In a-t 8 (1990), 69 und 1 (1991), 2 habe ich schon einige Male vom BSE-Risiko bei Heparin gelesen. Könnten Sie mir weitere
Information darüber geben, wie hoch das Risiko derzeit einzuschätzen ist, und welche Alternativen zur Heparinisierung bestehen? Ist z.B. HAES eine
Alternative? Speziell interessiert mich die Empfehlung bei Schwangerschaft und Risikofaktoren (z.B. Varizen) und bei Bettruhe unter i.v.-Tokolyse, im Wochenbett
nach Kaiserschnitt und in der Gynäkologie.
A. MÄHRLEIN (Ärztin im Praktikum)
W-1000 Berlin 36
Heparin (LIQUEMIN u.a.) wird aus inneren Organen von Schweinen und Rindern hergestellt (Darm, Trachea). Bei BSE-Infektion des Schlachttieres würde
das infektiöse Agens in das Rohheparin gelangen. Nach der Infektion des Schlachttieres werden die genannten Organe, insbesondere deren lymphatisches
Gewebe, vom infektiösen Agens befallen, lange bevor sich dieses in das Gehirn- und Nervengewebe ausbreitet. Daher zählt Heparin zu den
problematischen Arzneistoffen.
Konkrete Kenntnisse über die Größe des Risikos können noch nicht vorliegen, da zwischen Infektion und Auftreten zerebraler Symptome beim
Menschen mit Zeiträumen zwischen 15 und 20 Jahren zu rechnen ist. Die Ausbreitung von BSE bei Schlachttieren ist jedoch jüngeren Alters (etwa seit
1985). Deshalb läßt sich das Risiko für den Menschen derzeit nur aufgrund von Analogieschlüssen aus tierexperimentellen Daten
abschätzen.1,2
Als Alternative zu Heparin zur Verhinderung thromboembolischer Ereignisse kommt nur Dextran (ONKOVERTIN N u.a.) in Frage, nicht aber Hydroxiethylstärke
(HAES u.a.). Nur für Dextran gibt es klinische Studien, die eine hinreichende Wirksamkeit zur Prophylaxe thromboembolischer Ereignisse belegen.
Cumarinderivate sind während der Schwangerschaft kontraindiziert (vgl. a-t 9 [1991], 82). Ein erhöhtes
Mißbildungsrisiko im Zusammenhang mit Heparin ist nicht bekannt, während Cumarinderivate ein typisches Mißbildungssyndrom auslösen mit
Wachstums- und Hirnreifungsstörungen sowie Nasenhypoplasie und Störungen der Augenentwicklung.3,4
Im übrigen gelten für die Gynäkologie die gleichen Grundsätze wie für alle Indikationen: Es muß das konkrete Risiko
thromboembolischer Ereignisse gegen das theoretische Risiko der BSE-Infektion abgewogen werden (vgl. a-t 1 [1991],
2). Bei konkreter Gefährdung durch thromboembolische Ereignisse ist eine Heparinisierung heute noch unumgänglich, da dem konkreten Risiko, das
zu belegen ist, bisher nur ein theoretisches, aber falls konkretisierbar stets letales Risiko gegenübersteht, Red.
1 | DIERINGER, H.: Bundesgesbl. 5 (1990), 185> |
3 | Editorial: Brit. Med. J. 304 (1992), 929 |
2 | SPIELMANN, H. et al.: "Taschenbuch der Arzneimittelverordnung in Schwangerschaft
und Stillperiode", Fischer, Stuttgart, 1992 (4. Aufl.), S. 99, 102 |
4 | BRIGGS, G. G. et al.: "Drugs in Pregnancy and Lactation", Williams & Wilkens,
Baltimore, 1990 (3rd. ed.), S. 158, 292 |
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