformen fehlen. Ebenso mangelt es an Daten zur kombinierten Anwendung sowie an Kriterien, wer für die Immuntherapie in Frage kommt. Wir
halten daher derzeit eine Anwendung nur im Rahmen klinischer Studien für gerechtfertigt. Wird der Nutzen der Immuntherapie durch weitere Studien
bestätigt, dürfte die Zukunft weniger immunogenen humanen Antikörpern gehören.
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Centocor nutzte zur Beschleunigung der Zulassung eine zum Jahreswechsel ausgelaufene EU-Regelung, die eine vorgezogene,
erleichterte, ausschließlich nationale Zulassung biotechnologischer Produkte erlaubt, wenn der Antragsteller zusichert, daß er fünf Jahre lang keine
weiteren Zulassungsanträge in EU-Staaten stellt.2
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