Das seit gut einem Jahr hierzulande von der Fresenius AG als Harninkontinenzmittel angebotene Terodilin (MICTROL) wurde früher zur Prophylaxe
der Angina pectoris verwendet. Es steht chemisch dem Kalziumantagonisten Prenylamin (SEGONTIN) sehr nahe (vgl. Abbildung). Dieser wurde Ende der 80er Jahre
wegen schwerster Herzrhythmusstörungen mit Letalausgang vom Markt genommen (vgl. a-t 9 [1986], 88 und 6 [1988], 55).
Die Wirkungen von Terodilin als Harninkontinenzmittel lassen sich als antimuskarinische und kalziumantagonistische Effekte auf die Blasenwandmuskulatur deuten,
die theoretisch zu einer Hemmung der Detrusor-Motilität führen können. Es fehlen jedoch hinreichend kontrollierte Studien, die den klinischen Nutzen
belegen. In einer Studie an älteren Patienten mit Detrusorinstabilität wirken Blasentraining plus täglich 25 mg Terodilin nicht besser als Blasentraining
plus Plazebo.1
Das britische Committee on Safety of Medicines (CSM) warnt soeben vor Äschweren kardialen Störwirkungen" in Verbindung mit dem
Inkontinenzmittel. Das CSM erhielt 17 Berichte über ventrikuläre Tachykardien in Verbindung mit Terodilin, darunter 13 Meldungen mit Torsades de
pointes einer auch als "chaotische Kammertachykardie" bezeichneten lebensbedrohlichen Rhythmusstörung mit verlängertem QT-
Intervall , drei Berichte über Herzversagen und vier über Bradykardie. Alle diese Patienten überlebten. Bei drei Personen waren
Reanimationsmaßnahmen erforderlich. Fünf benötigten einen Schrittmacher. Die kardialen Effekte setzten zwischen einer Woche und zwei Jahren
nach kontinuierlicher Einnahme des Mittels ein.2
Nach Ansicht des CSM steigt das Risiko von Rhythmusstörungen mit dem Alter von über 75 Jahren, mit Vorhandensein ischämischer
Herzerkrankungen, mit der gleichzeitigen Einnahme von Herzmitteln, Diuretika, trizyklischen Antidepressiva und Neuroleptika sowie durch Hypokaliämie. Alter
ist keine absolute Kontraindikation, doch sollte das Mittel abgesetzt werden, wenn einer der prädisponierenden Faktoren hinzukommt. Bei
Herzrhythmusstörungen jeder Art verbietet sich die Anwendung von Terodilin.2,3
FAZIT: Der Nutzen des Harninkontinenzmittels Terodilin (MICTROL) ist nicht hinreichend belegt. Um so schwerer wiegen Berichte über gravierende
ventrikuläre Tachykardien einschließlich lebensbedrohlicher Torsades de pointes. Die Komplikationen sind nicht vorhersehbar. Sie können Tage bis
Jahre nach Beginn der Einnahme einsetzen.
Terodilin steht chemisch dem Kalziumantagonisten Prenylamin (SEGONTIN) nahe. Dieser wurde zwischenzeitlich wegen tödlicher kardiovaskulärer
Zwischenfälle vom Markt genommen. Wir raten von der Verwendung von Terodilin ab.
1 | WIESEMANN,P. A. et al.: Br. Med. J. 302 (1991), 994 |
2 | Scrip 1640 (1991), 22 |
3 | CONNOLLY, M. J. et al.: Lancet 338 (1991), 344 |
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